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Die Walküre

Erster Tag des Bühnenfestspiels Der Ring des Nibelungen
Text und Musik von Richard Wagner

in deutscher Sprache

Aufführungsdauer: ca. 4h 55' (zwei Pausen)

Premiere im Stadttheater Minden am 9. September 2016
(rezensierte Aufführung: 11.09.2016)


 



Stadttheater Minden
(Homepage)

Kammerspiel mit hervorragendem Ensemble

Von Thomas Molke / Fotos © Friedrich Luchterhandt

Als "Bayreuth in Ostwestfalen" bezeichnet die Ministerpräsidentin des Landes Nordrhein-Westfalen, Hannelore Kraft, was sich im September im kleinen Stadttheater Minden abspielt und hat gleich auch noch die Schirmherrschaft übernommen. Seit Jahren gelingt es hier nämlich, dank des unermüdlichen Einsatzes des ansässigen Richard Wagner Verbandes und seiner Vorsitzenden Dr. Jutta Hering-Winckler mit zahlreichen Sponsoren und Kontakten zu Künstlerkreisen eine regelrechte "Wagner-Tradition" zu etablieren, die nun in der Aufführung des kompletten Ring-Zyklus über einen Zeitraum von vier Jahren kulminiert. Was im letzten Jahr mit der szenischen Aufführung des Vorabends Das Rheingold begann (siehe auch unsere Rezension), wird nun mit dem "Ersten Tag" fortgesetzt, und auch mit dieser Produktion braucht man sich musikalisch nicht hinter den namhaften Opernmetropolen zu verstecken. Da die Solisten vor dem Orchester spielen, das auf der Bühne im Hintergrund platziert ist, wird obendrein eine Textverständlichkeit erreicht, die es auch mit den Aufführungen in Bayreuth aufnehmen kann. Hinzu kommt eine Inszenierung, die von Wagners Musik ausgeht, den Text ernst nimmt und die Handlung nicht in einen Förderturm in Aserbaidschan verlegt, was die Herzen der Besucher höher schlagen lässt, wie in den Pausen und am frenetischen Applaus zu erkennen ist. Unverständlich ist nur, wieso in der B-Premiere am Sonntag einige Plätze im Zuschauerraum leer geblieben sind. Haben eventuell einige der zahlreichen Sponsoren ihre Karten kurzfristig zurückgegeben? Anders lässt es sich kaum erklären, wieso das kleine Haus bei einer solchen Produktion nicht bis auf den letzten Platz gefüllt ist.

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"Winterstürme wichen dem Wonnemond": Siegmund (Thomas Mohr) und Sieglinde (Magdalene Anna Hofmann)

Viele Elemente greift das Regie-Team um Gerd Heinz aus dem Rheingold des vergangenen Jahres wieder auf. So wird die Bühne von Frank Philipp Schlößmann immer noch von einem riesigen roten Ring eingerahmt, der wie ein an die Rückwand hinter dem Orchester projizierter goldener Ring als Thema über der ganzen Produktion steht, auch wenn der Ring selbst in der Walküre eher eine untergeordnete Rolle spielt. Die zahlreichen verworrenen Fäden, die auf dem Bühnenboden und dem Inneren des Ringes zu erkennen sind, lassen sich als Schicksalsfäden der Nornen interpretieren, die zu diesem Zeitpunkt im Ring noch nicht gerissen sind. Auch die rote Wendeltreppe, die auf der linken Seite von der Bühne in den ersten Rang hinaufführt, wird erneut in die Inszenierung einbezogen. Dieses Mal führt sie ins Schlafgemach Hundings im ersten Aufzug, lässt Brünnhilde im zweiten Aufzug gewissermaßen aus luftigen Höhen hinabsteigen und dient den Walküren im dritten Aufzug als Aussichtspunkt auf dem Walkürenfelsen. Vor dem roten Ring ist wie zum Beginn des Rheingolds ein schwarzer Vorhang in halber Höhe gespannt, der mit Beginn des Orchestervorspiels auf die Bühne herabfällt. Matthias Lippert hat erneut Videoprojektionen beigesteuert, die die Szene teilweise abstrakt untermalen. So wählt er für den ersten Aufzug Bilder von aufgewickeltem Stacheldraht, der die Isolation der Wälsungen unterstreicht, und Projektionen von fließendem Wasser, das die Gefühle Siegmunds und Sieglindes zueinander widerspiegelt. In späteren Aufzügen werden dann auch schemenhaft die schwarzen Raben Wotans, die Bluthunde Hundings und die Rösser der Walküren erkennbar.

