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Operngala


Aufführungsdauer: ca. 2 h 45' (eine Pause)

Konzert am 3. Juni 2004


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Deutsche Oper am Rhein
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Erwartungen erfüllt

Von Thomas Tillmann



Zu Beginn eines Galaabends, bei dem vor einem sicher aparten Dinner für den Düsseldorfer Geldadel Ausschnitte aus Donizettis Anna Bolena und Roberto Devereux zur Aufführung kamen, ließ es sich der Generalintendant nicht nehmen, deutlich das eigentliche Arbeitsziel der von ihm geleiteten Deutschen Oper am Rhein zu definieren, nämlich szenische Deutungen von Werken des Musiktheaters zu präsentieren. Umso mehr erstaunte es, dass Prof. Richter trotz seiner bekannten Abneigung gegenüber konzertanten Aufführungen seiner Hoffnung Ausdruck verlieh, dass dieser Veranstaltung "weitere Unternehmungen in diesem Sinne" folgen mögen. Vielleicht ist es der Druck des Freundeskreises, der wenigstens einmal im Jahr "etwas ganz Außerordentliches" auf den Brettern des unterstützten Instituts sehen möchte: In der Spielzeit 2001/2002 hatte Catherine Malfitano an der Seite des routinierten Mario Malagnini ihre (späte, diskutable!) Tosca in der interessanten Produktion von Dietrich Hilsdorf gegeben, in der Saison 2002/2003 hatte man (für viel zu viel Geld einen äußerst schwachen!) Gabriel Sadé als Pollione für die ersten Vorstellungen der Norma engagiert. Eine Künstlerin, die eigentlich immer die in sie gesetzten Erwartungen erfüllt, ist dagegen Edita Gruberova, zu der man vermutlich über "Hausregisseur" Christof Loy Kontakt aufgenommen hatte, der Anfang des Jahres mit ihr in München eine Neuproduktion der späteren Oper erarbeitet hatte, in der die Sopranistin freilich vor gut einem Jahr auch in einer konzertanten Aufführung im Theater am Marientor in Duisburg (und auch in Dortmund und Köln) zu erleben war. Und so fragte man sich doch, ob man die Künstlerin nicht zu einem anderen Programm hätte überreden können - auf der Pressekonferenz soll sie etwa Bellinis Imogene und Donizettis Lucrezia Borgia als Wunschpartien genannt haben, und ein paar Auszüge aus Norma, die sie vor wenigen Wochen in Baden-Baden gesungen hat, hätten das Publikum sicher auch interessiert (zudem kennt das Orchester dieses Werk besser, steht es doch auf dem Spielplan der Rheinoper, und mit den diversen Besetzungen der Titelpartie konnte man bisher auch nicht glücklich sein).

Über die Elisabetta des Stargasts habe ich bei meinem Artikel über die erwähnte Duisburger Vorstellung alles Wesentliche geschrieben: "Wer wollte Edita Gruberova ... eine zweifellos stupende Perfektion im Bereich des Fil di voce absprechen, wer wäre nicht entzückt über die technisch vollendeten Diminuendi und die streckenweise brillanten Verzierungen, die aufregenden interpolierten Acuti etwa am Ende des zweiten Finale oder das Crescendo auf dem finalen D in alto? Und doch hatte ich einmal mehr das Gefühl, dass diese Art des vokalen Exhibitionismus, der das Herz nicht wärmt und keinerlei Interesse weckt für das Schicksal der portraitierten Figur, an den wahren ... Intentionen des Komponisten vorbei geht, dass hier wohlkalkuliert technische Finessen vorgeführt wurden, die mich den ganzen Abend lang Offenbachs Olympia assoziieren ließen - mit wahrer Kunst hat das nichts zu tun, sondern mit Kunsthandwerk, pardon." Als Anna Bolena habe ich die Sängerin vor einigen Jahren mehrfach in München hören können, und auch bei dieser Partie fehlte es mir an Gewicht in der (jetzt sehr fahl klingenden) tiefen Lage, an der so wichtigen dramatischen Farbe und interpretatorischen Durchdringung des Charakters und der jeweiligen Situation (das Feuerwerk an Virtuosität etwa im "Coppia iniqua" geht meines Erachtens am Drama vorbei), die durch angedeutetes Spiel in Stummfilmmanier nicht zu ersetzen ist. Natürlich ist es immer wieder erstaunlich, in welch vorzüglichem Zustand die Stimme an sich ist und zu welchen Bravourleistungen sie immer noch fähig ist - auch in der als Zugabe ohne die übrigen Mitwirkenden gesungenen Scena e Cavatina der Elisabetta aus dem ersten Akt des Roberto, die zurecht vom Publikum minutenlang heftig beklatscht wurde -, aber Belcanto ist für mich etwas anderes als stets ökonomisches, wohl kalkuliertes Singen, das neben einigen kraftvollen Tönen, die inzwischen einige charaktervolle Schärfe besitzen (und das ist in diesem Fall ein Gewinn!), aus für meinen Geschmack zu vielen bloß gehauchten und gesäuselten besteht.

