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Eingeschneit
Von Roberto Becker / Fotos von Monika Rittershaus
Die ästhetische Geschlossenheit dieser Opernnovität ist faszinierend. Fluchtwege bleiben hier nur ins Assoziative. So wie für das halbe Dutzend Protagonisten auf der Bühne der frisch renovierten Lindenoper. Die hat jetzt mit Beat Furrers Violetter Schnee eine in jeder Hinsicht exquisite Uraufführung zu verbuchen. Der österreichische Dramatiker Händl Klaus, der mit Furrer schon bei dessen Wüstenbuch zusammenarbeitete, hat eine Art von Weltuntergangspoesie in Librettoform gebracht, die von Vladimir Sorokin Erzählung, Andrei Tarkowski Solaris, Lars von Triers Melancholia und Peter Brueghel Winterbild Jäger im Schnee inspiriert ist. Die Musiksprache des Schweizer Ernst-von-Siemens-Preisträgers lässt sie in ihrem dunklen Glanz gleichsam aufleuchten. Die Musik klingt wie fallender Schnee, ist durchsetzt von Fanalklängen, scheppert, erstirbt. ![]() Das Bild wird hier zum Raum
Musikalisch sorgen dafür die Staatskapelle mit Matthias Pintscher am Pult, das Vokalconsort Berlin und ein handverlesenes Solisten-Ensemble aus Anna Prohaska (Silvia), Elsa Dreisig (Natascha), Georg Nigl (Peter), Gyula Orendt (Jan) und Otto Katzameier (Jaques), dessen Partie der von Martina Gedeck zelebrierten Sprechrolle noch am nächsten kommt. Alle werden in einem Kaminzimmer in einem Irgendwo von Schneemassen eingeschlossen, die natürlich ebenso metaphorisch sind wie der titelgebende violette Schnee, der für ein Finale steht, bei dem die Menschen und die Welt, wie wir sie kennen, wohl in einem allumfassenden Nichts entschwinden. Dafür kann derzeit wohl kaum jemand so eindringlich wie Beat Furrer einen Klangraum schaffen. Else Dreisig profiliert ihre Rolle der Natascha mit ihrer Traumerzählung über ein Streichinstrument, das durch eine sich in ihr aufblähende Hornisse zerbirst. ![]() Die Welt ist aus den Fugen
Claus Guth (Regie), Étienne Pluss (Bühne), Ursula Kudrna (Kostüme) und Arian Andiel (Video) nehmen den Einstieg des Librettos beim Wort und nutzen im wahrsten Wortsinn Pieter Breughels Gemälde "Jäger im Schnee" als Einfallstor in die Untergangsvision. Als Riesenprojektion auf einem Gazevorhang. Als Totale und im Detail. Gestochen scharf und verschwommen bis zur Unkenntlichkeit. Eine Idylle, die bei genauerem Hinsehen nur Anzeichen einer Katastrophe überdeckt. Ein Bild, das in der sogenannten kleinen Eiszeit entstand. ![]() An der Oberfläche ist es noch schlimmer
Die Schauspielerin Martina Gedeck führt mit einem ganz eigenen Sprachgesang durch und in das Bild. Einige Figuren daraus tauchen dann immer wieder in der postapokalyptischen Landschaft auf. Dorthinauf klettern immer wieder die in ihrem noblen Kaminzimmer Eingeschlossenen über drei geheimnisvolle steile Treppen. Dieser Wechsel zwischen unten und oben wiederholt sich einige Male. Das Mobiliar ist längst verheizt, alles Essbare verzehrt. Kannibalische Fantasien flackern schon auf. Dann gibt es unten sogar eine Party am festlich gedeckten Tisch, die genauso gut ein Traum sein könnte. ![]() Die Sonne als schwarzes Loch - das Ende
Vor allem die hochprofessionell feingearbeitete, suggestiv eskalierende Musik Furrers, mit ihrem Changieren zwischen Sprache und Gesang, den zersplitternden Klängen, inklusive eines abrupten Endes, lässt keinen Zweifel am Metaphorischen des nie endenden Schneefalls zu, durch den alle Gewissheiten schwinden und auch die Zeit ihren Verlauf umzukehren scheint. Eiszeit und dräuende Endzeit gehen zunehmend in eins - so wie auf Brueghels Winterbild. Am Ende taucht hier eine geheimnisvolle Sonne alles in ein eiskalt gleißendes Licht. Des im Libretto vorgesehenen violetten Schnees bedarf es da gar nicht, denn die Menschen werden wohl alle in dem schwarzen Loch verschwinden.
FAZIT Der Lindenoper in Berlin ist mit der Oper Violetter Schnee in der Inszenierung von Claus Guth eine exquisite Uraufführung gelungen. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Bühnenbild
Kostüme
Licht
Video
Dramaturgie
Sänger
Silvia
Natascha
Jan
Peter
Jacques
Tanja
Tänzerinnen und Tänzer
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