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Musikfestspiele
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Programmbuch 2005 Göttinger Händel Festspiele
10. - 21. Mai 2005

"The King shall rejoice" -
Händel und das Welfenhaus Hannover

85 Jahre Internationale Händel-Festspiele in Göttingen

Von Gerhard Menzel

Das Programm des diesjährigen – nicht explizit gefeierten - Jubiläumsjahrs stand unter dem Motto The King shall rejoice – Händel und das Welfenhaus Hannover. Fast 50 Veranstaltungen in Göttingen und in den benachbarten Stätten Hardegsen, Duderstadt und Hann. Münden (hinzu kam auch erstmals ein Open Air Musikschulkonzert beim Grafen Isang am Seeburger See) bedeuteten wieder einmal die „größten“ Festspiele in der Geschichte der Internationalen Händel-Festspiele in Göttingen. Vergleicht man dieses Angebot und die dabei erreichte Qualität der Veranstaltungen z.B. mit den benachbarten Händel-Festspielen in Halle (und deren finanzieller Ausstattung), kann der in Göttingen geleisteten (organisatorischen) Arbeit nur größte Hochachtung gezollt werden.

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Wie immer konzentrierte sich das größte Interesse auf die aktuelle Opernproduktion (Atalanta), die dieses Jahr wieder im Deutschen Theater stattfand. Dieses ist gerade für „historisch“ ausgerichtete Inszenierungen – trotz einzelner, immer wieder vorgebrachter Einwände einiger Unzufriedener – immer noch die adäquateste Aufführungsstätte für Händel-Opern, die eine der drei deutschen Händel-Festspielstädte zu bieten hat.

  • Atalanta im Deutschen Theater (Rezension)
  • Atalanta-Rezension
    Atalanta  
    Susanne Rydén (Meleagro) und  
    Dominique Labelle (Atalanta)  
    Foto von Dorothea Heise  

    Neben Atalanta, Händels „Hochzeitsgeschenk“ für seine „Lieblingsschülerin“ Prinzessin Anna, standen dieses Jahr auch in den Konzerten vor allem solche Werke im Vordergrund, die Händel für das englische Königshaus aus der Dynastie Hannover geschrieben hat (z.B. die Coronation Anthems, Te Deum-Kompositionen und das Funeral Anthem). Außerdem war der Winchester Cathedral Choir wieder zu Gast, der gleich in zwei Konzerten seinen guten Ruf erneut unter Beweis stellte.

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    Festkonzert  
    "The King shall rejoice"
     
    mit dem Winchester Cathedral Choir und  
    dem Philharmonia Baroque Orchestra,  
    dazwischen Nicholas McGegan,  
    Andrew Lumsden sowie die Solisten  
    Kai Wessel (Altus),  
    Thomas Cooley (Tenor) und  
    Andrew Foster-Williams (Bass)  
    Foto: Gerhard Menzel  


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    Im Festkonzert mit dem Festival-Motto "The King shall rejoice" kamen ausschließlich Kompositionen Händels für King George II zur Aufführung. Für dieses Konzert, das in Göttingen und in Hannover-Herrenhausen gegeben wurde, hatte Prinz Ernst August von Hannover die Schirmherrschaft übernommen und demonstrierte dadurch das Interesse und die enge Beziehung zwischen dem Königshaus Hannover und Händel.

    Auf dem Programm standen die Coronation Anthems "Zadok, the Priest" (HWV 258) und "The King shall rejoice" (HWV 260), die Motette "Look down harmonious saint" (HWV 124), sowie das Dettinger Te Deum (HWV 283) und das Dettinger Anthem (HWV 265). Die relativ wenigen solistischen Passagen wurden gesungen von Kai Wessel (Altus), Thomas Cooley (Tenor) und Andrew Foster-Williams (Bass), der trotz eines Beinbruchs (mit Krücken) und Grippe eine überzeugende Leistung bot. Den Besuchern der letztjährigen Opernproduktion (Rinaldo) dürfte sein phänomenaler Argante ja noch in bester Erinnerung sein.