Bevor die Primadonna mit den beiden großen Schlussszenen zu erleben war, musste man sich tapfer durch manche Chöre hören, die nun wirklich nicht zum Stärksten gehören, was Donizettis geschrieben hat (immerhin, das Kollektiv hat man ohne Noten in den Händen in den letzten Jahren deutlich schlechter gehört), und auch sonst waren es nicht immer die packendsten und charakteristischsten Szenen aus den beiden Werken, die man ausgewählt hatte. Jeanne Piland, die durchaus Erfahrung im Belcantorepertoire hat (die Giovanna Seymour hat sie meines Wissens sogar an der Seite von Beverly Sills an der New York City Opera gesungen) und hier für mein Empfinden vokal viel eher zuhause ist als im dramatischen (Sopran-)Fach, aus dem sie sich in der nächsten Spielzeit mit der Kundry eine weitere Partie meint erobern zu müssen, begann deutlich besser disponiert als zuletzt mit der wenig spannenden Auftrittsarie der Hofdame Anne Boleyns, die kurz und nicht schwer ist. Im weiteren Verlauf bewunderte man einige schöne Sopran-Forti in der Vollhöhe, war aber auch erneut irritiert über den Einsatz der kräftigen Bruststimme in der Tiefe, über einige sehr flache Töne, vor allem im Piano und über einige Intonationsungenauigkeiten (die man freilich auch bei den Extremacuti der prominenten Kollegin registrierte), die die meisten Zuhörer ihr freilich vermutlich wegen der hohen Identifikation mit den beiden Charakteren nachsahen, wobei häufig dieselben Ausdrucksmomente und äußeren Effekte zum Einsatz kommen, die man aus anderen Partien kennt und die man gern als außermusikalisch bezeichnet.

Sami Luttinens vollmundigen, höhenstarken Bass hörte man in den Passagen des Enrico und später des Rochefort zwar an, dass er nicht jeden Tag mit italienischer Musik des 19. Jahrhunderts beschäftigt ist, aber der Finne ließ doch einigen Gestaltungswillen erkennen und steuerte unerwartete Nuancen bei. Wahrlich keinen schlechten Eindruck hinterließ auch Andrej Dunaev mit seinem nicht zu leichten, durchaus flexiblen lyrischen Tenor von schöner "italienischer" Farbe und einigem "Peng" in der Höhe. Allerdings hätte man sich besonders in der Percy-Arie etwas mehr dynamische Differenzierung jenseits einer Einheitslautstärke zwischen Mezzoforte und Forte gewünscht, in der Roberto-Arie mehr Individualität und Persönlichkeit. Anastassis Christoyannis ist längst ein Publikumsliebling der Rheinoper, und auch an diesem Abend freute man sich über sein erfolgreiches Bemühen um eine schöne Gesangslinie und elegante Phrasierung in den Duetten Nottinghams mit Sara, von denen vor allem das aus dem dritten Akt seine Wirkung auf das Publikum nie verfehlt. Nicht überhören konnte ich allerdings einige kleine Kratzer und ein paar Nebengeräusche auf der wirklich nicht großen Stimme, die er nicht mit Partien wie Giovanni und Onegin verheizen sollte, auch wenn er zweifellos die physique du rôle besitzt. Opernstudiomitglied Ekaterini Papadopoulou ließ als Smeton eine interessant vibrierende, eigenwillig timbrierte Mezzostimme hören, während Markus Müllers Tenor in den kurzen Einwürfen des Hervey und des Cecil inzwischen doch sehr müde klang.

