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Der fliegende Holländer

Romantische Oper in drei Aufzügen
Libretto und Musik von Richard Wagner

in deutscher Sprache

Aufführungsdauer: ca. 2h 25' (keine Pause)

Premiere im Opernhaus Wuppertal am 18. September 2011


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Wuppertaler Bühnen
(Homepage)
Wer erlöst hier wen?


Von Thomas Molke / Fotos von Uwe Stratmann

Zweieinhalb Jahre ist es her, dass der damals scheidende Intendant Gerd Leo Kuck dem Wuppertaler Publikum gewissermaßen zum Abschied eine Tristan-Inszenierung schenkte, die nicht nur überregional große Begeisterung hervorrief, sondern auch das Publikum mit großem Stolz erfüllte, dass die Wuppertaler Oper nach so vielen Jahren ohne Wagner einen solchen Brocken mit hochkarätigen Solisten und einer überzeugenden Deutung stemmen konnte. Großes Bedauern hatte man lediglich darüber geäußert, dass diese Inszenierung nach nur wenigen Aufführungen aus Kostengründen wieder vom Spielplan verschwinden musste. Nun hat es Opernintendant Johannes Weigand in seiner dritten Spielzeit mit dem fliegenden Holländer geschafft, das Wuppertaler Bedürfnis nach Wagner erneut zu befriedigen. Und dieses Mal stehen nicht nur mehr Vorstellungen auf dem Programm als damals beim Tristan. Auch die Titelpartie kann mit Kay Stiefermann als Ensemblemitglied besetzt werden, worauf die Wuppertaler ganz besonders stolz sein dürften. Und nach dem Premierenabend darf gemutmaßt werden, dass diese Inszenierung eine ähnliche Euphorie auslösen dürfte wie Kucks Tristan.

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Der Holländer (Kay Stiefermann) sehnt sich nach einem Engel, der ihn erlöst.

Dabei verzichtet das Regieteam um Jacob Peters-Messer größtenteils auf ein Bühnenbild und vertraut mit einer sehr ausgeklügelten Lichtregie auf die Vorstellungskraft des Publikums. So reichen im ersten Aufzug ein paar Taue, die aus dem Schnürboden herabhängen, um zu demonstrieren, wie Dalands Mannschaft das vom Sturm auf dem Meer gepeitschte Schiff in einer Bucht kurz vor dem Heimathafen an Land ziehen. Das Schiff des Holländers wird durch sechs leicht gewölbte Scheinwerferleisten dargestellt, die die Form eines Segels suggerieren. Das weiße Licht dieser Scheinwerfer auf der sonst recht dunkel gehaltenen Bühne wirkt gespenstisch. Im zweiten Aufzug sind diese Leisten in die Neonröhren der Deckenbeleuchtung in der Stube integriert, in der die jungen Mädchen, hier an weißen Hochzeitskleidern nähend, auf die Rückkehr der Seemänner warten. Neben der Zweckmäßigkeit dieser Konstruktion mag aber auch Sentas Obsession durch den Holländer damit ausgedrückt werden. Im dritten Aufzug strahlt dieses Segel mit gleißendem Licht in den Zuschauersaal, um zum einen den Aufbruch des Holländers anzudeuten und zum anderen Sentas Opferung zu versinnbildlichen, indem sie sich durch das gleißende Licht ins Meer stürzt.

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Senta (Allison Oakes, links) fühlt sich von Mary (Miriam Ritter, rechts) und der Dorfgemeinschaft (Chor) eingeengt.