    Der wesentlichste Part in diesem Festkonzert, das unter der Leitung von Nicholas McGegan zu den ganz besonderen Ereignissen dieser Festspiele gehörte, fiel allerdings – neben dem Philharmonia Baroque Orchestra, das sich wieder als zuverlässiger Begleiter präsentierte – dem Winchester Cathedral Choir zu. Sein charakteristischer Chorklang hob sie aus allen anderen bei diesem Festival zu hörenden Chören deutlich heraus. Eine wirkliche Bereicherung !

    Eine eindrucksvolle Visitenkarte in puncto a capella Gesang gab der Winchester Cathedral Choir unter der Leitung von Andrew Lumsden im Chorkonzert in der St. Jacobi-Kirche ab. Er präsentierte geistliche Musik von Thomas Tallis, William Byrd und Henry Purcell, vor allem aber die ursprünglich aus dem lateinischen Antiphon entstandene englische Motetten-Sonderform des Anthems.

    Thomas Tallis und der 40 Jahre jüngere William Byrd (die seit 1573 gemeinsam das Organistenamt an der Chapel Royal versahen) veröffentlichten zusammen die Sammlung „Cantiones sacrae" zu Ehren der Königin Elisabeth. Da diese sich gerade im 17. Regierungsjahr befand, trug jeder der beiden – wohl auch aus Dank für das von der Königin gewährte Alleinrecht zum Notendruck und -verkauf – 17 lateinische Motetten zu dieser Sammlung bei. Im Gegensatz zu den Kompositionen von Tallis, sind Byrds Werke stilistisch moderner und warten mit größeren rhythmischen Freiheiten und stärker herausgearbeiteten Kontrasten auf. Neben den - nur von den Männerstimmen vorgetragenen - „Lamentationes of Jeremiah" (Teil 1) von Thomas Tallis, blieb vor allem Henry Purcells Verse Anthem „My beloved spake" nachhaltig in Erinnerung. Es ist eines der ersten Anthems mit instrumentaler Einleitung und Zwischenspielen. Die Besetzung wechselt abschnitts- oder versweise, und es sind solistische Teile eingefügt (vier Solo- und vier Chorstimmen), wodurch es den kontinentalen Kantatenkompositionen ähnelt. Die Instrumentalpassagen wurden auf zwei Orgeln von Andrew Lumsden und Sarah Baldock begleitet, die auch die Zwischenspiele zwischen den einzelnen Komponistenblöcken an der großen Ott-Orgel der St. Jacobi-Kirche intonierte. Ihr Spiel war jederzeit klar strukturiert, durchsichtig und präzise, was man John Butt, der am selben Ort ein Orgelkonzert mit Werken von Purcell, Händel, Stanley, Boyce, Wesley und J.S. Bach gab, nun wirklich nicht bescheinigen konnte.

    Auch im Galakonzert in der Stadthalle machte John Butt mit seinem Orgelspiel (Händels Orgelkonzert op. 4 Nr. 1) einen eher fahrigen Einruck. Überhaupt stand das diesjährige Galakonzert unter keinem guten Stern, denn die eigentliche Attraktion der Festspiele, der Auftritt von Emma Kirkby, fiel aus gesundheitlichen Gründen kurzfristig aus.
    Daher musste über Nacht ein – die rein instrumentalen Werke ausgenommen – völlig neues Programm aus dem Hut gezaubert werden. So hatten sich die Solisten der Oper Atalanta - Dominique Labelle (Sopran), Susanne Ryden (Sopran), Emma Curtis (Alt), Michael Slattery (Tenor), William Berger (Bass) und Philip Cutlip (Bass) - bereit erklärt, den Abend mit vokalen Highlights aus Oratorien (Il Trionfo del Tempo e della Verità, Semele, Israel in Egypt, L'Allegro, il Penseroso ed il Moderato) und Opern (Rodelinda, Montezuma) zu garnieren. Glücklicherweise hatte sich Susanne Rydén bereit erklärt, zumindest eine der drei als moderne Welturaufführung angekündigten Arien aus Vivaldis Oper Montezuma (RV 723) zur Aufführung zu bringen. Dank ihrer hervorragenden Auffassungsgabe und ihrer stupenden Technik meisterte sie die virtuosen Koloraturen der Arie „D'ira e furor amato" mit Glanz und Bravour. Mit der Suite aus Les Paladins von Jean-Philippe Rameau und Händels Suite I in F-Dur aus der Water Music (HWV 348) verliehen Nicholas McGegan und das Philharmonia Baroque Orchestra dem Konzert – das viele ob des Ausfalls von Emma Kirkby enttäuschte - einen einigermaßen versöhnlichen Rahmen.