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Wotan (Renatus Mészár) im Streitgespräch mit Fricka (Kathrin Göring)

Den Anfang des ersten Aufzuges widmet Heinz in der Personenregie Sieglinde. Wenn der Vorhang herabgefallen ist, muss sie ihn zu den Unheil verkündenden Läufen des Orchesters zusammenlegen und von der Bühne schaffen, was ihre dienende Stellung in Hundings Haus hervorhebt. Im Anschluss entzündet sie mit einer Fackel den Herd, an dem der erschöpfte Siegmund kurz darauf rasten wird. Die Esche mit dem Schwert Nothung ist ein leicht gebogener abstrakter Stamm, der im Hintergrund auf der rechten Seite aufgestellt ist. Schlichte Kostüme und ein paar einfache weitere Requisiten runden die Szene passend ab. Dass hierbei eine kammerspielartige Atmosphäre entsteht, ist sicherlich auch dem kleinen Raum zu verdanken. Die Nähe zu den Solisten und die großartige Darstellung lassen das Publikum fasziniert in die Geschichte eintauchen. Magdalene Anna Hofmann spielt als Sieglinde ihre Gefühle für den "fremden Mann", den sie später als ihren Bruder Siegmund erkennt, mit glaubhafter Mimik und Gestik aus. Immer wieder löst sie sich aus ihrer Faszination für Siegmund und wirft einen angstvollen Blick in Richtung der Tür beziehungsweise des Schlafgemachs in der Angst, ihr Mann könne jeden Moment auftauchen. Auch stimmlich begeistert sie mit dramatischen Höhen. Mit Thomas Mohr als Siegmund findet sie zu einer bewegenden Innigkeit. Mit kräftigen "Wälse"-Rufen überzeugt Mohr ebenso wie mit einem lyrisch angelegten "Winterstürme wichen dem Wonnemond". Dabei singt er die Spitzentöne stets sauber aus, ohne zu forcieren. Dass beide auch noch eine hervorragende Textverständlichkeit besitzen, macht den Genuss perfekt.

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Siegmund (Thomas Mohr, Mitte) im Kampf gegen Hunding (Tijl Faveyts, links) (In der Projektion sieht man bereits Wotans Speer.)

Tijl Faveyts gestaltet den Hunding mit markanten Tiefen und ausdrucksstarkem Spiel. Dabei verzichtet Heinz in seiner Personenregie darauf, Hunding als abgrundtief bösen Menschen darzustellen. Heinz sieht ihn von seiner Sozialisation geprägt, und Faveyts setzt diesen Ansatz in natürlichem Spiel um. So ist er auch im zweiten Aufzug davon überzeugt, Siegmund im Zweikampf zurecht getötet zu haben und kniet gottesfürchtig vor Wotan. Wenn dieser ihn dann mürrisch von sich weist und mit einem Fingerschnipsen tötet, kann man beinahe Mitleid mit dieser Figur empfinden, auch wenn die Sympathien natürlich beim Zwillingspaar Siegmund und Sieglinde liegen. Der Schlaftrunk scheint in Heinz' Inszenierung allerdings nicht so lange zu wirken. Noch bevor der letzte Takt des ersten Aufzugs verklungen ist, taumelt Hunding schon die Treppe herab und muss nicht nur erkennen, dass der fremde Gast mit seiner Frau das Weite gesucht hat, sondern auch noch das in der Esche steckende Schwert mitgenommen hat. Viel Vorsprung dürfte den Wälsungen in diesem Fall also gar nicht bleiben.

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Wotan (Renatus Mészár) nimmt Abschied von Brünnhilde (Dara Hobbs).

Der zweite Aufzug ist im Bühnenbild von Schlößmann recht abstrakt angelegt. Ein paar Bögen, die die Form der Esche wieder aufgreifen, reichen aus, um sowohl den Saal in Walhall als auch das Schlachtfeld anzudeuten, auf dem Siegmund schließlich den Tod findet. Nach strahlenden und sauber ausgesungenen "Hojotoho"-Rufen von Dara Hobbs als Brünnhilde, avanciert die Szene zwischen Renatus Mészár und Kathrin Göring als Wotan und Fricka zu einem weiteren Höhepunkt des Abends. Göring hat mit vier Statistinnen als Widdergespann einen autoritären Auftritt. Mit bewusst scharf angesetztem Mezzo macht sie ihrem Gatten mit hervorragender Diktion und großartiger Mimik klar, dass sein Plan mit den Wälsungen allen Göttergesetzen widerspricht. Mészár begehrt als Wotan mit kräftigem Bariton zunächst selbstsicher gegen ihre Forderungen auf, muss dann aber doch in bewegendem Spiel vor ihr einknicken. In der anschließenden Erzählung mit Brünnhilde gelingt ihm mit klarer Diktion ein weiterer überragender kammerspielartiger Moment. Hobbs spielt dabei mit innigen Blicken Brünnhildes Gefühle bewegend aus. Umso tragischer wirkt die Szene dann, wenn Wotan sein Lieblingskind verstößt. In der Todverkündung gibt es dann emotional in der Inszenierung kein Halten mehr. Der Zuschauer fiebert mit Mohrs und Hobbs' intensivem Spiel regelrecht mit und fühlt selbst die Liebe, die Siegmund der Walküre ins Herz pflanzt. Den Kampf der Statisten im anschließenden Duell zwischen Siegmund und Hunding hätte man zwar nicht benötigt. Allerdings stört er auch nicht weiter. Wotans Speer, der dann Siegmund entwaffnet, erscheint zunächst in der Videoprojektion, bevor Wotan höchstpersönlich ins Kampfgeschehen eingreift.

