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I puritani

Opera seria in drei Teilen
Text von
Carlo Pepoli
Musik von Vincenzo Bellini

in italienischer Sprache mit deutschen und englischen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3h 35' (eine Pause)

Koproduktion mit der Opéra Royal de Wallonie, Liège

Premiere im Opernhaus Frankfurt am 2. Dezember 2018



Oper Frankfurt
(Homepage)
Prachtvoller Belcanto mit verworrener Handlung

Von Thomas Molke / Fotos von Barbara Aumüller

Auch wenn Vincenzo Bellinis letzte Oper I puritani als ein musikalisches Meisterwerk gilt, das sich kurz nach der Uraufführung schnell in ganz Europa verbreitete, hat das Stück heute nicht mehr den gleichen Bekanntheitsgrad wie beispielsweise Norma, La sonnambula oder I Capuleti e i Montecchi, die noch zum Standardrepertoire der Opernhäuser zählen. Lange Zeit betrachtete man das Werk als letztes großes Monument der Epoche des Belcanto, bei dem die Messlatte für Sopran und Tenor relativ hoch angelegt ist, so dass es zahlreiche Möglichkeiten bot, vokal zu glänzen, aber ebenso die Gefahr des Scheiterns relativ groß war. Das berühmte Duett von Riccardo und Giorgio am Ende des zweiten Aktes, "Suoni la tromba", hat seit der Risorgimento-Bewegung für die Italiener einen ähnlich patriotischen Charakter wie Verdis Gefangenenchor "Va, pensiero" aus Nabucco. Lediglich das Libretto wurde von Anfang an als problematisch erachtet, was schließlich auch dazu führte, dass die Oper später meistens auf einzelne Auszüge in diversen Galakonzerten reduziert wurde. Ein Grund dafür mag Bellinis Zerwürfnis mit seinem langjährigen Librettisten Felice Romani nach dem Misserfolg seiner Oper Beatrice di Tenda gewesen sein. Sein neuer Textdichter Graf Carlo Pepoli war bei weitem nicht so routiniert wie Romani, und so musste Bellini immer wieder selbst in den Text eingreifen. Entstanden ist ein Werk, das zwar wunderbare Melodienbögen aufweist, im dramaturgischen Ablauf allerdings sehr holprig daherkommt.

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Brenda Rae als Elvira

Die Handlung spielt um 1650 im englischen Bürgerkrieg. Der puritanische Gouverneur Lord Gualtiero Valton hat eingewilligt, seine Tochter Elvira mit dem königstreuen Lord Arturo Talbot zu verheiraten, was den Oberst Sir Riccardo Forth sehr belastet, da dieser ebenfalls in Elvira verliebt ist und sie ihm einst von Valton als Braut versprochen worden ist. Elvira ist glücklich über die bevorstehende Hochzeit mit Arturo und will gerade ihren Brautschleier ausprobieren, als Arturo in einer Staatsgefangenen die Witwe des Stuart-Königs Karl I., Enrichetta, erkennt und sich verpflichtet fühlt, sie zu retten. Er verbirgt sie unter Elviras Brautschleier und ergreift gemeinsam mit ihr die Flucht. Riccardo lässt die beiden passieren, weil er hofft, auf diesem Weg Elvira zurückgewinnen zu können. Als er Elvira allerdings darüber in Kenntnis setzt, dass Arturo sie mit einer anderen Frau verlassen habe, verliert die junge Frau den Verstand. Arturo wird wegen Hochverrats vom Parlament zum Tode verurteilt. Riccardo triumphiert, aber Elviras Onkel Giorgio kann ihn überreden, Arturo aus Liebe zu Elvira zu retten. Auf der Flucht gelangt Arturo schließlich zu Elvira und kann ihr seine Beweggründe für sein Verschwinden erklären. Elvira gewinnt ihren Verstand zurück, doch droht ihn erneut zu verlieren, als Arturo von den Puritanern gestellt und sein Todesurteil verkündet wird. Im allerletzten Moment taucht ein Bote mit der Nachricht auf, dass die Stuarts vernichtend geschlagen worden seien und alle politischen Gegner begnadigt werden sollen. So kann die Hochzeit zwischen Elvira und Arturo doch noch stattfinden.

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Riccardo (Iurii Samoilov) will Elvira (Brenda Rae) zurückgewinnen.