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    Galakonzert  
    Michael Slattery (Tenor) und  
    Dominique Labelle (Sopran)  
    Foto: Gerhard Menzel  

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    Festkonzert  
    Kompositionen für Queen Caroline
     
    Frieder Bernius, der Kammerchor Stuttgart  
    und das Barockorchester Stuttgart  
    Foto: Gerhard Menzel  

    Unter dem Motto "My heart is inditing" erklangen im Festkonzert mit Kompositionen für Queen Caroline (Stadthalle) Werke, die Händel für seine langjährige, treue Freundin und Gönnerin geschrieben hatte. Für den Musikunterricht, den er ihren Töchtern Amelia, Caroline Elisabeth, Louisa und Anna (der talentiertesten und begabtesten von ihnen) erteilte, wurde er zum Beispiel bis an sein Lebensende von ihr bezahlt. Außerdem gingen sie auch regelmäßig in die Oper und bezogen öffentlich Stellung für Händel.

    Nach dem eröffnenden, mit viel Drive, aber auch anmutiger Grazie vorgetragenen Concerto grosso op. 6 Nr. 12 h-Moll (HWV 330) erklang das - für die Liturgie der anglikanischen Kirche typische – Coronation Anthem für Queen Caroline (HWV 261) "My heart is inditing" und das Te Deum in D-Dur (HWV 280). Nach den Hochzeitsmusiken im ersten Teil folgte im zweiten Teil die innig empfundene Trauermusik des Funeral Anthems für Queen Caroline (HWV 264).

    Unter der Leitung von Frieder Bernius musizierte das Barockorchester Stuttgart mit leichtem und schlankem Ton. Der Kammerchor Stuttgart erwies sich ebenfalls als ausgesprochen homogenes Ensemble exquisiter Stimmen, das durch den mit 3 Männer- und 2 Frauenstimmen gemischten Alt einen besonders charakteristischen Klang erhielt, in den sich Patrick van Goethems bisweilen sehr zart klingender Altus hervorragend einfügte.

    Eine besondere Rarität während der Festspiele war die Aufführung der Serenata Il Parnasso in Festa (HWV 73) in einer Rekonstruktion der Fassung der Uraufführung, wie sie in Deutschland noch nie zu hören war. Händel komponierte es anlässlich der Hochzeit seiner „Lieblingsschülerin“ Prinzessin Anna mit Prinz Wilhelm IV. von Oranien. Auch dieses Konzert musste in einer Hauptpartie neu besetzt werden. Für Diana Moore, die im letzten Jahr als Rinaldo in der Stadthalle gefeiert wurde, sang David Cordier die Partie des Apollo. Da diese Partie nun nicht zum gängigen Repertoire gehört, ist seine engagierte Interpretation besonders hervorzuheben.

