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Schillers Trauerspiel in Schwarz-Weiß
Die Dramen von Friedrich Schiller haben auf Giuseppe Verdi eine derart große
Faszination ausgeübt, dass er insgesamt vier Tragödien des großen deutschen
Dichters vertont hat. Während Don Carlo auch heute noch relativ häufig
auf den Spielplänen steht und Verdi sich mit dieser Oper nicht nur am längsten auseinandergesetzt hat,
sondern auch von der Uraufführung 1867 in Paris bis 1886 in Modena insgesamt
sieben Fassungen in französischer und italienischer Sprache kreiert hat, führen
die übrigen drei Kompositionen eher ein Schattendasein im Schaffen des berühmten
italienischen Komponisten, was vor allem daran liegen mag, dass sie vor der
sogenannten "Trilogia popolare" (Rigoletto, Il trovatore und La
traviata) entstanden sind, die seine "Frühwerke" von den Bühnen verdrängten.
Im Gegensatz zu Giovanna d'Arco (Die Jungfrau von Orléans) und
I masnadieri (Die Räuber) wird Luisa Miller aber zumindest in den
letzten Jahren an den Opernhäusern wieder etwas mehr Aufmerksamkeit
geschenkt. So stand das Stück in der vergangenen Spielzeit beispielsweise an der Metropolitan Opera auf dem Spielplan, kommt im April 2019 am Landestheater
Detmold heraus und wird bei den Salzburger Festspielen 2019 mit großem
Staraufgebot zu erleben sein. Nun hat man sich auch an den Wuppertaler Bühnen
entschieden, diese Oper als Koproduktion mit der English National Opera zu
präsentieren.
Noch ist ihre Welt in Ordnung: Luisa (Izabela
Matula) und Rodolfo (Rodrigo Porras Garulo)
Dass Verdi die weibliche Hauptfigur im Titel beibehält, deutet bereits seine
Konzentration auf individuelle Charaktere an, wie sie in seinen späteren Werken
immer wieder im Mittelpunkt stehen sollten. Dabei hatte auch Schiller
ursprünglich geplant, sein Drama Luisa Millerin zu nennen, ließ sich aber
von dem Schauspieler August Wilhelm Iffland überzeugen, dass Kabale und Liebe
ein publikumswirksamerer Titel sei. Verdis übrige Änderungen in der
Dramenvorlage Schillers sind den damaligen Opernkonventionen und der Zensur im
Neapel des 19. Jahrhunderts geschuldet. So wäre es beispielsweise undenkbar
gewesen, dass der Sohn des Grafen von Walter den gleichen Vornamen gehabt hätte
wie der damalige König von Neapel Ferdinando II. Deswegen wurde aus Ferdinand
kurzerhand Rodolfo. Auch die Partie der Lady Milford wurde in der Oper aus
mehreren Gründen abgeschwächt. Zum einen wäre es einer Sängerin nicht zumutbar
gewesen, die Mätresse eines Herrschers zu spielen. Zum anderen musste die
Ranghierarchie in dem am Haus engagierten Ensemble berücksichtigt werden, wonach
es neben Luisa keine zweite Primadonna geben durfte, wie Verdi es sich
eigentlich für diese Partie gewünscht hätte. Aus Lady Milford wurde folglich
Federica von Ostheim, eine verwitwete Herzogin. Des Weiteren wurden Luisas
Mutter und der Hofmarschall von Kalb als Rollen gestrichen. Luisa adressiert bei
Verdi den verleumderischen Brief direkt an Wurm, was dessen Rolle in der Intrige
noch gewichtiger macht.
Graf von Walter (Sebastian Campione, mit James
Rosental als Tänzer im Hintergrund) hat eine "dunkle" Vergangenheit.