Das Regie-Team um Vincent Boussard vertraut dieser kruden Handlung nicht und bettet die Geschichte in eine Rahmenhandlung ein, die das Geschehen nachvollziehbarer machen soll. Ausgangspunkt ist für ihn Bellinis Begräbnis im Invalidendom in Paris, bei der Arturos letzte Arie in ein "Lacrimosa" umgewandelt und von den Sängern der Uraufführung, allen voran von dem Startenor Giovanni Battista Rubini, vorgetragen worden sein soll. So verlegt Boussard die Geschichte nach Paris 1835 in ein bis auf die Grundmauern ausgebranntes Theater, in dem eine Trauerfeier für den kürzlich verstorbenen Komponisten abgehalten wird. In einem bombastischen Bühnenbild von Johannes Leiacker, das in opulenten Ausmaßen die Ruinen eines Theaters mit zahlreichen Logen zeigt, wo das vergangene Wüten des Feuers noch an verbrannten Überresten zu erkennen ist, die wie totes, schwarzes Laub über den Bühnenboden wehen, und ein schwarzer Flügel als Manifest einer vergangenen Zeit die Bühne beherrscht, sieht man noch vor der Ouvertüre eine Frau in einem schwarzen üppigen Abendkleid (Sofia Pintzou), die beinahe wie ein Vampir einen Mann im schwarzen Anzug mit hohem Zylinder so heftig liebkost, dass er schließlich leblos zusammenbricht. Dabei soll es sich wohl um den Komponisten Bellini handeln, dessen plötzliches Ableben zahlreiche Fragen aufgeworfen hat. Unter anderem wird auch spekuliert, dass er von einer verschmähten Geliebten vergiftet worden sein soll. Nach beeindruckenden Videoprojektionen von Isabel Robson treten zur Ouvertüre nach und nach der Chor und weitere Protagonisten des Stücks in die Theaterruine. Die Kostüme von Christian Lacroix sind dabei vor allem bei den Frauen sehr aufwendig und opulent gestaltet.

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Aussprache zwischen Arturo (John Osborn) und Elvira (Brenda Rae)

Da die Männer zunächst alle in einem schwarzen Anzug mit hohen Zylindern gleich aussehen und dazu auch noch eine Maske vor dem Gesicht tragen, sind sie zunächst schwer auseinanderzuhalten, und man kann nur dann verstehen, wer gerade singt, wenn man die Handlung kennt oder sehr aufmerksam die Übertitel studiert. Für das Verständnis förderlich ist dieser abstruse Regie-Einfall sicherlich nicht. Im Programmheft arbeitet Boussard in einem Artikel einige Parallelen zwischen Bellini und seinem Protagonisten Arturo heraus. Wenn man jetzt aber glaubt, Bellini übernehme in der Inszenierung dessen Rolle, ist das weit gefehlt. Zu Beginn hat man den Eindruck, dass Bellini sich in Elviras Verehrer Riccardo verwandelt. Am Ende kann es eigentlich nur dessen Freund Sir Bruno Robertson sein, da die anderen Figuren für die Schlussszene schon alle vorher auf der Bühne stehen und nach der Pause zumindest Riccardo und Arturo sich kostümtechnisch von den übrigen Protagonisten unterscheiden. Auch der dritte Akt weist zahlreiche Ungereimtheiten auf. So ist es Elvira selbst, die das Todesurteil über Arturo nicht nur verkündet, sondern auch gleichzeitig noch vollstreckt und ihn erschießt. Allerdings ist ja wohl alles nur Spiel.  So erhebt sich Arturo anschließend von den Toten, und wenn dann die Niederlage der Stuarts gefeiert wird, läuft die ehemalige Königin Enrichetta fröhlich zwischen den anderen Figuren hin und her und bändelt sogar mit Sir Giorgio an. Nach dem allgemeinen Schlussjubel fällt dann schließlich noch ein Schuss, und die Frau, die anfangs den Komponisten zu Fall gebracht hat, bricht tot hinter einem Vorhang zusammen. Das verstehe, wer will. Da hätte man auch bei der ursprünglichen Geschichte bleiben können. Ein Großteil des Publikums scheint das ähnlich zu sehen, da das Regie-Team beim Schlussapplaus mit einigen Unmutsbekundungen empfangen wird. Dabei können das Bühnenbild von Leiacker, die Kostüme von Lacroix und die Videoprojektionen von Robson als durchaus gelungen bezeichnet werden, was leider bei dem Protest des Publikums ein wenig untergeht..