    Zu dem hochkarätigen Solistenensemble gehörten ferner Lydia Teuschner (Clio/Sopran), Simone Kermes (Orfeo/Sopran), Matthias Rexroth (Calliope/Altus), Hendryk Böhm (Marte/Bass) und Marlen Herzog (Euterpe/Alt). Obwohl Hans-Christoph Rademann mit seinem Dresdener Kammerchor und Barockorchester für ein differenziertes und farbenprächtiges Klangbild sorgte, zog sich der Abend doch spürbar in die Länge. Vor allem liegt das an dem handlungslosen „Festredencharakter“ des Stückes, in dem vor allem die dynastischen Ansprüche des Konigshauses Hannover betont werden sollten.

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    Serenata II Parnasso in Festa  
    Dresdener Kammerchor  
    und Barockorchester,  
    Hans-Christoph Rademann und Solisten  
    Foto: Gerhard Menzel  

    Richtig dramatisch dagegen geht es in Händels Apollo e Dafne (HWV 122) zu.
    Unter der Leitung von Michael Schneider erwies sich La Stagione, Frankfurt, mit seinem kompakt-geschlossenen Klang wieder einmal als gut aufeinander abgestimmtes Ensemble. Nicht ganz so ideal war die Wahl mit der etwas scharf timbrierten Claron McFadden (Sopran) als Dafne und den etwas zu brav klingenden William Berger (Bass) als Apollo.

    Außer der Ballettmusik aus La lotta d'Hercole con Acheloo von Agostino Steffani stand noch Alessandro Stradellas reizvolle Serenata a 3 Qual prodigio è chìo miri, in der sich Gabriele Hierdeis (Sopran) noch zu den Solisten gesellte.

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    Apollo e Dafne  
    La Stagione, Frankfurt  
    William Berger, Gabriele Hierdeis.  
    Claron McFadden und Michael Schneider  
    Foto: Gerhard Menzel  
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    Kantatenkonzert  
    Capella St.Georgi, Musica Alta Ripa  
    und Ralf Popken  
    Foto: Gerhard Menzel  

    Ebenfalls in der Aula der Universität fand das Kantatenkonzert mit Irmela Brünger und Inga Schneider (Sopran), Beat Duddeck (Altus), Jörn Lindemann (Tenor), Detlef Kjer (Bass), der Capella St.Georgi und dem Orchester Musica Alta Ripa statt.
    Unter der erfahrenen Leitung von Ralf Popken standen Händels „Laudate Pueri Dominum“ (HWV 237) und „Nisi Dominus“ (HWV 238), die dem hochbarocken, konzertanten Stil verpflichtet sind, die Erstaufführungen von geistlichen Kantaten Georg Böhms gegenüber. Sowohl "Das Himmelreich ist gleich einem Könige", als auch "Mein Freund ist mein" und "Wie lieblich sind deine Wohnungen" stehen eher in der Tradition der geistlichen Konzerte, die man von Heinrich Schütz kennt. Insgesamt war es ein gelungenes Konzert, mit dem schönen Kontrast verschiedener Stile und von Bekanntem und Unbekanntem.

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    Interessant ging es auch im Kammerkonzert 2 in der Aula der Universität zu. Die Hamburger Ratsmusik in der Besetzung Simone Eckert (Viola da gamba), Ulrich Wedemeier (Theorbe), Michael Fuerst (Cembalo), sowie Annegret Siedel und Monika Bruggaier (Barockvioline), Gerhart Darmstadt (Barockcello) und Barbara Hofmann (Violone) spielten neben Händels Sonate in g-Moll (HWV 364b) für Viola da gamba und Basso continuo auch Instrumentalkompositionen von Jean-Baptiste Farinel.

    Die Hamburger Ratsmusik gefiel vor allem durch die präsenten und harmonisch abgestimmten Violinen und den vollen und farbenreichen Klang der Basso continuo Gruppe. Händels Sonate in g-Moll für Viola da gamba gestaltete Simone Eckert sehr einfühlsam mit leichtem und eleganten Ton.