In den dunklen Bühnenboden, der leicht angeschrägt nach oben verläuft, ist auf der rechten Seite eine große rechteckige weiße Platte eingelassen, die durch eine darunter angebrachte Lichtquelle hell erstrahlen kann. Dieser Platte kommt zum ersten Mal im ersten Aufzug eine Bedeutung zu, wenn der Holländer seine Hoffnung auf einen Engel besingt, der ihn aus seiner Qual erlösen kann. Diesen Engel scheint er in der weißen Platte zu sehen. Im zweiten Aufzug ersetzt diese Platte das Gemälde, das in Senta die romantische Fantasie weckt, dieser Engel für den Holländer zu sein. Sehr eindrucksvoll gestaltet Jacob Peters-Messer die Szene im zweiten Aufzug, wenn Senta träumend mit dem Gesicht auf dieser weißen Platte liegt und plötzlich der Holländer leibhaftig hinter ihr steht. Um Liebe geht es in dieser Inszenierung aber weder dem Holländer noch Senta. Das macht Peters-Messer im zweiten Aufzug sehr deutlich, wenn er die beiden aus relativ großer Distanz singen lässt. Dabei stehen sie auch in getrennten Lichtkegeln und schauen sich nicht an. Der Holländer will Senta nur benutzen, um endlich seine Erlösung zu finden. Und Senta? Sie sucht ebenfalls Befreiung und zwar von ihrem Vater und den einengenden Konventionen des Dorfes. Daraus kann sie nur der Holländer befreien. Vielleicht stellt sie auch deshalb bei ihrem Treueschwur auf einem Hocker ein Kreuz dar, an dem der Holländer wie der Erlöser zu hängen scheint. Doch wer hier im eigentlichen Sinne wen erlöst, bleibt diskutabel.

Eine eindeutige Position bezieht Peters-Messer in seinem Schlussbild. Nachdem sich Senta für den Holländer geopfert hat und das Segel des Holländerschiffes in den Schnürboden entschwebt, sieht man vor dem im weißen Nebel aufschäumenden Meer den Holländer und Senta langsam zu den letzten Klängen der Musik aufeinander zugehen. Auch im Jenseits gesteht Peters-Messer - im Gegensatz zur Musik - den beiden noch keine Zusammengehörigkeit zu, aber vielleicht finden sie einen Weg, sich aneinander anzunähern. Immerhin schauen sie sich jetzt an, was sie vorher nicht getan haben. Von daher lässt das Schlussbild doch die Hoffnung, dass die beiden irgendwann zueinander finden werden, auch wenn sie beim letzten Ton der Musik noch recht weit voneinander entfernt sind.

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Daland (Michael Tews, Mitte) verschachert seine Tochter Senta (Allison Oakes) an den Holländer (Kay Stiefermann, links).

Die Kostüme von Sven Bindseil sind sehr dunkel gehalten. Mary und die Mädchen des Dorfes tragen schwarze Kleider im Stil der Entstehungszeit der Oper. Auch Daland und die Matrosen sind recht klassisch kostümiert. Senta unterscheidet sich von den anderen Frauen eigentlich nur durch die Haare. Im zweiten Aufzug trägt sie lange rote Zöpfe, was ihre mädchenhafte Naivität unterstreicht. Im dritten Aufzug hat sie die roten Haare geöffnet. Dennoch trägt sie trotz der bevorstehenden Hochzeit mit dem Holländer immer noch ein schwarzes Kleid. Auch hierdurch wird die Düsterkeit der Beziehung unterstrichen. Der Holländer wirkt mit seinem Tattoo auf der Schläfe und seinem Irokesenschnitt wie eine Figur aus einem Anime-Film. Das Diabolische geht ihm dabei verloren, vielmehr wirkt er wie ein tragischer gebrochener Held. Anders seine Mannschaft, die als maskierte schwarze Zombies bisweilen schon einmal versuchen, sich mit einer Pistole zu erschießen, aber den Tod nicht finden können und immer wieder zum Leben erwachen, wenn der Holländer sie mit seiner Pfeife ruft.

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Der Holländer (Kay Stiefermann, rechts) zweifelt an Sentas (Allison Oakes) Treue (hinten rechts: Erik (Johan Weigel)).

