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Hänsel und Gretel

Märchenspiel in drei Bildern
Libretto von Adelheid Wette nach der Erzählung der Gebrüder Grimm
Musik von Engelbert Humperdinck

In deutscher Sprache

Aufführungsdauer: ca. 2h 15' (eine Pause)

Premiere im Opernhaus Wuppertal am 9. Dezember 2017


Wuppertaler Bühnen
(Homepage)
Magie im abstrakten Projektionswald


Von Thomas Molke / Fotos: ©
Bettina Stöß

Nachdem die neue Generalmusikdirektorin Julia Jones bereits in den Sinfoniekonzerten begeistert vom Wuppertaler Publikum aufgenommen worden war, wurde nun mit großer Spannung ihr Debüt an der Wuppertaler Oper erwartet. Als "Einstand" ist die Wahl auf die Märchenoper Hänsel und Gretel von Engelbert Humperdinck gefallen. Was ursprünglich als kleines Singspiel mit ein paar Liedern anlässlich der Geburtstagsfeier von Adelheid Wettes Ehemann geplant war, sollte Humperdinck nicht nur aus der künstlerischen und privaten Krise holen, in die ihn der Tod seines großen Vorbildes Richard Wagner 1883 gestürzt hatte, sondern auch kurz nach der Uraufführung am 23. Dezember 1893 als großer Erfolg die ganze Welt erobern und steht heutzutage vor allem in der Vorweihnachtszeit oft auf den Spielplänen der Opernbühnen. Dabei ist durchaus diskutabel, ob das Werk als durchkomponierte Oper, in der vieles an Humperdincks großes Vorbild Wagner erinnert, abgesehen von der Handlung so "kindertauglich" ist, wie es die Märchenvorlage erwarten lässt. Denis Krief findet in seiner Inszenierung in Wuppertal Bilder, die fernab von märchenhaftem Kitsch sind und sich eher abstrakt einer modernen Jugend annähern. Dabei überlässt er die Ouvertüre ganz dem Orchester und versucht nicht, die Klangsprache und die anklingenden Motive zu bebildern. Die Konzentration liegt folglich ganz auf dem Sinfonieorchester Wuppertal und seiner Generalmusikdirektorin Julia Jones, die bereits nach der Ouvertüre auch dem Opernpublikum bewiesen hat, welch guter Griff den Wuppertaler Bühnen mit diesem Engagement gelungen ist. Mit großer Leidenschaft und Präzision arbeitet sie die Klangfarben des Vorspiels heraus, so dass es dem Zuhörer richtig weihnachtlich warm ums Herz wird.

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Hänsel (Catriona Morison) und Gretel (Ralitsa Ralinova) vertreiben sich die Zeit mit Schabernack.

Wenn sich der Vorhang zum ersten Akt öffnet, sieht man eine karge, hohe Holzhütte, in der Hänsel und Gretel ihr von Armut und Hunger geplagtes Dasein fristen, Hänsel beim Besenbinden und Gretel beim Stricken. Auf der linken Seite befindet sich ein Korb mit den Besen, auf der rechten Seite ein weiterer Korb mit Holz für den Kamin. Diese beiden Körbe bleiben wie die Seitenwände und das Dach des Hauses das ganze Stück über auf der Bühne, während die Rückwand in den Schnürboden emporgezogen wird und den Blick auf mehrere mit Leinwand bespannte Stellwände freigibt, auf die im zweiten Akt der Wald und im dritten Akt die Leckereien im Haus der Knusperhexe projiziert werden. Die leere Vorratskammer im Haus des Besenbinders auf der rechten Seite mutiert zum Ofen, in dem die Hexe die Kinder zu leckeren Kuchen verarbeitet. Dieses Konzept geht im Großen und Ganzen auf und ermöglicht bei aller Abstraktion eindrucksvolle Bilder durch gelungene Videoprojektionen, zumal das Holz des Daches ebenfalls als Projektionsfläche im Zauberwald gut nutzbar ist. Beinahe schon unheimlich kommen die Videoeinspielungen der Knusperhexe daher, wenn Peter sich im ersten Akt ausmalt, in welcher Gefahr seine Kinder schweben könnten, falls sie auf die Hexe treffen sollten. Das Zwischenspiel zwischen dem ersten und zweiten Akt wird mit den düsteren Bildern von Hexen auf ihren Besen, die zu einer Art Hexensabbat fliegen, recht gruselig gestaltet.