    Die andere Attraktion war der in Liedform gepackte Erdkundeunterricht aus Telemanns „Singende Geographie" (Hildesheim 1708). Die heute sehr amüsant und unterhaltsam wirkenden Texte stammen von Johann Christoph Losius, einem einfallsreichen und sehr kreativen Schuldirektor, der die musikalischen Fähigkeiten seines Schülers Telemann öfter zu gemeinsamen Schulaufführungen einsetzte.

    Gotthold Schwarz gestaltete die lehrreichen Worte mit seinem geschmeidigen, ausdrucksvollen und eleganten Bass mit sichtlichem Vergnügen.
    Mit ebensoviel Engagement nahm sich Gotthold Schwarz der Kantaten von Agostino Steffani („Lagrime dolorosa") und Georg Friedrich Händel an. Die beiden Kantaten „Spande ancor a mio dispetto" ) HWV 165) und "Cuopre tal volta il cielo" (HWV 98) sind übrigens die einzigen Kantaten Händels mit zwei begleitenden Violinen. Hierbei erwies sich das homogene und fein abgestimmte Musizieren der Hamburger Ratsmusik wieder als ausgesprochener Glücksfall.

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    Kammerkonzert 2  
    Die Hamburger Ratsmusik  
    und Gotthold Schwarz  
    Foto: Gerhard Menzel  

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    Cembalo-Recital  
    Trevor Pinnock  
    Foto: Gerhard Menzel  
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    King George II
    Portrait in der Aula der Universität
    Foto: Gerhard Menzel

    Glücklich waren auch alle, die - nach über zwanzig Jahren - endlich Trevor Pinnock wieder einmal live in Göttingen erleben konnten. Für sein Cembalo-Recital in der Aula der Universität hatte Trevor Pinnock neben Händels Suite Nr. 2 Chaconne mit 21 Variationen G-Dur (HWV 435), der Suite Nr. 5 E-Dur (HWV 430) und Johann Sebastian Bachs Partita Nr. 5 G-Dur auch einige Werke des 20. und 21. Jahrhunderts ausgewählt, die zum Teil Techniken der „barocken“ Musik benutzen, um sie in neuem Kontext in eigenständige, sehr interessante Kompositionen zu integrieren. Alle diese Werke hatten – zumindest vom Titel her – mit dem Thema Wasser zu tun. Sowohl “Rain Dreaming” (1988) von Toru Takemitsu, als auch die beiden Stücke “Ebb” (2000) und “Surge“ (2003) von John Webb erwiesen sich dabei als interessante und reizvolle Kompositionen, die zur Erweiterung des Repertoires für das Cembalo sehr geeignet sind.

    Schon seit längerer Zeit sind die Nachtkonzerte der Göttinger Händel-Festspiele kein Geheimtip mehr. Abgesehen von den intimeren Räumen in den kleineren Kirchen St. Albani und St. Marien – die übrigens früher schon einmal durch ausgiebiges Kerzenlicht noch mehr Atmosphäre aufwiesen – gibt es dort immer wieder ganz herausragende Konzerte bekannter und noch nicht bekannter Solisten und Ensembles.

    Eines dieser eindrucksvollen Nachtkonzerte war das des Ensemble Cordarte in der St. Albani-Kirche (Nachtkonzert 3). Daniel Deuter und Margret Baumgartl (Violinen), Heike Johanna Lindner (Viola da Gamba und Barockvioloncello), Andreas Arend (Theorbe) und Markus Märkl (Cembalo) präsentierten ein perfekt aufeinander abgestimmtes und musikalisch inspiriertes Ensemblespiel. Dadurch wurden die Triosonate op. 1 Nr. 6 von Giovanni Maria Bononcini, die Triosonate Nr. 4 von Agostino Steffani und Händels Triosonate Nr. 4, G-Dur (HWV 399) zu kammermusikalischen Kleinodien. Händels Triosonate ist übrigens eine Zusammenstellung aus Sätzen der Serenata Il Parnasso in Festa (HWV 73), die ja auch in der Stadthalle zur Aufführung kam. Ob gewollt oder Zufall, das ist gelungene Programmgestaltung.

