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Julius Caesar

Barockoper in drei Akten
Libretto von Nicola Francesco Haym
Musik von Georg Friedrich Händel

Aufführungsdauer: ca. 1h 55' (keine Pause)

in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Premiere als Konzertinstallation in den Werkstätten der Wuppertaler Bühnen am 3. Oktober 2021
(rezensierte Aufführung: 08.10.2021)


Wuppertaler Bühnen
(Homepage)
Was von Händel übrigblieb


Von Thomas Molke / Fotos: © Bettina Stöß

Die Oper Wuppertal hat es im Moment wirklich sehr hart getroffen. Nachdem in der letzten Spielzeit nahezu das komplette Programm dem Corona-Lockdown zum Opfer gefallen ist, hat die im Juli über die Ufer getretene Wupper so große Schäden am Opernhaus verursacht, dass ein Spielbetrieb dort derzeit nicht möglich ist. Wann die Spielstätte wieder nutzbar sein wird und in welchem Umfang, steht noch in den Sternen. Opernintendant Berthold Schneider hat allerdings seinen Traum von der Realisierung des Tannhäuser in dieser Spielzeit noch nicht aufgegeben. Für jetzt mussten erst einmal neue Spielstätten gesucht werden, was Schneider, der ja bereits in seiner Zeit als Künstlerischer Leiter der "staatsbankberlin", einem interdisziplinären Aufführungsort am Berliner Gendarmenmarkt, großen Ideenreichtum bewiesen hat, auch gelungen ist. So hat man die Eröffnungspremiere, Händels Giulio Cesare in Egitto in den Malersaal der Werkstätten der Wuppertaler Bühnen verlegt. Da das Regiekonzept von Immo Karaman und Fabian Posca dort allerdings nicht realisierbar gewesen wäre, hat man sich entschieden die Produktion als "Konzertinstallation" unter dem Titel Julius Caesar zu spielen. Von Händels im Original gut dreieinhalb Stunden dauernder Oper bleibt dabei bei einer Kürzung auf knapp zwei Stunden leider nicht allzu viel übrig.

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Giulio Cesare (Yosemeh Adjei, rechts oben mit Curio (Yisae Choi)) verkündet Cornelia (Joslyn Rechter) und ihrem Sohn Sesto (Iris Marie Sojer), mit seinem Gegner Pompeo Frieden schließen zu wollen.

Als problematischer erweisen sich allerdings die Eingriffe in die Handlung und die Struktur der Geschichte. Erzählt wird in Händels Oper eigentlich die berühmte Liebesgeschichte zwischen Gaius Julius Caesar (Giulio Cesare) und der ägyptischen Königin Kleopatra (Cleopatra) am Ende des römischen Bürgerkriegs. Cesare hat seinen Gegner Pompeo besiegt und ist diesem nach Ägypten gefolgt, wo Pompeo mit seiner Gattin Cornelia und dem gemeinsamen Sohn Sesto Zuflucht gesucht hat. Tolomeo, der dort mit seiner Schwester Cleopatra um die Königskrone streitet, sucht in Cesare einen Verbündeten, indem er ihm das abgeschlagene Haupt Pompeos als Geschenk überreicht. Doch diese Sympathiebekundung zeigt nicht die erhoffte Wirkung, da Cesare sich eigentlich in Ägypten mit seinem Widersacher versöhnen wollte. Außerdem erliegt Cesare den Reizen Cleopatras und unterstützt sie beim Streit um die Macht. Daraufhin verübt Tolomeo einen Anschlag auf den römischen Feldherrn, dem dieser mit einem Sprung ins Meer entgeht, und lässt Cleopatra einsperren. Doch Cesare entkommt den Fluten des Meeres und fügt Tolomeos Truppen eine entscheidende Niederlage zu. Tolomeo selbst wird von Pompeos Sohn Sesto aus Rache für den Vatermord getötet. Cornelia, Pompeos Witwe, und Cleopatra werden aus der Gefangenschaft befreit. Cleopatra und Cesare schwören sich ewige Liebe. Dafür darf sie als tributpflichtige Königin von Roms Gnaden den ägyptischen Thron besteigen.