Für die Inszenierung wählt das Regie-Team um Barbora Horáková Joly einen
psychologischen, recht plakativen Ansatz, der keine Zwischentöne zulässt. Die
"weiße" Unschuld Luisas wird von der "schwarzen" Macht des Bösen im Lauf des
Stückes überdeckt. So werden die Protagonisten und die hohen weißen Wände
ständig mit schwarzer Farbe beschmiert, um den Untergang der Unschuld und des
Guten zu manifestieren. Hinzu kommt auch noch ein Tanzensemble bestehend aus
zwei Tänzerinnen und zwei Tänzern, die noch ärgere Schmierereien über sich
ergehen lassen müssen. Im ersten Akt steigen sie sogar aus unerklärlichen
Gründen in Fässer und lassen sich darin mit schwarzer Farbe überschütten,
bevor die Fässer verschlossen und von der Bühne gefahren werden. Das verstehe,
wer will. Auch ihr späteres Auftreten erschließt sich nicht wirklich. Als
Schatten des Bösen machen sie es sich zur Aufgabe, das Weiß der Wände zu
verdecken. Hinzu kommen auch noch Luisa und Rodolfo als Kinder, die die Wände im
Laufe des Stückes mit zahlreichen Kinderzeichnungen, selbstverständlich in
Schwarz, verzieren. Schon bei der Ouvertüre treten sie von unterschiedlichen
Seiten mit einem Geschenk auf. Während Luisa rote Schuhe auspackt, bekommt
Rodolfo einen Stoff-Teddybär, den er später im Stück mit einem Messer
malträtiert. Anschließend schreibt Rodolfo "Amore" an die linke weiße Bühnenwand
und Luisa "Intrigo" an die rechte Wand, was wohl für die Begriffe in
Schillers Titel steht. Inhaltlich sinnvoll wirkt es nicht, dass Luisa dieses
Wort schreibt, da sie ja nur das Opfer der Intrige ist. Später macht Rodolfo das
Wort "Amore" unkenntlich, was wohl andeutet, dass Rodolfo sein Vertrauen in
Luisa und die Liebe verloren hat.
Skurrile Geburtstagsfeier: auf der Bank: Miller
(Anton Keremidtchiev), im Hintergrund: Luisa als Kind mit dem Tanzensemble als
Clowns und dem Chor
Schon bei dem Geburtstagsfest Luisas im ersten Akt verbreiten die Kostüme von
Eva-Maria von Acker eine unheimliche Stimmung. Die weiß geschminkten Gesichter
des Chors mit den unregelmäßigen schwarzen Tupfern lassen die Gesellschaft wie
Unheil verkündende Geister erscheinen. Auch die Clowns, die die kleine Luisa mit
zahlreichen Luftballons in die Höhe heben, verheißen nichts Gutes. Wieso die
erwachsene Luisa anschließend als Objekt der Begierde in ein Haus im Hintergrund
gestellt wird und von zahlreichen halbnackten Männern begrapscht wird,
erschließt sich genauso wenig wie der Regie-Einfall, Wurm stets mit einer
Silikonmaske auftreten zu lassen, die er dann, sobald er in Aktion tritt,
ablegt. Dass er ständig aus dem Nichts erscheine, wie das Programmheft zu
erklären versucht, wird dadurch auch nicht nachvollziehbarer. Auch ist fraglich,
ob Wurm Luisa wirklich vergewaltigt, wenn er sie zwingt, in einem Brief ihre
Liebe zu ihm zu bekennen. Glaubhaft wirkt sie jedenfalls nicht, wenn sie als
geschändete Frau vor der Herzogin Federica steht und dieser versichert, dass sie
Rodolfo niemals geliebt habe. Allerdings ist Federica in der Inszenierung auch
so angelegt, dass es sie nicht wirklich zu interessieren scheint, ob Luisa hier
die Wahrheit sagt. Als "dunkle" Figur legt sie im ersten Akt, als Rodolfo Luisa
erneut seine Liebe bekannt hat, ein weißes Hochzeitskleid an und tanzt im
Hintergrund, während Miller vom Grafen verhaftet wird und Rodolfo seinem Vater
androht, das Geheimnis preiszugeben, wie von Walter an die Macht gelangt ist,
was zu Luisas Freilassung führt.
Wurm (Michael Tews) diktiert Luisa (Izabela
Matula) den verhängnisvollen Brief.