    Im Zentrum des Programms standen allerdings zwei frühe geistliche Werke Händels, das „Laudate Pueri Dominum“ (HWV 236) und das während der Händel-Festspiele 2001 in Göttingen zur modernen Erstaufführung gebrachte "Gloria" (HWV deest). Für beide Kompositionen charakteristisch ist die Besetzung mit Solosopran, zwei Violinen und Basso continuo. Die Vokalpartie ist äußerst anspruchsvoll und gespickt mit technischen Schwierigkeiten, die für Monika Mauch allerdings keine Probleme bedeuteten. Mit ihrem flexiblen, geläufigen und farbenreichen Sopran meisterte sie mühelos alle Klippen und ließ damit - im Einklang mit dem Ensemble Cordarte – dieses Konzert zu einem ganz besonderen Erlebnis werden.

    Eine herbe Enttäuschung dagegen war das Nachtkonzert 2 in der St. Marienkirche mit Monique Zanetti (Sopran), Pascal Bertin (Altus) und dem Ensemble Fons Musicae unter der Leitung des Lautenisten Yasunori Imamura. Die virtuosen Duette und Sonaten am Hof von Hannover von Agostimo Steffani und Händel wirkten uninspiriert und leblos, wie vom Blatt gespielt, ohne Herz und Seele. Zudem war die Dominanz der 1. zur 2. Violine viel zu groß. Nur eine Sonate für Violoncello, gespielt von Emilia Gliozzi (Violoncello) und Patrick Ayrton (Cembalo), hätte das Niveau des Konzertes heben können, aber die hatte das – eigentlich interessante – Programm nicht zu bieten.

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    Nachtkonzert 3  
    Ensemble Cordarte  
    Foto: Gerhard Menzel  

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    Nachtkonzert 1  
    alla polacca - Preisträger der  
    "Gothaer Reihe Historische Musik 2004/2005"  
    Foto: Gerhard Menzel  

    alla polacca
    gründete sich aus einer Initiative dreier Absolventen verschiedener Musikhochschulen. Während ihres Kammermusikstudiums an der Hochschule für Musik Köln bildeten sie ihre Fähigkeiten der stilistischen Ausführung der Musik weiter aus.

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    Zur Stammbesetzung gehören Iwona Lesniowska (Sopran), Paulina Kilarska (Cembalo) und Stanislaw Gojny (Theorbe, Erzlaute und Barockgitarre), die schon früher jahrelange Erfahrungen auf dem Gebiet der Interpretation Alter Musik auf mehreren Meisterkursen im In- und Ausland gesammelt haben, und die sich in der Zusammenarbeit mit vielen führenden, auf historische Aufführungspraxis spezialisierte Formationen bewährt haben. Die Gruppe präzisierte ihre Fähigkeiten unter Leitung bekannter Künstler wie Konrad Junghänel, Barbara Schlick, Kai Wessel, Ketil Haugsand und Gerald Hambitzer.

    Klangbeispiel Klangbeispiel:
    Claudio Monteverdi: "Quel sguardo sdegnosetto"
    (MP3-Datei)


    alla polacca konzentriert sich hauptsächlich auf die Aufführung vokal-instrumentaler Kammerwerke mit besonderer Berücksichtigung der italienischen, polnischen und französischen Musik des 17. und 18. Jahrhunderts. In Abhängigkeit des Repertoires unterliegt die Besetzung der Gruppe einer Erweiterung um mehrere Stimmen sowie Instrumente.
    alla polacca trat auf verschiedensten Konzerten und Festivals auf wie z.B. Klang im Kloster (Frankfurt am Main) oder Musik und Architektur (Torun, Polen) und konnte sich jedesmal großer Aufmerksamkeit und hohem Interesse des Publikums sicher sein.