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Happy End am Klavier: von links: Elvira (Brenda Rae), hinten: Lord Valton (Thomas Faulkner), mit dem Rücken: Sir Giorgio (Kihwan Sim), Enrichetta (Bianca Andrew) und Arturo (John Osborn) (oben: Chor)

Musikalisch lässt der Abend keine Wünsche offen. Die hervorragende Sängerriege beschert mit wunderbaren Melodien den Zuschauern einen Glücksmoment nach dem nächsten und belegt, dass die Oper musikalisch wirklich ein Meisterwerk ist. Da ist zunächst Brenda Rae als Elvira zu nennen. Mit intensivem Spiel und glasklaren, halsbrecherischen Koloraturen gestaltet sie glaubhaft die Labilität und innere Zerrissenheit der jungen Frau. Mädchenhaft naiv präsentiert sie die Partie zu Beginn des ersten Aktes, wenn sie in einer Cabaletta mit ihrem Onkel Giorgio ihrer Freude darüber freien Lauf lässt, dass ihr Vater seine Zustimmung zu einer Hochzeit mit Arturo gegeben hat, und auch ihre Cabaletta "Son vergin vezzosa", in der sie sich mit dem Schleier auf die bevorstehende Feier vorbereitet, gestaltet Rae mit frischer Leichtigkeit und großer Beweglichkeit in den Läufen. Regelrecht zerbrechlich präsentiert sie dann ihre große Wahnsinnsszene im zweiten Akt, "O rendetemi la speme", wenn sie sich von Arturo verraten glaubt. John Osborn meistert die anspruchsvolle Partie des Arturo mit höhensicherem Tenor, auch wenn er in den extremen Spitzentönen ein wenig forcieren muss. Seine Auftrittskavatine im ersten Akt, "A te, o cara", wenn er Elvira seine Brautgabe überreicht, und seine Verzweiflungsarie im dritten Akt, "Credeasi, misera", wenn er fürchtet, zum Tode verurteilt zu werden, nachdem er erneut einen kurzen Moment des Glücks mit Elvira erleben durfte, avancieren mit Osborns weicher Stimmführung zu weiteren Höhepunkten des Abends.

Iurii Samoilov punktet als Riccardo mit markantem Bariton, der auch in den Höhen enorme Durchschlagskraft besitzt. Mit großer Emotion spielt er die tiefen Gefühle für Elvira aus und macht das Handeln der Figur damit gut nachvollziehbar. Kihwan Sim begeistert als Sir Giorgio mit kraftvollem Bass. Im Duett mit Rae findet er im ersten Akt zu einer betörenden Innigkeit, die nachvollziehbar macht, wieso Elvira ihren Onkel als "padre" bezeichnet. Auch im zweiten Akt gelingt es ihm stimmlich sehr überzeugend, Riccardo von seinen Racheplänen abzubringen, da er erkennt, dass Elvira durch Arturos Tod nur noch größeres Leid erfahren würde. Das große Duett "Suoni la tromba" wird von Sim und Samoilov sehr emotionsgeladen gestaltet. Bianca Andrew punktet als abgesetzte Königin Enrichetta mit warmem Mezzosopran. Thomas Faulkner und Michael Porter runden als Elviras Vater Lord Valton und Riccardos Freund Sir Bruno Robertson das Solisten-Ensemble überzeugend ab. Großes leistet auch der von Tilman Michael einstudierte Chor der Oper Frankfurt, der einiges auf und auch hinter der Bühne zu singen hat. Tito Ceccherini taucht mit dem Frankfurter Opern- und Museumsorchester tief in die Partitur ein und zaubert wunderbare Melodienbögen aus dem Orchestergraben, so dass es verdienten Jubel für die musikalische Leistung des Abends gibt.

FAZIT

Bellinis letzte Oper I puritani ist musikalisch wirklich ein Meisterwerk. Szenisch kann Vincent Boussards Regie aber nicht über die Mängel des Librettos hinwegtäuschen.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Tito Ceccherini

Inszenierung
Vincent Boussard

Bühnenbild
Johannes Leiacker

Kostüme
Christian Lacroix

Licht
Joachim Klein

Video
Isabel Robson

Chor
Tilman Michael

Dramaturgie
Zsolt Horpácsy

 

Frankfurter Opern- und
Museumsorchester

Chor der Oper Frankfurt


Solisten

*Premierenbesetzung

Elvira
*Brenda Rae /
Zuzana Marková

Lord Arturo Talbot
John Osborn

Sir Riccardo Forth
Iurii Samoilov

Lord Gualtiero Valton
Thomas Faulkner

Sir Giorgio
Kihwan Sim

Sir Bruno Robertson
Michael Porter

Enrichetta di Francia
*Bianca Andrew /
Kelsey Lauritano

Eine Frau
Sofia Pintzou

 


Weitere Informationen
erhalten Sie von der
Oper Frankfurt
(Homepage)







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