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Brünnhilde (Dara Hobbs) im Feuerzauber

Im dritten Aufzug treten dann acht Walküren so textverständlich auf, wie man sie bisher kaum auf einer Bühne erlebt haben dürfte. Heinz verzichtet bei ihren Kostümen bewusst auf eine Ausstattung mit Schild und Speer, sondern gestaltet sie mit Pfeil und Bogen als Luftwesen. Bei Brünnhilde mag man das zwar mit Blick auf den Namen ein wenig unpassend finden, aber den Gesamteindruck kann das keineswegs trüben. Mészár und Hobbs gestalten die Schlussszene zwischen Wotan und Brünnhilde mit einer Intensität, die unter die Haut geht. Wie Hobbs als Brünnhilde darum kämpft, dass Wotan das Verhalten der Walküre versteht, und wie viel Überwindung es Mészár als Göttervater kostet, der Lieblingstochter nicht direkt nachzugeben, wird von den beiden bewegend umgesetzt. Auch stimmlich bleiben bei beiden dabei keine Wünsche offen. Wenn Wotan schlussendlich dem Wunsch seiner Tochter doch nachgibt, sie mit einem Feuerkreis zu umgeben, fragt man sich wirklich, ob die Tränen, die auf Mészárs und Hobbs' Wangen fließen, nicht sogar echt sind. Auch der Feuerzauber wird trotz begrenzter bühnentechnischer Möglichkeiten großartig umgesetzt. Zunächst bedient sich Heinz einer Videoprojektion, in der der Feuerkreis entzündet wird. Dann leuchtet der große rote Bühnenring in feurigem Glanz auf, und schließlich wird auch noch der Orchestergraben herabgefahren, aus dem ein rötlicher Nebel aufsteigt. Mehr kann man wirklich nicht mehr wollen. Frank Beermann führt die Nordwestdeutsche Philharmonie mit sicherer Hand und absolut sängerfreundlich durch die Partitur. Über kleinere Ungenauigkeiten beim Blech sieht man dabei gerne hinweg. So gibt es am Ende frenetischen Applaus für eine Inszenierung, die bereits sehnsüchtig auf den "Zweiten Tag" warten lässt, den das gleiche Produktionsteam in einem Jahr am Stadttheater vorstellen wird.

FAZIT

Diese Walküre ist szenisch und musikalisch ein ganz großer Wurf. Es lohnt sich wirklich, dafür nach Minden zu kommen. Vielleicht gibt es ja noch Karten. (Weitere Termine: 13., 16. und 23. September 2016 jeweils um 17.00 Uhr und 18. September 2016 um 16.00 Uhr)



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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Frank Beermann

Regie
Gerd Heinz

Bühnenbild und Kostüme
Frank Philipp Schlößmann

Videogestaltung
Matthias Lippert

Licht
Michael Kohlhagen

 

Nordwestdeutsche Philharmonie

Statisterie
Schülerinnen und Schüler des
Ratsgymnasiums Minden


Solisten

Siegmund
Thomas Mohr

Hunding
Tijl Faveyts

Wotan
Renatus Mészár

Sieglinde
Magdalene Anna Hofmann

Brünnhilde
Dara Hobbs

Fricka
Kathrin Göring

Gerhilde
Julia Borchert

Ortlinde
Christine Buffle

Waltraute
Kathrin Göring

Schwertleite
Evelyn Krahe

Helmwige
Julia Bauer

Siegrune
Dorothea Winkel

Grimgerde
Tiina Penttinen

Rossweisse
Yvonne Berg


Weitere Informationen
erhalten Sie unter
www.ring-in-minden.de
(Homepage)




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