Musiziert und gesungen wird auf recht hohem Niveau. Das Sinfonieorchester Wuppertal lässt unter der Leitung von Hilary Griffiths mit großem Gespür für Dramatik die Ouvertüre sehr flott und sicher aus dem Orchestergraben erschallen und überzeugt auch im weiteren Verlauf, wenn auch mit bisweilen recht eigenwilligen Tempi. Dabei werden die Sänger niemals überdeckt. Christian Sturm begeistert mit sehr lyrischem Tenor und hervorragender Textverständlichkeit als Steuermann bei seiner Auftrittsarie "Mit Gewitter und Sturm aus fernem Meer" und singt die Höhen sehr klangschön aus. Wenn sich zum Ende seiner Arie mit den langsam aufleuchtenden Scheinwerfern das Gespensterschiff des Holländers nähert, erzeugt dieses Zusammenspiel von wunderschönem Gesang und Bedrohung eine Gänsehaut. Auch Miriam Richter überzeugt als Mary mit sehr klarer Diktion und sauberer Stimmführung. Michael Tews wirkt mit seinem profunden Bass als Daland schon fast diabolischer als der Holländer. So ist es kein Wunder, dass sich Senta von ihm befreien möchte. Tews gelingt stimmlich und darstellerisch ein ausgezeichnetes Rollenportrait. Allison Oakes verfügt als Senta mit sehr dramatischem Sopran über enorme Kraftreserven. Allerdings ist sie vor allem in den Höhen nicht ganz so textverständlich wie die anderen Solisten und neigt dazu, in den Spitzentönen ein wenig zu schreien. Johan Weigel kann als Erik bei dem hohen Niveau der übrigen Solisten leider nicht ganz mithalten. Zwar verfügt er über eine sehr klare Diktion, aber seine Stimme klingt besonders in den Höhen sehr belegt, so dass seine Charakterzeichnung recht blass bleibt.

Ein ganz großes Lob ist dem von Jens Bingert einstudierten Chor der Wuppertaler Bühnen auszusprechen, der um den Extrachor und Studierende der Hochschule für Musik verstärkt ist und mit großer Spielfreude und Homogenität im Klang überzeugt. Besonders eindrucksvoll gelingt der Beginn des dritten Aufzuges, wenn der komplette Chor an der Rampe steht und Richtung Zuschauerraum das Geisterschiff aus seinem Schlaf reißen will. Schade ist nur, dass die Reaktion der Holländer-Mannschaft daraufhin nur vom Band eingespielt wird. Auch die im Bühnenhintergrund auftretenden Statisten vermögen es nicht, die Bedrohung und das Entsetzen der Dorfgemeinschaft, das von diesem Erwachen ausgehen soll, glaubhaft zu machen. Hier hätte man vielleicht von der Chormasse einen Teil für den Holländerchor abtrennen sollen. Star des Abends bleibt Kay Stiefermann, der den Holländer mit großartiger Textverständlichkeit und kräftigem Bariton interpretiert. Die Wuppertaler können sich glücklich schätzen, einen auch darstellerisch absolut überzeugenden Holländer im Ensemble zu haben. So gab es am Ende lang anhaltenden und verdienten Applaus für alle Beteiligten.


FAZIT

Die Wuppertaler Bühnen eröffnen die Spielzeit mit einem Paukenschlag. Diese Inszenierung dürfte auch überregionales Interesse wecken.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Hilary Griffiths

Inszenierung
Jacob Peters-Messer

Bühne und Lichtdesign
Guido Petzold

Kostüme
Sven Bindseil

Beleuchtungseinrichtung
Fredy Deisenroth

Choreinstudierung
Jens Bingert

Dramaturgie
Johannes Blum

 

Chor und Extrachor der
Wuppertaler Bühnen

Statisterie der
Wuppertaler Bühnen

Studierende der Hochschule
für Musik und Tanz Köln,
Standort Wuppertal

Sinfonieorchester Wuppertal


Solisten

*Besetzung der Premiere

Daland, ein norwegischer Seefahrer
Michael Tews

Senta, seine Tochter
Allison Oakes

Erik, ein Jäger
Johan Weigel

Mary, Sentas Amme
Joslyn Rechter / *Miriam Ritter

Der Steuermann Dalands
Boris Leisenheimer /
*Christian Sturm

Der Holländer
Kay Stiefermann


Weitere Informationen
erhalten Sie von den
Wuppertaler Bühnen
(Homepage)



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