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Sesto (Iris Marie Sojer) verspricht seiner Mutter Cornelia (Joslyn Rechter), den Tod seines Vaters zu rächen.

Bis zu Cesares Sprung in den Nil und Cleopatras Inhaftierung kann man dieser Handlung in der Konzertinstallation auch noch folgen. Im Anschluss daran entscheidet man sich in Wuppertal allerdings  andere Wege zu gehen. Man hatte ja eigentlich geglaubt, dass Peter Konwitschny mit seiner Umdeutung bei den Händel-Festspielen in Halle den Gipfel der Werk-Untreue bestiegen habe, indem er die Arien des Sesto, dem abgeschlagenen Haupt des Pompeo in die Kehle legte und das berühmte Duett Cornelia-Sesto am Ende des ersten Aktes, "Son nata a lagrimar", in dem Sesto vor den Augen der Mutter in den Kerker zur Hinrichtung geführt und Cornelia in Tolomeos Harem gebracht wird, von Cornelia und Cleopatra zum Ende der Oper singen lässt, wenn Cesare erneut in den Kampf zieht und die beiden Frauen in Ägypten zurücklässt (siehe auch unsere Rezension). Doch die szenische Einrichtung von Karin Kotzbauer-Bode geht noch einen Schritt weiter. Cesare taucht nach seinem Sprung ins Meer gar nicht mehr auf, und man kann davon ausgehen, dass er in den Fluten wirklich ums Leben gekommen ist. Sesto wird bei seinem Anschlag auf Tolomeo von diesem getötet, und die Oper endet mit Cleopatras berühmter Arie "Piangerò la sorte mia", in der sie auf ihre Hinrichtung wartet. Weinen möchte man da als Zuschauer eigentlich auch, dass Händels Werk auch strukturell so entstellt werden kann.

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Cleopatra (Ralitsa Ralinova) und Tolomeo (Etienne Walch) kämpfen um die Macht in Ägypten.

Dabei wären die Voraussetzungen in der Ersatzspielstätte eigentlich optimal gewesen, dem Publikum barocken Genuss und Werktreue zu bieten. Das Publikum sitzt in vier Blöcken auf drehbaren Plastikstühlen um das Orchester, das in der Mitte des Raums platziert ist, herum und ist ganz nah am Geschehen. Der Malersaal passt mit den antik anmutenden Büsten im Regal auf der linken Seite und den großartigen Bildern an den Rückwänden eigentlich perfekt zum Ambiente der Oper. Julica Schwenkhagen hat als Raum mehrere Podeste für die Solistinnen und Solisten gestaltet. Des Weiteren führen zwei Treppen zu weiteren Bühnenelementen empor, um anzudeuten, wer jeweils das Sagen hat. Tolomeo beobachtet argwöhnisch während des ersten Aktes in dem Gerüst unter der einen Treppe, wie Cesare sich als Sieger im Bürgerkrieg auf der anderen Treppe feiern lässt. Die Kostüme von Sarah Prinz sind modern gehalten, spiegeln dabei aber die Charaktere deutlich wider. Tolomeo wirkt mit seinen zahlreichen Goldketten und der glitzernden Kleidung recht feminin, während Cleopatra auf sehr viel Sex-Appeal setzt. Cornelia tritt als Politikerwitwe in dunklem, dezenten Abendkleid auf, während Cesare in seinem weißen Anzugs-Jackett mit dem schwarzen Kragen ein strahlender Held ist. Damit wäre alles vorhanden gewesen, um Händels Oper szenisch überzeugend umzusetzen.