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Der Besenbinder Peter (Alejandro Marco-Buhrmester) weiß noch nicht, dass seine Frau Gertrud (Belinda Williams) die Kinder in den Wald geschickt hat.

Auf Übertitel wird in der Inszenierung verzichtet, was gerade für die jüngeren Zuschauer nicht immer ganz so geeignet sein dürfte. Zwar kennt man die Geschichte und weiß auch dann, was gerade passiert, wenn man nicht jedes Wort versteht. Aber Belinda Williams bleibt als Mutter Gertrud in großen Teilen so textunverständlich, dass man die Motive der Mutter nicht immer nachvollziehen kann. Auch fehlt Williams ein wenig die stimmliche Dramatik, die die Rolle erfordert. So bleibt sie in der Auseinandersetzung mit den Kindern und in der anschließenden Szene mit ihrem Mann Peter im ersten Akt recht blass. Alejandro Marco-Buhrmester hingegen begeistert als Besenbinder Peter nicht nur mit donnerndem Bass und hervorragender Diktion, sondern auch mit überzeugendem Spiel. Dabei gelingt ihm ein glaubhafter Wechsel von dem frohen, lebenslustigen Mann zu einem besorgten Vater, wenn er hört, dass seine Frau die Kinder in den Wald geschickt hat. Catriona Morison und Ralitsa Ralinova geben stimmlich und optisch ein gutes Geschwisterpaar ab. Morison legt den Hänsel mit frechem Spiel an, der sehr deutlich macht, dass er Mädchen (noch) "doof" findet, und hat sichtlichen Spaß daran, Gretel zu necken. Morisons Mezzo klingt dabei warm und jugendlich. Ralinova verfügt als Gretel über einen mädchenhaften Sopran und überzeugt in den ersten beiden Akten genauso wie Morison durch gute Textverständlichkeit. Wenn es im dritten Akt ein wenig dramatischer wird, wären jedoch Übertitel angebracht, da der Text hier fast völlig unverständlich ist.

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Hänsel (Catriona Morison) und Gretel (Ralitsa Ralinova) schlafen beim "Abendsegen" ein.

Für den Zauberwald im zweiten Akt kommt die Drehbühne zum Einsatz, durch die der Wald mit den durcheinander aufgestellten Wänden immer neue Gestalten annimmt, so dass gut nachvollziehbar wird, wieso Hänsel und Gretel die Orientierung verlieren und den Heimweg im Dunkeln nicht mehr finden. Das Sandmännchen (Nina Koufochristou) tritt dann in einer Art Pierrot-Kostüm auf und beruhigt die Kinder mit zartem Gesang. Koufochristou punktet dabei mit glockenklarem Sopran. Beim "Abendsegen" finden dann Ralinovas Sopran und Morisons Mezzo zu einer betörenden Innigkeit, und auch Julia Jones rundet diesen musikalischen Glanzpunkt der Oper mit dem Sinfonieorchester Wuppertal mit warmen Melodienbögen ab. Was jedoch auf der Bühne passiert, nachdem die Kinder eingeschlafen sind, wirkt im Gegensatz zur Musik jedoch fast entzaubernd. Krief lässt die Engel als Kinder in beliebig wirkenden Kostümen auftreten. Hat man hier im Fundus einfach irgendetwas zusammengesucht, was noch vorhanden war? Auch scheinen die Kinder auf der Bühne nichts mit sich anfangen zu können und auch keine klaren Anweisungen erhalten zu haben, was sie denn eigentlich machen sollen. So schlägt ein Junge einfach mal ein Rad, andere stöbern in dem Korb mit den Besen, wieder andere beschäftigen sich mit den Holzscheiten. Wachende Engel sind sie jeweils nicht, zumal der 14. Engel erst auftritt, nachdem die anderen bereits hinter einem weißen Tuch, auf das große Kumuluswolken projiziert werden, verschwunden sind. Vielleicht hätte man die Engel in der Inszenierung lieber ganz weglassen und wie bei der Ouvertüre auf die Kraft der Musik vertrauen sollen.

