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Ein großartiges Musikdrama
Von Gerhard Menzel
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Fotos von Eduard Straub Der im Oktober 2001 mit L´Orfeo so eindrucksvoll begonnene Monteverdi-Zyklus an der Deutschen Oper am Rhein findet nun mit Il ritorno d'Ulisse in Patria eine beachtenswerte Fortsetzung. Prolog: Tempo (Sami Luttinen), Amore (Sylvia Hamvasi) und Fortuna (Anna Gabler) demonstriern die Zerbrechlichkeit und Vergänglichkeit des Menschen (Tassis Christoyannis).
Klangbeispiel:
Tassis Christoyannis (L'Humana fragilità),
Wie schon im Orfeo gelingt es Regisseur Christoph Loy hervorragend, die ganze Aufmerksamkeit des Publikums auf die Protagonisten zu lenken und so spannungsreiche Konstellationen und Szenenkomplexe zu schaffen. Dabei wertet er die Rollen der (in weiße Anzüge, bzw. Kostüme gewandeten) Götter erheblich auf, die hier z. B. als Gentleman (Jupiter: Barmherzigkeit schafft Verehrung) und Maffiosi (Neptun: Vergehen müssen bestraft werden) auftreten. Loy nimmt den Text von Giacomo Badoaro wirklich ernst und arbeitet dessen zeitlose Aktualität sehr deutlich heraus. Die aussagekräftigen Kostüme von Michaela Barth und der schlichte, weiße, mit nur wenigen Requisiten auskommende Bühnenraum von Dirk Becker verstärken maßgeblich die Konzentration auf das Wesentliche. Minerva (Mariselle Martinez) hat Ulisse (Tassis Christoyannis) geraten, sich als alter Bettler zu verkleiden um zunächst unerkannt seine Rückkehr vorzubereiten. Juno (Anna Gabler) und Amore (Sylvia Hamvasi) bringen seine Schätze inzwischen in Sicherheit.
Klangbeispiel:
Mariselle Martinez (Minerva).
Ulisse vertraut sich selber, aber vor allem auch dem Wirken und Wohlwollen der Götter (Der Himmel hilft dem Menschen immer in seiner Not). Minerva nimmt sich seiner an und führt die Heimkehr des Helden - nach der Beseitigung der lästigen Freier um Penelope - schließlich auch zu einem guten Ende. Dieses zögert sich allerdings um einiges heraus, da die treue Penelope während Ulisses zwanzigjähriger Abwesenheit sehr skeptisch geworden ist und in der Ungewissheit um seiner Verbleib zwischen Abfinden mit der Trauer um den Verlust ihres Gatten und der immer wieder ausbrechenden Verzweiflung darüber schwankt. Letztendlich bedeutet das Ende aber für beide einen neuen Anfang. Minerva (Mariselle Martinez) holt Ulisses Sohn Telemaco (Norbert Ernst) zurück nach Ithaka.
Im Gegensatz zum Orfeo ist die Besetzung im Ulisse mit 16 Solisten sehr umfangreich. Trotzdem gelang es auch dieses Mal, alle Partien rollendeckend zu besetzen. Neben vielen "Bekannten" aus dem Orfeo, überraschen vor allem die Protagonisten positiv, die man eigentlich aus dem "klassisch-romantischen" Opernrepertoire kennt. Klangbeispiel: Marta Marquez (Penelope).(MP3-Datei)
Neben der bekannt vielseitigen und anrührenden Marta Marquez als Penelope ist dieses vor allem der griechische Bariton Tassis Christoyannis in der Titelpartie des Ulisse, der an der Deutschen Oper am Rhein vor allem durch die Partien des Posa, Enrico, Germont, Silvio und Dandini auf sich aufmerksam machte. Eine phantastische Darstellung der Minerva gelingt Mariselle Martinez. Die chilenische Mezzosopranistin, die das Publikum der Rheinoper zuletzt als Carmen begeisterte, demonstriert auch hier ihre hervorragenden stimmlichen und darstellerischen Fähigkeiten. Sami Luttinen mit seinem knorrig knurrenden Bass beeindruckt als Neptun und Tempo ebenso, wie Bruce Rankin als eleganter und voraussehender Jupiter, Sylvia Hamvasi als unberechenbarer Amor und Anna Gabler als Fortuna/Juno. Vervollständigt wird dieses Kaleidoskop der ausgefallensten Figuren durch Norbert Ernst als fürsorglicher Sohn Telemaco, Gwendolyn Killebrew als treue Ericlea, Ludwig Grabmeier als gutmütiger Eumete, Rolf Romei (Eurimaco) und Itziar Lesaka (Melanto) als liebesbesessenes, intrigierendes Pärchen und Robert Burt, der als schmarotzender Vielfraß Iro von den drei penetranten Verehrern Penelopes lebt: Martin Wölfel (Pisandro), Fernando Aguilera (Anfinomo) und Thorsten Grümbel (Antinoo). Penelope (Marta Marquez) wird von den drei Freiern Pisandro (Martin Wölfel), Antinoo (Thorsten Grümbel) und Anfinomo (Fernando Aguilera) bedrängt.
Während die Verantwortlichen für die Szene in diesem Monteverdi-Zykluss eine feste Konstante bilden, hat die musikalische Leitung nun Andreas Stoehr übernommen, der seit der Spielzeit 2001/02 als Erster Kapellmeister an der Rheinoper engagiert ist. Zusammen mit dem Ensemble NRW für Alte Musik, das in Zusammenarbeit mit der Neuen Düsseldorfer Hofmusik ein erlesenes Spezialisten-Ensemble auf historischen Instrumenten bildet, gestaltete er die Musik Monteverdis, farbenreich, spannungsvoll und mit einem guten Gespür für die Ausdeutung musikalischer Affekte. Die für diese Produktion von ihm angefertigte Instrumentation (der nur als Singstimmen und spärlich bezifferten Bass überlieferten Musik) bezieht neben einer sehr farbenreichen Continuogruppe auch allerlei Bläser und Schlagwerk mit ein, was historisch zwar gegen diese Aufführungspraxis spricht, aber die musikalische Struktur und Dramaturgie sehr deutlich und nachvollziehbar macht. Das "heutige" Publikum dürfte über diese klangliche Abwechslung allerdings sehr dankbar sein. Zusammen mit den herausragend singenden und darstellerisch äußerst motivierten Solisten, einer intelligenten Personenführung und einer szenisch konzentrierten Aufbereitung, wird die - zugegeben recht lange - Aufführung zu einem Musterbeispiel von eindrucksvollem Musiktheater der Extraklasse.
Nach dem verheißungsvollen Beginn des Monteverdi-Zyklusses mit L´Orfeo, setzt dieser Ulisse weitere Maßstäbe. Auf das Finale am 7. März 2004 mit L'incoronazione di Poppea darf man also gespannt sein. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Bühne
Kostüme
Licht
SolistenL´Humana fragilitá, UlisseTassis Christoyannis
Tempo, Nettuno
Fortuna, Giunone
Amore
Penelope
Telemaco
Eurimaco
Melanto
Ericlea
Giove
Minerva
Eumete
Pisandro
Anfinomo
Antinoo
Iro
* Mitglied des Opernstudios
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