Zur OMM-Homepage Zur OMM-Homepage Veranstaltungen & Kritiken
Musiktheater
Zur OMM-Homepage Musiktheater-Startseite E-Mail Impressum



Fedora

Melodramma in drei Akten
Text von Arturo Colautti nach dem Drama Fédora (1882) von Victorien Sardou
Musik von Umberto Giordano

in italienischer Sprache mit deutschen und englischen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 1h 45' (keine Pause)

Übernahme einer Produktion der Königlichen Oper Stockholm

Premiere im Opernhaus Frankfurt am 3. April 2022



Oper Frankfurt
(Homepage)
Frau zwischen Extremen

Von Thomas Molke / Fotos von Barbara Aumüller

Umberto Giordano gehört neben Pietro Mascagni, Ruggero Leoncavallo und Francesco Cilea zu der Riege der Verismo-Komponisten, die heute mit noch genau einem Werk im Standardrepertoire vertreten sind. Bei Giordano ist es die 1896 uraufgeführte Oper Andrea Chenier. Aus dem zwei Jahre später komponierten Melodramma Fedora kennt man eigentlich nur noch die berühmte Tenorarie "Amor ti vieta", mit der Enrico Carusos Weltkarriere begann. Die Uraufführung am 17. November 1898 im Teatro Lirico in Mailand war dank der Besetzung mit Gemma Bellincioni in der Titelpartie und Caruso als Graf Loris Ipanow ein großer Erfolg und führte schnell zur Verbreitung der Oper, bis das Werk nach dem Zweiten Weltkrieg allmählich von den Spielplänen verschwand. Der Entstehungsprozess war sehr langwierig. Schon als Giordano 1885 eine Theateraufführung von Victorien Sardous Stück in Neapel mit Sarah Bernhardt als Fedora gesehen hatte, war er von dem Stoff so begeistert, dass er die Geschichte vertonen wollte. Doch zunächst wollte Sardou dem Vorhaben nicht zustimmen. Schließlich hatte Giordano in der Opernwelt zu diesem Zeitpunkt noch keinen Namen. Als Giordano dann 1892 mit Mala vita seine erste Oper zur Aufführung gebracht hatte, waren die Tantiemen, die Sardou forderte, immer noch so horrend, dass das Projekt noch nicht in Angriff genommen werden konnte. Erst der durchschlagende Erfolg von Andrea Chenier ließ Giordano und Sardou handelseinig werden.

Bild zum Vergrößern

Fedora (Nadja Stefanoff) als mondäne Fürstin in St. Petersburg (rechts: Kammerdiener Desiré (Peter Marsh))

Giordanos Librettist Arturo Colautti verdichtete die vier Akte von Sardous Tragödie auf drei und strich einige Personen. Die Geschichte beginnt im Winter in St. Petersburg. Die wohlhabende Fürstin Fedora Romazow ist heimlich mit Wladimiro, dem Sohn des russischen Polizeichefs, verlobt, ohne zu ahnen, dass er sie hintergeht und nur an ihrem Geld interessiert ist. Als er eines Abends tödlich verwundet nach Hause kommt, vermutet Fedora zunächst ein politisches Attentat und schwört Rache. Als Täter wird schnell Graf Loris Ipanow ausfindig gemacht, der aber nach Paris fliehen kann. Fedora begibt sich nach Paris, um dort Ipanows Vertrauen zu gewinnen. Auf einem Fest umgarnt sie ihn und entlockt ihm ein Geständnis. Der russischen Geheimpolizei gegenüber gibt sie Ipanows Bruder als Verbündeten an und verspricht, Ipanow selbst auf ein geheimes Zeichen der Polizei auszuliefern. Bei einer weiteren Aussprache mit Ipanow erkennt sie aber, dass Wladimiro sie mit Ipanows Frau Wanda betrogen hat und Ipanow Wladimiro in Notwehr getötet hat. Von ihren Gefühlen überwältigt rettet sie Ipanow vor der Polizei und begibt sich mit ihm in die Schweizer Berge. Dort führen die beiden ein paar Wochen ein sorgloses Leben, bis die Vergangenheit sie einholt. Ipanow erfährt, dass sein Bruder aufgrund der Denunziation einer Spionin in Paris verhaftet worden ist und nun in seiner Zelle, die regelmäßig von der Newa überflutet wurde, ertrunken ist. Seine Mutter ist daraufhin vor Kummer gestorben. Ipanow will nun alles daran setzen, diese Spionin zu entlarven. Fedora gesteht ihm verzweifelt, dass sie ihn verraten hat, um den Tod ihres Verlobten zu rächen, und bittet um Vergebung. Als Ipanow sie töten will, nimmt sie Gift und stirbt in seinen Armen.