Stattdessen entscheidet man sich, die drei Akte durch Lesungen aus Elias Canettis Masse und Macht und Niccolò Machiavellis Der Fürst zu unterbrechen. Die Texte hätten zwar sicherlich gut in ein Programmheft zur Oper gepasst und mögen sich auch inhaltlich auf das Geschehen in der Oper in irgendeiner Form beziehen. Während der Aufführung stören sie allerdings den musikalischen Ablauf und reißen das Publikum immer wieder aus der Geschichte heraus. Da nützt es auch nichts, dass man für diese Texte namhafte Künstler*innen wie Harald Krassnitzer, Gudrun Landgrebe, Philippine Pachl, Jürgen Tonkel oder Sascha von Zambelly engagiert hat, deren Diktion man sicherlich gerne zuhören mag, am richtigen Ort und zur richtigen Zeit, aber nicht in einer Händel-Oper, wenn dadurch die eh schon gekürzte Musik noch weiter beschnitten wird.

Vom Ensemble und dem Sinfonieorchester Wuppertal unter der Leitung von Clemens Flick hätte man nämlich gerne mehr gehört. Ralitsa Ralinova füllt mit strahlendem Sopran und funkelnden Höhen als Cleopatra den Raum. Auch optisch ist sie eine Idealbesetzung für die verführerische ägyptische Königin. Glockenklar klingt ihre Arie "V'adoro, pupille", wenn Cleopatra ihre Reize spielen lässt, denen in Ralitsas Interpretation nicht nur Cesare erliegen dürfte. Auch sie macht ihren Herrschaftsanspruch deutlich, wenn sie die Treppe emporsteigt und auf dem erhöhten Podest majestätisch auf dem Stuhl Platz nimmt. Ein weiterer musikalischer Glanzpunkt ist ihre Interpretation der berühmten Arie "Piangerò la sorte mia", mit der in Wuppertal die Aufführung endet. Hier präsentiert Ralinova die ägyptische Königin als gebrochene Frau, die keinerlei Hoffnung mehr hat. Joslyn Rechter verleiht Pompeos Witwe Cornelia darstellerisch und stimmlich mit dunklem Mezzo viel Würde. Bewegend gelingt ihr das große Duett mit Iris Marie Sojer als Sesto, in dem Mutter und Sohn voneinander Abschied nehmen. Wenn Tolomeo sie kurz vor Ende der Aufführung in ihrem Harem degradiert, spielt sie diese Szene erschütternd glaubhaft. Sojer punktet in der Hosenrolle des Sesto mit kraftvollen Höhen und beweglichen Koloraturen. Von daher kann man es gar nicht fassen, dass er von Tolomeo niedergestreckt wird. Aufhorchen lässt Etienne Walch aus dem Opernstudio NRW als Tolomeo, der die unsympathische Figur mit beweglichem Countertenor und durchschlagenden Höhen präsentiert. Dagegen bleibt Yosemeh Adjei hingegen in der Titelpartie zumindest in den schnellen Läufen ein wenig blass. Clemens Flick leitet das Sinfonieorchester Wuppertal mit viel Körpereinsatz und entfaltet einen barocken Klang, von dem man gerne in dieser Konzertinstallation mehr gehört hätte.

FAZIT

Statt der Lesung hätte man in dieser Konzertinstallation lieber ein bisschen mehr Händel präsentiert. Vielleicht wäre man ja auch mit Kürzungen ohne Pause bis zum richtigen Schluss der Oper gekommen. Die räumlichen Voraussetzungen hätten die Möglichkeit gegeben.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Clemens Flick

Szenische Einrichtung
Karin Kotzbauer-Bode

Raum
Julica Schwenkhagen

Kostüme
Sarah Prinz

Dramaturgie
Marc von Reth

 

Sinfonieorchester Wuppertal

Statisterie der Oper Wuppertal


Besetzung

*rezensierte Aufführung

Giulio Cesare
Yosemeh Adjei

Cleopatra
Ralitsa Ralinova

Cornelia
Joslyn Rechter

Sesto
Iris Marie Sojer

Tolomeo
Etienne Walch

Achilla
Sebastian Campione

Nireno
Mark Bowman-Hester

Curio
Yisae Choi

Lesung
Harald Krassnitzer /
Gudrun Landgrebe /
Philippine Pachl /
*Jürgen Tonkel /
Sascha von Zambelly

 

 


Weitere Informationen
erhalten Sie von den
Wuppertaler Bühnen
(Homepage)



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