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Die Gärtnerin aus Liebe (La finta giardiniera)

Dramma giocoso in drei Akten
Libretto von Giuseppe Petrosellini
Musik von Wolfgang Amadeus Mozart

in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3h (eine Pause)

Premiere im Opernhaus Wuppertal am 14. Januar 2012


Logo: Wuppertaler Bühnen

Wuppertaler Bühnen
(Homepage)
Nichts ist, wie es scheint


Von Thomas Molke / Fotos von Uwe Stratmann

Wenn bei der Musiktheaterdichte in Nordrhein-Westfalen in einer Spielzeit an mehreren Häusern die gleiche Oper Premiere erlebt, mag das Zufall sein, da zum einen Absprachen zur Spielplangestaltung zwischen den einzelnen Bühnen nicht in ausreichender Form stattfinden oder zum andern gängige Stücke des Repertoires wie zum Beispiel Wagners fliegender Holländer sowohl in Wuppertal als auch in Dortmund ein Garant für hohe Platzauslastung sind. So hat man in Wuppertal wegen des großen Erfolgs der Inszenierung (siehe auch unsere Rezension) noch drei weitere Aufführungen im Juni und Juli ins Programm genommen. Bei einem eher unbekannten Werk Mozarts darf man aber vielleicht doch die Frage stellen, ob es sinnvoll ist, dieses Stück zwei Monate nach der Premiere an der Oper Bonn in Wuppertal Premiere feiern zu lassen. Zu einem ausverkauften Haus führte diese Entscheidung jedenfalls nicht.

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Anfangsbild: Alle besingen die Liebe: von links: Ramiro (Susanne Blattert), Nardo (Miljan Milović), Don Anchise (Boris Leisenheimer), Violante (Banu Böke), Belfiore (Christian Sturm) und Serpetta (Julia Klein).

Dass die finta giardiniera nicht zu Mozarts Meisterwerken zählt, wird häufig dem recht verworrenen Libretto angelastet, in dem Petrosellini die Verwicklungen übertreibt. Der Graf Belfiore glaubt, in einer tätlichen Auseinandersetzung seine Verlobte, die Marchesa Violante, getötet zu haben und ist geflohen. Violante hat sich mit ihrem Diener beim Bürgermeister Don Anchise als Gärtnerin unter dem Namen Sandrina engagieren lassen und hofft, auf diesem Weg ihren Verlobten wiederzufinden. Dabei verlieben sich Don Anchise in Violante / Sandrina und ihr Diener Nardo in das Dienstmädchen Serpetta, die wiederum eifersüchtig auf Sandrina ist, weil sie fürchtet, dass diese ihr den Herrn des Hauses ausspannen will. Als dann auch noch die Nichte des Bürgermeisters, Arminda, verfolgt von ihrem ehemaligen Geliebten Ramiro auftaucht, um in Don Anchises Haus mit dem Grafen Belfiore vermählt zu werden, werden die Verwicklungen auf die Spitze getrieben. Nachdem sich bei einem nächtlichen Verwirrspiel der Graf mit Serpetta und der Bürgermeister mit seiner Nichte vergnügt haben, gibt sich Violante schließlich als Marchesa zu erkennen. So findet am Ende der Graf seine tot geglaubte Verlobte wieder, kehrt Arminda doch zu dem sie anschmachtenden Ramiro zurück und ist auch Serpetta bereit, Nardo zu erhören. Nur Don Anchise bleibt allein zurück.

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So sollte die Paarzusammensetzung am Ende sein: Nardo (Miljan Milović, links) und Serpetta (Julia Klein, rechts) präsentieren: von vorne nach hinten: Violante (Banu Böke) mit Don Anchise (Boris Leisenheimer), Arminda (Arantza Ezenarro) mit Belfiore (Christian Sturm) und Ramiro (Susanne Blattert) allein.

Tilmann Hecker versucht, die ans Absurde grenzende Handlung in surrealen Bildern umzusetzen. So bleibt auch das von Moritz Nitsche konzipierte Bühnenbild, das aus einer ausladenden weißen Treppe mit rotem Teppich, einer hohen weißen Flügeltür, einem weißen Kamin und diversen Sofas und Stühlen besteht, die an ein altes englisches Schloss erinnern, nicht an ihrem Platz, sondern schwebt wie von Geisterhand bewegt durch den Raum. Auch die Figuren bewegen sich teilweise wie in Trance über die Bühne, wobei die Motivation für manche Bewegungen auf den ersten Blick nicht klar wird. Ab der Mitte des ersten Aktes wird jedoch hinter der Szene eine Leinwand herabgefahren, auf der versetzt der Beginn des Stückes noch einmal projiziert wird. Vergangenheit und Gegenwart fließen quasi ineinander und plötzlich ergeben einige zu Beginn unverständliche Regieeinfälle Sinn. Wenn der als Gärtnerin getarnten Marchesa im ersten Akt klar wird, dass Arminda den Grafen heiraten soll, legt sie ihr schwarzes Dienstbotenkostüm ab und wirkt in ihrem weißen Kleid wie ein Geist. Arminda erschießt sie, wenn der Graf auftritt. Das soll wohl die erste Rückblende sein, da der Graf in Sandrina die Marchesa zu erkennen glaubt, die er ja selbst vermeintlich erschossen hat. Wenn Arminda im zweiten Akt Sandrina an einem dunklen Ort foltert, wird auf der Leinwand genau die Szene des ersten Aktes eingeblendet, in der Arminda die Widersacherin erschießt. Spätestens an dieser Stelle erkennt man, mit welcher punktuellen Genauigkeit verschiedene Szenen des Stückes übereinander gelegt werden und ästhetisch beeindruckende Bilder erzeugen.

