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María de Buenos Aires

Tango Operita in zwei Teilen
Libretto von Horacio Ferrere
Musik von Astor Piazzolla
- konzertante Aufführung -


in spanischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2h (eine Pause)

Premiere der konzertanten Aufführung im Opernhaus Bonn am 1. Januar 2016
(rezensierte Aufführung: 28. März 2016)


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Theater Bonn
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Eine poetische Lektion über das Wesen des Tango

Von Stefan Schmöe / Fotos von Thilo Beu


Diese María aus Buenos Aires ist der personifizierte Tango. Keine Person aus Fleisch und Blut, auch wenn der Text das gerne suggerieren möchte, sondern eine Metapher. Wobei der Tango selbst ja mehr ist als "nur" Musik: Ein Lebensgefühl mit gehörig Weltschmerz, was natürlich viel zu klischeehaft ist, also besser "der Glaube, dass der Kampf ein Fest sein kann", wie Jorge Luis Borges im Programmheft zitiert wird. Der argentinische Komponist Astor Pizolla (1921 - 1992) wuchs mit dem Tango auf, als dieser bei der Oberschicht verpönt war und als Musik der verruchten Bars und Bordelle galt. Nach Studien der "seriösen" Konzertmusik in Europa u.a. bei Nadia Boulanger begann Piazolla, den Tango als Tango Nuevoin der Kunstmusik zu etablieren. Konsequenterweise machte er da auch vor dem Musiktheater nicht Halt. Als "Tango Operita" bezeichnete er María de Buenos Aires, die er 1968 in enger Zusammenarbeit mit dem Dichter und Librettisten Horacio Ferrer komponierte.

Szenenfoto

María de Buenos Aires (Luciana Mancini)

Der Text von Ferrer ist Poesie total - was in der Umkehrung auch bedeutet, dass ihm jede Dramatik fehlt, was für ein Werk für das Theater naturgemäß nicht unproblematisch ist. In der konzertanten Aufführungsserie im Bonner Opernhaus wird die wörtliche Übersetzung per Übertitel eingeblendet, was in den ersten 15 Reihen vor allem zu Nackenschmerzen, weniger zu Erkenntnisgewinn führt: Aus der bildmächtigen Sprache lässt sich kaum so etwas wie Inhalt oder Handlung ableiten. Ganz grob geht es darum, dass allerlei Geister María - oder deren Schatten - heraufbeschwören. Dabei streift die geheimnisvolle Titelfigur die Welt der Vorstädte, Kneipen und sogar kurz einmal die der Psychoanalyse. Wie gesagt - nachvollziehen lässt sich das anhand der Übertitel bestenfalls vage. sodass diese selbst bei dieser konzertanten Aufführung keine wirklich überzeugende Lösung darstellen. Zumal die Aufführung durchaus allerlei zum Sehen bietet, denn puristisch konzertant ist sie auch nicht: Eine moderne Sitzecke aus Kunstleder am Rand der Bühne gibt den drei Darstellern einen lässigen Erzählrahmen, der sich atmosphärisch deutlich von einer Konzertsituation unterscheidet. Und hinter dem Orchester, das zentral auf der Bühner sitzt, werden großformatige Fotos eingeblendet, Großaufnahmen von Händen oder Füßen, (Stadt-)Landschaftsfragmente - meist wenig konkret, aber ein visueller Rahmen.

Szenenfoto

El Duende (Daniel Bonilla-Torres), im Hintergrund María

Auch die drei Darsteller agieren keineswegs konzertant. Vor allem Daniel Bonilla-Torres ist auch szenisch ein Ereignis: Als "El Duende", der "Geist", sind in ihm alle Sprechpartien zusammengefasst, und gesprochen wird dieser eminent musikalische Text (da liegen die Qualitäten des Librettos) immer zur Musik im Stil eines Melodrams. Bonilla Torres hat sich quasi personifiziert mit dieser Partie, hat sie an diversen Häusern gespielt und spricht das mit einem unglaublichen Spektrum an Nuancen. Dazu agiert der ältere Herr mit grauweißen, nach hinten markant zum Zopf gebundenen Haaren und rotem Schal, eine Hand meist lässig in der Hosentasche, mit großer Eleganz, unterstreicht seine Worte mit kleinen und großen Gesten - eine ausgesprochen charismatische Erscheinung, der man gerne zusieht und in der sich zeigt, dass gutes Theater viel weniger von der Kulisse als von der Ausstrahlung der Darsteller lebt. Leider lenken die endlos langen Übertitel immer wieder von ihm ab.