    Surftip:

    Die erfreulichste Überraschung der Festspiele aber bot das Nachtkonzert 1 in der St. Albani-Kirche mit den Preisträgern der "Gothaer Reihe Historische Musik 2004/2005". Das Ensemble alla pollacca rechtfertigte diese Auszeichnung mit diesem Festspielkonzert sehr nachdrücklich. Es überzeugte sowohl in technischer, wie in interpretatorischer Hinsicht, wobei die Singstimmen zusammen mit den Instrumenten ein Höchstmaß an harmonischer Einheit erreichten.

    Für dieses Programm, auf dem neben Instrumentalwerken von Charles Babell (Suite für Cembalo in c-moll Nr. 8) und Georg Philipp Telemann (Sonate e-moll für Cello und b.c.) vor allem Duette und Arien standen, hatte das Ensemble alla polacca seine Stammbesetzung, Iwona Lesniowska (Sopran), Paulina Kilarska (Cembalo) und Stanislaw Gojny (Theorbe, Erzlaute und Barockgitarre), um den Altus Franz Vitzthum und Leonardt Bartussek (Barock-Violoncello) erweitert. Es ist wirklich erstaunlich, was dieses junge Ensemble schon an Homogenität und musikalischer Inspiration zu bieten hat.

    Iwona Lesniowska ist eine außerordentlich begnadete Sopranistin, die nicht nur eine phantastische, helle, klare und reine Stimme hat, sondern auch eine stupende Technik mit blitzsauberen Koloraturen und zudem noch ein immens großes Ausdruckspotential besitzt. Hinzu kommt auch die intensive Sprachgestaltung und ein ungeheures Reservoire an Emotionen, von fröhlich und heiter bis zum dramatischen Ausbruch in Leid, Schmerz und Wut. Alle diese Tugenden stellte sie sowohl in Rezitativ und Arie „Se s'idolatra un volto“ aus der Oper Giulio Cesare in Egitto von Antonio Sartorio, als auch in Händels bekannter und äußerst anspruchsvoller Kantate „Lucrezia - O numi eterni“ (HWV 145) unter Beweis, ohne je den Eindruck von stimmlichen Grenzüberschreitungen zu hinterlassen.

    In dem Altus Franz Vitzthum hatte sie einen kongenialen Partner zur Seite. Seine ebenfalls klare und ausgeglichene Stimme und die jederzeit gewährleistete Textverständlichkeit ließen beide Stimmen gut harmonieren und bisweilen Verschmelzen; eine ideale Kombination!

    Neben den zwei mit Laute begleiteten Liedern aus der Sammlung „Leucoleons Galamelite“ von Nicolaus Adam Strungk („Er scheuet sich nicht das Kammermägdgen Myrtalen zu lieben“ und „Er widerräth der Rhodinis das Kloster-Leben“) wurden so die Duette von Agostino Steffani („Vuol il Ciel ch'io legato“ und „O care catene ch'il piede stringente“) und Händels „Tanti strali al sen mi scocchi“ (HWV 197) zu wahren Ohrenfreuden, die den Zuhörer unmittelbar erreichten, fesselten und bewegten. Es bleibt zu hoffen, dass dieses außerordentliche Ensemble mit großer Ausstrahlung und musikalischem Charakter seinen Weg finden und noch viele Menschen begeistern wird.

    Mit „Macht Händel uns zu Europäern? Die europäische Gegenwart und das kulturelle Gedächtnis Europas" hatte Prof. Dr. Hans Joachim Meyer seinen wissenschaftlichen Festvortrag in der Aula der Universität betitelt. In seinen sachlich fundierten, aber durchaus unterhaltsamen Ausführungen mit mehr oder weniger rhetorischen Fragen kam er zu zahlreichen bedenkenswerten Aussagen und Schlußfolgerungen.