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Aber alles kommt anders, als Belfiore (Christian Sturm, Mitte) auf Violante (Banu Böke, Mitte) trifft (links: Arminda (Arantza Ezenarro) und Ramiro (Susanne Blattert), rechts auf der Leiter: Serpetta (Julia Klein), Don Anchise (Boris Leisenheimer) und Nardo (Miljan Milović)).

Allerdings erschließen sich auf diesem Weg nicht alle Regieeinfälle. Völlig unklar bleibt zum Beispiel, warum der Graf in der Mitte des ersten Aktes Serpetta mit einem Messer die Kehle durchschneidet. Soll das seine Erinnerung an seinen tätlichen Angriff auf Violante sein? Auch nicht nachvollziehbar ist, wieso Nardo mehrmals in einer Kutte als Priester den Raum betritt, zumal er dieses Kostüm dann beim letzten Auftritt auf der Bühne ablegt. Auch die Lichteinstellungen von Henning Priemer mit diversen unverständlichen Blacks wirken bisweilen etwas unmotiviert, auch wenn er an anderen Stellen mit dem Wechsel zwischen verschwommenem Licht und kalten Strukturen eine gewisse Schauerromantik hervorruft, die wie die opulenten Kostüme von Lisa Kentner Assoziationen zum Film noir wecken. Vielleicht hat sich das Regieteam an diesen Stellen von einem Ausspruch David Lynchs leiten lassen, der auch im Programmheft abgedruckt ist: "Ich weiß nicht, warum die Menschen erwarten, dass Kunst Sinn ergibt. Sie akzeptieren doch auch die Tatsache, dass gewisse Dinge im Leben keinen Sinn haben."

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Belfiore (Christian Sturm) und Violante (Banu Böke) finden wieder zueinander. Das gefällt Arminda (Arantza Ezenarro, hinten) überhaupt nicht (im Hintergrund: Ramiro (Susanne Blattert) und Don Anchise (Boris Leisenheimer)).

Dass Tilmann Hecker dem glücklichen Ende misstraut, macht er dadurch deutlich, dass er die gefundenen Paare zwar nebeneinander aufstellt, aber relativ teilnahmslos an der Rampe singen lässt. So gibt es weder eine Verbindung zwischen Nardo und Serpetta, noch zwischen Ramiro und Arminda, zwischen denen sogar noch Don Anchise steht. Einzig Violante und dem Grafen gönnt er eine gewisse Innigkeit, die aber im Finale dadurch aufgehoben wird, dass der Graf wie beim Eingangsbild zum Revolver greift. Wird er beim nächsten Eifersuchtsstreit erneut auf seine Geliebte schießen? Auch das Bühnenbild ist am Ende wieder in den Zustand des Anfangs gebracht. Hat man sich also nur im Kreis gedreht und ist eigentlich keinen Schritt weitergekommen? So wirft die Inszenierung bei aller Schönheit einzelner Bilder doch zahlreiche Fragen auf, so dass sich am Ende beim Regieteam Zustimmung und Ablehnung im Publikum die Waage halten.

Florian Frannek führt das Sinfonieorchester Wuppertal zielsicher durch die Partitur und lässt somit einen scheinbar leichten Mozartklang aus dem Orchestergraben ertönen. Banu Böke gefällt in der Titelpartie darstellerisch und stimmlich mit warmem Sopran. Christian Sturm stattet den Grafen mit sicher geführtem Tenor aus. Nur am Ende muss er mit den Kräften etwas haushalten. Dennoch macht er deutlich, dass die Wuppertaler Bühnen in ihm einen viel versprechenden Mozartinterpreten am Haus haben, der sein Repertoire in diesem Bereich sicherlich noch erweitern und weiterentwickeln wird. Miljan Milović setzt als Diener Nardo vor allem komödiantische Akzente. Neben den Ensemblemitgliedern wissen auch die Gastsolisten zu überzeugen. Susanne Blattert stattet wie auch an der Oper Bonn den verschmähten Ramiro mit wohl-timbriertem Mezzo aus und gibt den abgewiesenen Liebhaber auch darstellerisch überzeugend. Wieso sie allerdings mit einem Tennisschläger über die Bühne laufen muss, bleibt unklar. Julia Klein lässt als vorwitzige Serpetta mit hellem Sopran aufhorchen. Arantza Ezenarro begeistert mit dramatischem Sopran als etwas zickige Arminda und spielt die Gefährlichkeit dieser Figur glaubhaft aus. So gibt es für die Solisten und das Orchester am Ende verdienten Applaus.


FAZIT

Der ganz große Wurf ist diese Inszenierung zwar nicht, die wunderbaren Arien und die musikalische Umsetzung machen einen Besuch aber auch in Wuppertal empfehlenswert, zumindest für Mozart-Fans.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Florian Frannek

Inszenierung
Tilmann Hecker

Bühne
Moritz Nitsche

Kostüme
Lisa Kentner

Licht
Henning Priemer

Dramaturgie
Johannes Blum

 

Sinfonieorchester Wuppertal


Solisten

*Premierenbesetzung

Don Anchise, Podestà von Lagonero
Boris Leisenheimer

Marchesa Violante Onesti (Sandrina)
Banu Böke

Conte Belfiore
Christian Sturm

Arminda, Nichte des Podestà
Arantza Ezenarro

Ramiro, Ritter
*Susanne Blattert /
Hanna Larissa Naujoks

Serpetta, Wirtschafterin des Podestà
Julia Klein

Roberto, Diener der Marchesa (Nardo)
Olaf Haye /
*Miljan Milovi
ć


Weitere Informationen
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