Trotz der gemachten Einschränkungen fragt man sich angesichts dieser Leistungen im etwas entlegeneren Repertoire, warum an der Deutschen Oper am Rhein in der Hauptsache die immer gleichen Stücke wie Die Zauberflöte, zu Beginn der nächsten Spielzeit dann Don Giovanni (dazu noch in einer weiteren Inszenierung des in diesem Genre wirklich kein allzu glückliches Händchen besitzenden Hausherrn, die in diesem Monat bereits mit Künstlern aus Düsseldorf und Duisburg in Strasbourg zu sehen sein wird und im Herbst dann als Premiere in der Landeshauptstadt weiter verwertet wird, gar nicht zu reden von dem Umstand, dass Richter auch seine Amtszeit an der Rheinoper mit demselben Werk hatte beginnen lassen!) und in deren weiteren Verlauf Hoffmanns Erzählungen und Eugen Onegin präsentiert werden, die entweder in funktionierenden Produktionen vorlagen oder aber in den letzten Jahren an beinahe allen anderen Häusern der Nachbarstädte zu sehen waren. Dass man Belcantoopern erfolgreich inszenieren kann, hat etwa das Theater Krefeld-Mönchengladbach mit seiner hervorragenden Maria Stuarda bewiesen, dem dritten Werk der sogenannten Tudor-Trilogie Donizettis. Das finanziell sicher auch nicht besser da stehende Gelsenkirchener MiR wagte zwei Tage nach dieser Gala sogar die Deutsche Erstaufführung der wirklich seltenen Rosmonda d'Inghilterra, während die Rheinoper sogar den lange angekündigten Zyklus bereits im Spielplan befindlicher Janacek-Inszenierungen "als Folge der neuen Etatsituation" absagen musste.

Unauffällig und im Dienst der Protagonistin, aber im wesentlichen akkurat präsentierten sich die Düsseldorfer Symphoniker, deren Spiel freilich etwas mehr Verve und Fluss hätte haben dürfen und denen der stilistisch einmal mehr wenig beschlagene John Fiore (die Einleitung zur Tenorarie im zweiten Teil etwa klang doch eher nach spätem Verdi) weniger derbe Kontraste hätte verordnen und mehr Feinheiten hätte entlocken müssen - unter diesen Umständen ist es verständlich, dass die Sinfonia aus Anna Bolena nicht zur Aufführung kam. Und auch das muss gesagt werden: Es muss den Mitwirkenden möglich sein, eine ganze Nummer lang auf dem Podium zu verharren, die Mitglieder eines Chores müssen es schaffen, gemeinsam und nicht nacheinander aufzustehen, Orchestermitglieder müssen vor Beginn einer Szene ihren Platz einnehmen. Im Programm schließlich müssen korrekte Aktbezeichnungen zu finden sein, der Text des ersten Satzes nicht nur der gesamten Szene, sondern auch der einzelnen Teile, aber nicht derjenige von Szenen, die gar nicht zur Aufführung kamen (wie etwa bei der Nr. 5 des früheren Werkes!) - Kleinigkeiten vielleicht, aber solche, die man von hoch bezahlten Profis der trotz Kartenknappheit personenstark vertretenen Dramaturgie und Öffentlichkeitsarbeit doch wohl erwarten darf. Dass die Pressestelle, die bis zum Vorstellungsbeginn nicht in der Lage war, dem Rezensenten genaue Angaben zum Programm zu machen, es trotz mehrfacher Anfrage und Zusage (!) zudem nicht nötig fand, Fotos der Mitwirkenden für diesen Artikel zur Verfügung zu stellen, habe ich in fünfzehn Jahren Kritikertätigkeit nicht erlebt.


FAZIT

Ich ahne, dass man mich erneut der Beckmesserei bezichtigen wird und dass mancher den uneingeschränkt positiven eigenen Eindruck befleckt sehen wird, aber für unkritisches Jubeln waren auch an diesem Abend andere da.


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Programm



Auszüge aus

Anna Bolena und
Roberto Devereux
von Gaetano Donizetti



Mitwirkende

Edita Gruberova, Sopran
Ks. Jeanne Piland, (Mezzo-)Sopran
Ekaterini Papadopoulou, Mezzosopran
Andrej Dunaev, Tenor
Markus Müller, Tenor
Anastassis Christoyannis, Bariton
Sami Luttinen, Bass


Chor der Deutschen Oper
am Rhein

Choreinstudierung
Gerhard Michalski


Düsseldorfer Symphoniker

Musikalische Leitung
John Fiore



Weitere Informationen
erhalten Sie von der
Deutschen Oper am Rhein
(Homepage)



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