Musikalisch lässt der Abend keine Wünsche offen. Da ist zunächst einmal Julia
Jones' zupackendes Dirigat zu nennen. Absolut energiegeladen führt sie das
Sinfonieorchester Wuppertal durch die spannungsreiche Partitur und arbeitet die
zahlreichen Nuancen differenziert heraus, durch die sich Verdi als großer
Musikdramatiker auszeichnet. Hier wird deutlich, dass Luisa Miller
eigentlich schon nicht mehr zu den Frühwerken zu zählen ist, sondern mit der "Trilogia
popolare" musikalisch fast schon auf Augenhöhe steht. Für die Titelpartie hat
man die polnische Sopranistin Izabela Matula gewinnen können, die bis zur
letzten Spielzeit noch dem Ensemble des Theaters Krefeld und Mönchengladbach
angehörte und da sicherlich noch als Elsa in guter Erinnerung sein dürfte. Mit
jugendlich-dramatischem Sopran und einer hervorragenden lyrischen Grundierung
gestaltet sie die Entwicklung von dem jungen, unschuldigen Mädchen zur zum
Verrat gezwungenen Frau. In ihrer Auftrittsarie "Lo vidi e 'l primo palpito"
schwärmt sie mit mädchenhaft leichtem Sopran von ihrer ersten Begegnung mit
Rodolfo, den sie bis jetzt nur unter dem Namen Carlo kennt. Einen großartigen
Wechsel vollzieht sie dann im zweiten Akt in ihrer Verzweiflungsarie "Tu
puniscimi, o Signore", wenn sie ihr grausames Schicksal beklagt, aus Liebe zum
Vater den verräterischen Brief schreiben zu müssen. Entschlossen will sie sich
dann im dritten Akt zunächst das Leben nehmen, bevor ihr Vater sie daran
hindert. Nachdem sie das von Rodolfo verabreichte Gift getrunken hat, findet sie
mit leuchtenden Höhen, die zu Tränen rühren, ihre Unschuld wieder, auch wenn das
Beschmieren mit schwarzer Farbe durch die Tänzer da eine andere Deutung
anstrebt. Rodrigo Porras Garulo bewegt sich als Rodolfo mit strahlendem Tenor
und sauber ausgesungenen Höhen auf Augenhöhe mit Matula. Die berühmte Tenor-Arie
aus dem zweiten Akt, "Quando le sere al placido", in der er die glückliche Zeit
mit Luisa Revue passieren lässt, gestaltet Garulo mit beweglicher Stimmführung
und großer Intensität. Das großes Liebes-Duett im ersten Akt, "T'amo d'amor
ch'esprimere", und das Schluss-Duett im dritten Akt, "Piangi, piangi il tuo
dolore", in dem Rodolfo und Luisa die Sinnlosigkeit ihres Todes erkennen,
avancieren ebenfalls zu musikalischen Glanzpunkten des Abends.
Anton Keremidtchiev gestaltet Luisas Vater Miller mit kräftigem Bass, der im
dritten Akt im Zusammenspiel mit Matula auch ganz weiche Töne finden kann,
während er zunächst mit Vehemenz gegen Rodolfo und seinen Vater rebelliert. Nana
Dzidziguri punktet als Herzogin Federica mit dunkel gefärbtem Mezzosopran und
mondänem Spiel. Sie hat sich glaubhaft in die Welt des Bösen integriert und
stellt einen Gegenpol zu Luisa dar. Als alter Bekannter kehrt Michael Tews als
Wurm nach Wuppertal zurück. Sein düsterer Bass verleiht dem intriganten
Verwalter eine sehr schwarze Note. Da hätte es der schwarzen Farbe gar nicht
bedurft. Auch darstellerisch gelingt ihm die Szene, in der er Luisa den
verleumderischen Brief diktiert, glaubhaft abstoßend. So wird gut
nachvollziehbar, dass Luisa ihn nicht lieben kann und er sich ihr gewaltsam
nähern muss. Ensemble-Mitglied Sebastian Campione stattet den relativ
gefühlskalten Grafen von Walter mit profundem Bass aus. Als neues
Ensemble-Mitglied gibt Iris Marie Sojer als Luisas Freundin Laura einen
überzeugenden Einstand. Der von Markus Baisch einstudierte Chor begeistert durch
harmonischen, kraftvollen Klang und überzeugende Bühnenpräsenz, so dass es für
alle Beteiligten am Ende großen Beifall gibt, in den sich auch das Regie-Team
ohne jedwede Unmutsbekundung einreiht. Das Publikum scheint also mit der
psychologisch-plakativen Sicht auf das Stück keine Probleme zu haben.
FAZIT
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Produktionsteam
Musikalische Leitung Inszenierung
Bühne Kostüme Choreographie Licht Chor Dramaturgie
Sinfonieorchester Wuppertal Opern- und Extrachor der Solisten*Premierenbesetzung Il conte di Walter Rodolfo Federica Wurm Miller Luisa Laura Ein Bauer Luisa als Kind Rodolfo als Kind Tanzensemble
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- Fine -