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Veranstaltungen & Kritiken Musiktheater |
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Der langsame und unausweichliche Tod der Carmen
Von Stefan Schmöe
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Fotos von Olaf Struck
Carmen hat gerade Hochkonjunktur an Rhein und Ruhr. Begonnen hat die Deutsche Oper am Rhein (unser Bericht), das Theater Hagen zieht jetzt nach, und demnächst darf man die feurige Spanierin französisch-musikalischer Herkunft noch an den Vereinigten Bühnen Krefeld / Mönchengladbach bewundern. Das ruft Vergleiche auf den Plan – auch wenn die angesichts der Unterschiede in Größe und Anspruch nicht gerecht sein mögen. ![]()
In Düsseldorf hat Jérôme Savary das Stück protzig, aber einfallslos in Szene gesetzt. In Hagen geht es bei bescheidenerem Etat naturgemäß weniger protzig zu, und das betrifft natürlich auch die musikalische Seite. Werden am Rhein teure Gäste eingekauft, so greift man in Hagen weitestgehend auf das kleine hauseigene Ensemble zurück. Das aber schlägt sich durchaus wacker. Marilyn Bennett in der Titelrolle hat immer dann starke Momente, wenn sie liedhafte Passagen in kultiviertem Piano gestalten kann: Etwa in der Habanera und Seguidilla des ersten Aktes oder dem Zigeunerlied des zweiten. Diese Nummern sind klug aufgebaut und entwickeln ihre Spannung von Innen. Weniger überzeugend ist die Sängerin in den dramatischeren Abschnitten; im Forte ist die Stimme schnell unkontrolliert. Aber nicht nur deshalb ist ihre Carmen weniger liebestolles Teufelsweib als vielmehr eine zerbrechliche, leidende Frau. Nicht unerotisch in knappes Schwarz unter dem unvermeidlichen roten Tuch gehüllt, entspricht sie zwar auf den ersten Blick den üblichen Klischees (und die Herren gehen ihr permanent an die Wäsche), der Maskenbildnerei aber scheint beim Frisieren mehr der Typ „nette Nachbarin“ vorgeschwebt zu haben. Auch schauspielerisch fällt Marilyn Bennett gelegentlich in diese Rolle. Trotz vieler schöner musikalischer Passagen hat diese Carmen kein besonders scharfes Profil. ![]()
Carmens ständiger Begleiter und damit Dreh- und Angelpunkt der Inszenierung von Werner Hahn ist der personifizierte Tod, der zu den gesprochenen Dialogen mit Gitarrenspiel spanisches Kolorit beisteuert. Mit dieser allgegenwärtigen Figur schafft der Regisseur eine Klammer für die Inszenierung und fokussiert auf den Fatalismus der Hauptfigur, was immerhin die gängigen Rollenklischees aufbricht. Furchtbar groß ist der Gewinn allerdings nicht. Zwar bilden effektvolle Szenen, in denen der Tod ein riesiges rotes Tuch als Bahn für den Schicksalsweg der Carmen ausbreitet, markante und eindrucksvolle Akzente, aber der Abnutzungseffekt ist unübersehbar. Missraten ist der allzu pathetische Schluss, zu dem Hahn seine Heldin dem personifizierten Tod zum finalen Kuss in die Arme laufen lässt, während José mit dem roten Leichentuch ringt. Die Brisanz dieses den Verismo vorweg nehmenden Opernschlusses geht im Kitsch überladener Symbolik verloren. ![]()
Zuvor hat Byoung-Ho June nach verhaltenem Beginn einen sehr achtbaren, zunehmend selbstbewusster klingenden und höhensicheren Don José gesungen. Szenisch ist die Figur konventionell angelegt, der übliche Schwächling. Zudem sieht der zierliche Sänger im Schmugglerkostüm aus wie ein Konfirmand auf dem Faschingsfest – hinhören liefert da mehr Erkenntnisse als hinsehen. Furcht erregend nur von Gestalt, höflich und nett aber in der musikalischen Gestaltung ist Gavin Taylor als Escamillo, wohl doch eher Bankkaufmann als Stierkämpfer. Der Griff zu Carmens Brust bleibt im Rahmen des in dieser Männergesellschaft leider Üblichen. Ein durchweg überzeugendes Rollenportrait dagegen liefert Magdalena Bränland als Micaela: Eine selbstsichere, attraktive und keineswegs naive junge Frau, die noch zudem prima singen kann. ![]()
Zwar sind die Damen des Chores folkloristisch gewandet, aber ansonsten kann Werner Hahn, anders als sein im Düsseldorfer Fundus wühlender Kollege, den Verlockungen eines bunten Ausstattungsspektakels widerstehen. Das Einheitsbühnenbild (Jürgen Aue) sieht zwar aus wie eine postmoderne Luxusvilla im Rohbau, erweist sich aber als recht variabel und wohltuend abstrahierend, indem es auf überflüssiges spanisches Kolorit verzichtet und das Augenmerk auf das Wesentliche, nämlich die zeitlos handelnden Personen lenkt. Der Blick des Regisseurs auf Soldaten und Schmuggler ist nicht frei von Spott. Spannungsreiche und konventionelle Arrangements von Chor und Statisterie halten sich in etwa die Waage, und gesungen wird ordentlich, auch vom Kinderchor des Theaters. Sehr angenehm überrascht das Orchester mit kultiviertem und nuanciertem Spiel und weichem, dem (allem spanischen Ambiente zum Trotz) französischen Charme der Partitur sehr schön entsprechendem Klang. Dirigent Anthony Hermus vermeidet jeden lärmenden Effekt und hebt, dem todessüchtigen Charakter der Carmen entsprechend, die lyrischen Elemente hervor, kann aber auch in den scherzhaften Passagen zulegen (das aber immer sehr transparent). Anders als die (vergeblich) nach den Sternen greifende Düsseldorfer Produktion ist diese Carmen in ihrem kammerspielartigen Duktus auf das intimere Hagener Theater und das heimische Publikum zugeschnitten – und die Mittel, die dem Theater zur Verfügung stehen, sind gut eingesetzt. Die schlanke, ästhetisch vielleicht mitunter allzu gefällige Konzeption trifft den Grundton der Oper recht gut. Nach Düsseldorf reisen brauchen die Hagener jedenfalls nicht.
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Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Ausstattung
Choreinstudierung
Einstudierung des Kinderchores
Dramaturgie
Solisten* Besetzung der PremiereCarmen Marylin Bennett
Der Tod
Don José
Escamillo
Micaela
Frasquita
Mercédès
Moralès
Zuniga
Remendado
Dancairo
Lillas Pastia
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- Fine -