Bild zum Vergrößern

Fedora (Nadja Stefanoff, links) und der Polizeikommissar Gretch (Jasper Leever, Mitte hinten) verhören den Kutscher Cirillo (Thomas Faulkner, Mitte vorne) (auf der rechten Seite: De Siriex (Nicholas Brownlee) mit dem Opernchor).

Das Regie-Team um Christof Loy interessiert sich vor allem für die Widersprüchlichkeit der Titelfigur, die sich immer zwischen Extremen bewegt. Einerseits beherrscht sie die Manipulation, wenn sie Ipanow ein Geständnis entlockt und ihn sofort verrät. Andererseits setzt sie unverzüglich alles daran, ihn zu retten, wenn sie erkennt, dass Wladimiro keineswegs der ehrenhafte Liebhaber war und Ipanow nur in Notwehr gehandelt hat. Loy nutzt hier die Möglichkeit des Films, um Fedoras Gesicht in Großaufnahme zu zeigen und somit einen Einblick in ihre Gedanken zu gewähren. Herbert Murauer hat einen hohen Einheitsraum geschaffen, in dem alle drei Akte spielen und der von einem riesigen Bilderrahmen auf der Rückwand dominiert wird. Hier sieht man im ersten  Akt in Filmeinspielungen neben Fedora auch Wladimiro, der verwundet in sein Haus gebracht wird und im Nebenzimmer der Bühne seinen Verletzungen erliegt. Nadja Stefanoff glänzt in der Titelpartie bei den Videoeinspielungen mit großartiger Mimik, die in den Schwarz-Weiß-Bildern nahezu Stummfilmcharakter hat. Im zweiten Akt befindet sich hinter dem Bilderrahmen der Salon, in dem der Pianist Boleslao Lazinski die Pariser Gesellschaft unterhält. Im dritten Akt sieht man in diesem Rahmen ein surreales Idyll für die Schweizer Berge, in die sich Fedora mit Ipanow und ihrer Freundin Olga zurückgezogen hat. Wenn die Idylle zu bröckeln beginnt, wird der Prospekt, der mit einer pittoresken Landschaft den Hintergrund dieses Exils markiert, emporgezogen, und grelles weißes Licht zeigt an, dass nun die Wahrheit ans Licht kommt.

Bild zum Vergrößern

Fedora (Nadja Stefanoff) entlockt Ipanow (Jonathan Tetelman) ein Geständnis (im Hintergrund: Opernchor als Pariser Gesellschaft).

Hervorzuheben ist vor allem, wie unterschiedlich Giordano musikalisch die drei Orte der Handlung zeichnet. Der erste Akt in St. Petersburg changiert zwischen schwermütigen, melancholischen Melodienbögen, die ein wenig an Tschaikowsky erinnern, und recht harten Tönen, wenn Fedora Rache für den Tod ihres Verlobten schwört und der Polizeiapparat eine gnadenlose Aufklärung des Verbrechens einfordert. Ganz anders wird dann der zweite Akt in Paris angelegt. Er mutet mit dem Klavierspiel nahezu kammermusikalisch an und versprüht mit den Walzertakten und tänzerischen Elementen französische Leichtigkeit. Ein musikalischer Höhepunkt ist, wie Fedora zum Klavierspiel Ipanow das Geständnis entlockt, und anschließend zum auftrumpfenden Orchester erneut Rachepläne schmiedet. Der dritte Akt wirkt mit den leicht hohl klingenden Hörnern und dem Gesang des Jungen über das verlorene Glück regelrecht surreal. Hier wird auch musikalisch deutlich, dass es für Fedora und Ipanow keine glückliche Zukunft geben kann und dass die Flucht in die Schweizer Berge zwecklos ist, da die beiden der Wahrheit nicht entfliehen können. Diese unterschiedlichen Klangfarben werden vom Frankfurter Opern- und Museumsorchester unter der Leitung von Lorenzo Passerini, der mit dieser Produktion sein Haus-Debüt in Frankfurt gibt, großartig herausgearbeitet.

Bild zum Vergrößern

Vergeblicher Traum vom Glück in den Schweizer Bergen: Fedora (Nadja Stefanoff) und Ipanow (Jonathan Tetelman) (im Hintergrund: Dimitri (Bianca Andrew), vorne links: Basilio (Dominik Betz)).