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Hänsel (Catriona Morison) und Gretel (Ralitsa Ralinova) in der Gewalt der Knusperhexe (Mark Bowman-Hester)

Mark Bowman-Hester bleibt als Knusperhexe Rosina Leckermaul stimmlich blass. Optisch und darstellerisch gibt er mit der wilden Frisur und den riesigen Handschuhen mit gewaltigen Krallennägeln eine sehr unheimliche Hexe ab. Doch leider kommt sein Tenor häufig nicht über das Orchester, so dass von seinem gesungenen Text gar nichts zu verstehen ist. Zwar versucht er, mit seinem hellen Tenor der Knusperhexe eine gruselige Stimmfärbung zu geben. Das gelingt jedoch nur zu Beginn beim "Knusper, Knusper Knäuschen", wenn seine Stimme aus dem Off von einem Mikrofon verstärkt wird. Vielleicht hätte man ihn in der ganzen Aufführung mit Mikrofon unterstützen sollen, um der Figur durch leichten Hall eine unheimliche Note zu geben. Auf die besungenen Lebkuchen, die die Kinder an dem Haus finden, wird in den Projektionen, soweit man sie auf den Bühnenelementen erkennen kann, vollständig verzichtet. Stattdessen sieht man leckere Kuchen und Obst. Aus dem Schnürboden wird als Hexenhäuschen eine kleine Holzwand mit einer Tür und einem Fenster herabgelassen. Wenn die Hexe im Ofen gelandet und Hänsel mit dem Hexenhandschuh aus dem Holzkäfig befreit worden ist, fallen die einzelnen Bretter von dieser Holzwand ab und geben den Blick auf den Kinderchor frei. Unter den Kindern befinden sich auch die 14 "Engel" aus dem zweiten Akt. Auch hier fragt man sich, wer den eigentlich mit den Kindern szenisch gearbeitet hat, da die Bewegungen recht unkoordiniert wirken.

Peter und Gertrud finden ihre Kinder nicht im Wald, sondern in der Hütte. Die Rückwand wird nach der Befreiung der Kinder aus dem Schnürboden herabgelassen, die Wände geschlossen und ein Tisch mit Süßigkeiten aus dem Bühnenboden hochgefahren. Wenn Peter und Gertrud zurückkehren, feiern die Kinder bereits mit Zuckerwatte und anderen Leckereien in Peters Haus eine große Party. War vielleicht alles nur ein Traum? Das Publikum zeigt sich von der Aufführung begeistert und spendet lang anhaltenden Applaus.

FAZIT

Denis Krief wählt zwar keinen märchenhaft kitschigen Ansatz in seiner Inszenierung, bleibt aber der Vorlage im Großen und Ganzen treu, so dass die Produktion auch für jüngere Generationen geeignet sein dürfte.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Julia Jones

Inszenierung, Bühne, Kostüme und Licht
Denis Krief

Choreographie
Amy Share-Kissiov

Chor
Markus Baisch

Dramaturgie
Jana Beckmann

 

Sinfonieorchester Wuppertal

Kinderchor der
Wuppertaler Bühnen


Solisten

*Premierenbesetzung

Peter, Besenbinder
*Alejandro Marco-Buhrmester /
Simon Stricker

Gertrud, sein Weib
Belinda Williams

Hänsel
*Catriona Morison /
Marta Wryk

Gretel
*Ralitsa Ralinova /
Nina Koufochristou

Die Knusperhexe
Mark Bowman-Hester

Sandmännchen
*Nina Koufochristou /
Hong-Ae Kim

Taumännchen
*Nina Koufochristou /
Angelika März

 


Weitere Informationen
erhalten Sie von den
Wuppertaler Bühnen
(Homepage)



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