    Ebenfalls sehr interessant war der Vortrag „Deutsche Wurzeln der britischen Krone“ von Rolf Seelmann-Eggebert. Der ausgewiesene Experte und aufmerksame Beobachter, der seit Jahrzehnten in den adeligen und königlichen Kreisen verkehrt, ist ein intimer Kenner der Familien und der jeweiligen Verwandtschaftsverhältnisse. Er skizzierte die zahlreichen familiären Verbindungen der englischen Königsfamilie, die bis heute nach Deutschland bestehen und auch weiterhin gepflegt werden.

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    Neues von der Göttinger Händel-Gesellschaft


    Rinaldo Rinaldo
    Gesamtaufnahme (3 CDs)

    Für die Mitglieder der Göttinger Händel-Gesellschaft sind auch die neuen CDs mit den Mitschnitten des vergangenen Jahres herausgekommen. Neben dem Rinaldo, den alle Mitglieder bei der Geschäftsstelle erwerben können, erhalten alle Förderer, die mehr als 250,- € spenden, einen Mitschnitt des Galakonzertes mit Andreas Scholl und dem Concerto Köln unter der Leitung von Nicholas McGegan. Es ist bereits die fünfte CD diser streng limitierten Festspiel-Edition.

    Festspiel-Edition Galakonzert 2004
    mit Andreas Scholl und dem Concerto Köln


    Mitschnitte von den Göttinger Händel-Festspielen
    (nur für Mitglieder der Göttinger Händel-Gesellschaft)

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    Vortrag  
    Rolf Seelmann-Eggebert  
    Foto: Gerhard Menzel  
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    Diavortrag  
    "Historische Schauspielkunst  
    und barockes Musiktheater"  
    von Carsten Niemann in der Paulinerkirche.  
    Foto: Gerhard Menzel  


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    Mainzer Psalter  
    Foto: Gerhard Menzel  

    Den guten Verbindungen ist es wohl auch zu danken, dass zu den Festspielen eine ganz besonders wertvolle Leihgabe Ihrer Königlichen Majestät Elizabeth II. zu bewundern war. Das Prunkstück der Ausstellung „Eine Welt allein ist nicht genug“: Großbritannien, Hannover und Göttingen 1714-1837 in der Paulinerkirche war eine ausgesprochene Kostbarkeit der Buchdruckerkunst: der Mainzer Psalter, eines der schönsten Bücher aller Zeiten. Das 1457 in Farbe gedruckte Werk wurde im Winter 1781/82 von der Göttinger Bibliothek erworben und bereits zwanzig Jahre später an König Georg III. übergegeben, der ein ausgewiesener Sammler bibliophiler Raritäten war. Heute befindet sich der Mainzer Psalter in der Sammlung der Königin Elizabeth II. in der Royal Library in Windsor Castle.

    Mehr als 300 Exponate aus den Beständen namhafter auswärtiger Kultur- und Wissenschaftsinstitutionen und aus den reichen Sammlungen der Georg-August-Universität sowie der Niedersächsischen Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen zeigten die intensiven und vielfältigen Beziehungen zwischen Großbritannien und Göttingen in der Zeit der hannoversch-englischen Personalunion. Immerhin waren die Kurfürsten von Hannover mehr als 120 Jahre (bis 1837) zugleich die Könige von Großbritannien und Irland. Einer der Hannoveraner auf dem britischen Thron, Georg II., gründete sogar 1734 die Göttinger Universität, die nach ihm Georgia Augusta benannt wurde.
    Diese Präsentation vereinte erstmalig einzigartige Schätze, die sich einst im Besitz der Göttinger Bibliothek befanden und die nun für einige Wochen wieder in der Leinestadt zu sehen waren.

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    FAZIT

    Einige krankheitsbedingte Umbesetzungen prominenter Sänger trübten zwar etwas den ganz großen Glanz der diesjährigen Händel-Festspiele in Göttingen, aber dafür gab es außer vielen interessanten Veranstaltungen und einigen "Erstaufführungen" auch erfreuliche Neuentdeckungen, allen voran den Tenor Michael Slattery und Iwona Lesniowska mit dem Ensemble alla pollacca.



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