Die Hauptpartien sind hochkarätig besetzt und lassen keine Wünsche offen. Da ist zunächst Nadja Stefanoff in der Titelpartie zu nennen. Mit blonder Perücke wirkt sie in ihrer kostbaren Garderobe zunächst ein wenig wie die junge Greta Garbo und ist ganz Diva, bis sie Ipanow das Geständnis entlockt hat. Wenn sie sich ihre eigenen Gefühle für ihn eingestehen muss, bröckelt die Fassade. Die Perücke hat sie dann abgelegt und auch ihre Garderobe ist nicht mehr so mondän. Stimmlich glänzt sie mit hochdramatischem Sopran und kommt auch mit Leichtigkeit über ein aufbrausendes Orchester. Großartig gestaltet sie Fedoras inneren Kampf, wenn sie um Ipanows Vergebung ringt, und geht entschlossen in den Freitod. Wenn Fedora dann ihr Leben aushaucht, findet Stefanoff ganz zarte, nahezu zerbrechliche Töne. Jonathan Tetelman ist ebenfalls eine Idealbesetzung für die Partie des Loris Ipanow. Mit kraftvollem Tenor lässt er in den Höhen tenoralen Glanz verströmen. Seine Bravourarie "Amor ti vieta" stellt einen weiteren musikalischen Höhepunkt des Abends dar. In den kleineren Partien lassen vor allem Nicholas Brownlee, Bianca Tognocchi, Jasper Leever und Bianca Andrew aufhorchen. Brownlee legt den französischen Diplomaten De Siriex mit profundem Bassbariton an. Tognocchi gestaltet Fedoras Freundin Olga mit leichtem Sopran und mädchenhaftem Spiel. Jasper Leever punktet als Polizeikommissar Gretch mit autoritären Tiefen, und Bianca Andrew überzeugt als Laufbursche Dimitri mit dunkel gefärbtem Mezzo. So gibt es zu Recht großen Beifall für alle Beteiligten.

FAZIT

Giordanos Fedora hätte musikalisch durchaus einen festen Platz im Standardrepertoire neben Andrea Chenier verdient. Die Frankfurter Inszenierung sollte man sich daher nicht entgehen lassen.


Ihre Meinung
Schreiben Sie uns einen Leserbrief
(Veröffentlichung vorbehalten)

Produktionsteam

Musikalische Leitung
Lorenzo Passerini

Inszenierung
Christof Loy

Szenische Leitung
Anna Tomson

Bühnenbild und Kostüme
Herbert Murauer

Licht
Olaf Winter

Videodesign
Velourfilm AB

Chor
Tilmann Michael

Dramaturgie
Thomas Jonigk

 

Frankfurter Opern- und
Museumsorchester

Chor der Oper Frankfurt


Besetzung

*Premierenbesetzung

Fedora Romazow, Fürstin
*Nadja Stefanoff /
Asmik Grigorian

Loris Ipanow, Graf
*Jonathan Tetelman /
Giorgio Berrugi

De Siriex, französischer Diplomat
Nicholas Brownlee

Olga Sukarew, Gräfin
Bianca Tognocchi

Gretch, Polizeikommissar
*Jasper Leever /
Frederic Jost

Dimitri, Laufbursche
Bianca Andrew

Desiré, Kammerdiener
Peter Marsh

Rouvel, Baron
Michael McCown

Cirillo, Kutscher
*Thomas Faulkner /
Anthony Robin Schneider

Borow, Arzt
Gabriel Rollinson

Lorek, Chirurg
Pilgoo Kang

Nicola, Diener
Leon Tchakachow

Sergio, Diener
Lukas Schmidt

Michele, Portier
Damjan Batistić

Boleslao Lazinski, Pianist
Mariusz Kłubczuk

Ein Junge
Samuel Preisenberger /
*Rocco Schulz

Basilio, Hausangestellter
Dominik Betz

Dr. Müller
Kobe Linder

Assistent des Kommissars
Henri Holland-Letz

Ein Polizist
Lauritz Jordan

Wladimiro
Joakim Stephenson

 


Weitere Informationen
erhalten Sie von der
Oper Frankfurt
(Homepage)







Da capo al Fine

Zur OMM-Homepage Zur Konzert-Startseite E-Mail Impressum
© 2022 - Online Musik Magazin
http://www.omm.de
E-Mail: oper@omm.de

- Fine -