Veranstaltungen & Kritiken Musiktheater |
|
|
Im FitnesswahnVon Stefan Schmöe / Fotos von Thilo Beu
Handelseinig: Nemorino (Tansel Akzeybek, r.) mit Liebestrank und Dulcamara (Martin Tzonev)
Im Wellness-Hotel trainieren sich die Gäste überflüssige Pfunde ab, darunter die vom Hausmeister Nemorino umschwärmte Adina. Belcore ist kein Soldat, sondern Kapitän eines Kreuzfahrtschiffes, und Doktor Dulcamara verkauft Trainingsbänder und vermeintliche Heilwässerchen und führt offenbar auch Schönheitsoperationen durch. Die Geschichte des Bonner Liebestranks ist schnell erzählt, sie funktioniert ganz ordentlich und übersetzt die Geschichte leidlich plausibel in die Gegenwart. Die Regie von Vera Nemirova könnte sicher noch ein paar zielsicherere Pointen vertragen; dass ein fast identisches Regiekonzept bis vor ein paar Wochen in Kassel und Wuppertal zu sehen war (Regie dort Volker Schmalöer, unsere Rezension), darf man der Inszenierung dagegen nachsehen. Hier wie dort zeigt das Konzept da seine Schwächen, wo sich die Oper auf dem schmalen Grat zwischen Komödie und Tragödie bewegt. Donizettis komische Oper erzählt das Märchen vom Underdog, der seine Traumfrau aus viel höheren sozialen Schichten bekommt, aber auch in Bonn interessiert sich die Regisseurin nicht dafür, dass dies beinahe scheitert. Da bleibt die Regie auf der Ebene des Schwanks, obwohl die Musik von mehr spricht. Heikles Beziehungsgeflecht: Belcore (Giorgios Kanaris) flirtet heftig mit Adina (Sigrún Pálmadóttir), Nemorino schaut betreten zu.
Nun wäre eine brillante Musikkomödie ja nicht das schlechteste, wenn die Brillanz denn wirklich gegeben wäre. Vielleicht muss sich manches auf der Bonner Bühne erst noch einspielen; in der Premiere hakt es an manchen Stellen. Dem Dirigat von Christopher Sprenger fehlen entschieden Esprit und Leichtigkeit, oft wird die Musik buchstabiert, viele Details wirken unsicher. Orchester und Bühne sind häufig auseinander (was freilich auch an den teilweise rhythmisch sehr ungenauen Sängern liegt, und auch der klangschöne Chor verheddert sich mehrfach im Tempo). So schön das Orchester in manchen lyrischen Passagen klingt, so wacklig wirken viele Übergänge, wenn das Tempo anzieht. Eigentlich müsste gerade bei einer so auf den Witz zielenden Inszenierung die Musik ein Feuerwerk abbrennen, aber die kann viel mehr an den (von der Inszenierung weitgehend getilgten) melancholischen Abschnitten punkten. Nemorino, auf die Palme gebracht
Obwohl Sigrún Pálmadottir im Badeanzug durchaus bella figura abgibt, fehlt ihr als Adina im ersten Akt die notwendige Bühnenpräsenz wo sie Souveränität, ja Überlegenheit ausstrahlen sollte, zieht sie die Schultern ein. Das gilt übertragen auch für den Gesang. Die instrumental geführte Stimme hat einen leuchtenden, leicht entrückten Klang (manchmal wie von einer Glasharmonika), das langsam einschwingende Vibrato gefährdet allerdings oft die Intonation. In den lyrischen Abschnitten leuchtet die Stimme groß auf, die Koloraturen im ersten Akt sind aber regelmäßig verschmiert, die kurzen Notenwerte verhaspelt. Ob es das elegante Brautkleid des zweiten Aktes ist, das der Sängerin Sicherheit verleiht? Jedenfalls wirkt sie damit ungleich präsenter, szenisch wie musikalisch, und auch der elegischere Tonfall der Musik kommt ihr hier entgegen. Das hat schöne Momente; an den zupackenden Auftritt von Elena Fink zuletzt in Wuppertal (die eine deutlich kleinere Stimme hat) kommt sie gerade unter dem Aspekt des Komödiantischen nicht heran. Beinahe-Hochzeit: Adina, hier mit Dulcamara
Als Nemorino überzeugt Tansel Akzeybek mit zwar sehr leichtem, aber schön ausgesungenem Spieltenor. Als charmanter Lockenkopf gibt er den unglücklichen und auch tollpatschigen Liebhaber überzeugend. Giorgios Kanaris ist ein äußerlich eleganter (in dieser Inszenierung keineswegs übermäßig blasierter) Belcore, stimmlich solide, aber auch nicht mehr. Martin Tzonev verschenkt als Dulcamara seine große Auftrittsarie durch völlig freie Wahl des Tempos, das wenig mit den Vorgaben des Dirigenten gemein hat, auch hat man den Sänger schon klanglich präsenter gehört mit dem Parlando-Ton verliert die in anderen Partien große Stimme einiges an Wirkung. Und auch Susanne Blattert bleibt als Gianetta, hier als Animateurin für die Fitness der Hotelgäste zuständig, ziemlich unscheinbar. Das ist alles nicht ganz schlecht, kommt über brave Durchschnittskost aber auch nicht hinaus.
Von einigen Anlaufschwierigkeiten abgesehen nicht weniger, aber auch nicht mehr als nettes Unterhaltungstheater. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Bühne und Kostüme
Licht
Chorleitung
Dramaturgie
Solisten* Besetzung der Premiere
Adina
Nemorino
Belcore
Dulcamara
Giannetta
|
© 2010 - Online Musik Magazin
http://www.omm.de
E-Mail: oper@omm.de