Szenenfoto

Tänzer gibt es nur angedeutet: Beethoven Orchester vor Schattenriss

So bühnenbeherrschend dieser Duende ist, so wenig greifbar ist die María, die mal hier, mal dort erscheint, ein flüchtiges Phantom. Luciana Mancini, schwedische Mezzosopranistin mit chilenischen Wurzeln, zeigt in der Zugabe (eine Wiederholung von "Yo soy María", der vermutlich bekanntesten Arie der Oper), wie sie mit Körpersprache das Publikum in ihren Bann ziehen kann - während der Aufführung setzt sie solche Mittel sparsam ein. Mit ihrem dunklen, etwas rauchigen Mezzo trifft sie den Charakter der Musik ausgezeichnet, nicht vordergründig "schön", sondern geheimnisvoll und mit dunkler Kraft. Kaum glaublich, dass sie bisher auf das traditionelle Opernfach (bevorzugt barock) spezialisiert war; sie singt und agiert, als habe sie schon immer nur Tango und Verwandtes im Sinn gehabt. Dagegen hat es Johannes Mertes schwer, obgleich er mit eingedunkelter Stimme - im Charakter beinahe mehr hoher (aber absolut höhensicherer) Bariton als Tenor - die männlichen Gesangspartien mit viel Stilgefühl singt, keineswegs brav oder akademisch, aber in Piazzollas Programm der Verschmelzung von europäischer Kunstmusik und Tango-Liberalität schreibt ihm den eher "klassischen" Part zu, und die Regie, auch wenn sie offiziell nicht vorhanden ist, schreibt ihm diese Rolle zu, also bei allem Wohlklang eine Spur weniger exotisch als die Partie der María. Mertes fügt sich - und zeigt in manchem Detail die Bandbreite, über die er verfügt.

Szenenfoto

Ganz wichtig: Das Bandoneon (gespielt von Lothar Hensel)

Die Durchdringung von Kunstmusik und Tango zeigt sich natürlich auch im Orchestersatz, und unter der Leitung von Christoph Sprenger spielen die Musiker des Beethoven Orchesters ausgesprochen variabel: Großformatig genug, um den geforderten symphonischen Sound (der nie zum Kitsch abgleitet) zu liefern, transparent und kratzbürstig genug, um auch die antibürgerliche - und in Piazzollas Interpretation: moderne - Seite des Tangos hörbar zu machen. Der Spagat gelingt gut, hier spielt weder ein klassisches Orchester noch eine bessere Band, sondern ein Ensemble ganz eigener Prägung mit hervorragenden Solisten - und natürlich dem unverzichtbaren Bandoneon (Lothar Hensel) als charakteristischer Klangfarbe. Der heftige Beifall nach dieser Repertoirevorstellung (Premiere war bereits am Neujahrstag) zeigt, dass die Musik trotz der fehlenden dramatischen Komponente beim Publikum ankommt. Das hat man auch an anderer Stelle bemerkt: Deutschlandradio Kultur hat die hier besprochene Aufführung mitgeschnitten (sowie die am 8.4.), ausgestrahlt wird der Mitschnitt am 14.5.2016 um 19 Uhr.


FAZIT

Dem untheatralischen, jeden dramatischen Konflikt aussparenden poetisiernden Textbuch zum Trotz darf sich die als "konzertant" angekündigte Aufführung mindestens "halbszenisch" fühlen - und mit ihrem eleganten Erzählgestus und einem couragierten Ensemble wird sie zu einem hörens- und auch sehenswerten Ereignis.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Christoph Sprenger

Licht
Friedel Grass
Max Karbe


Bandoneon
Lothar Hensel

Flöte
Mariska van der Sande

Gitarre
Christian Kiefer

Klavier
Thomas Wise

Solo-Violine
Mikhail Ovrutsky

Solo-Cello
Grigory Alumyan

Kontrabass
Róbert Grondzel

Beethoven Orchester Bonn


Solisten

El Duende
Daniel Bonilla-Torres

María
Luciana Mancini

Cantor
Johannes Mertes



Weitere
Informationen

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Theater Bonn
(Homepage)



Da capo al Fine

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