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Musikfestspiele
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35. Händel-Festspiele
17.02.2012 - 26.02.2012

Dino und die Arche

Eine darwinistische Oper
Libretto von Cédric Costantino und Tina Hartmann
Musik von Thomas Leininger

In deutscher Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 1 h 20' (keine Pause)

Premiere im Kleinen Haus des Badischen Staatstheaters am 19. Februar 2012
(rezensierte Aufführung: 25.02.2012)

 

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Lass den Dino fliegen!

Von Thomas Molke / Fotos von Jochen Klenk


Die neue Intendanz des Badischen Staatstheaters hat sich für den Bereich der Jugendförderung viel vorgenommen. So wurde unter der Leitung von Ulrike Stöck das Junge Staatstheater neu gegründet, das mit einem speziell auf Kinder und Jugendliche zugeschnittenen Programm aus allen Sparten bei jungen Menschen die Neugier und Begeisterung für die Bretter, die die Welt bedeuten, wecken soll. Da ist es schon fast selbstverständlich, dass auch bei den diesjährigen Händel-Festspielen ein besonderer Programmpunkt für die jüngeren Zuschauer aufgenommen worden ist. Thomas Leininger, der bereits für das Barockfestival Winter in Schwetzingen und die Händel-Festspiele in Karlsruhe fragmentarisch überlieferte Opern restauriert hat, hat als Auftragswerk des Staatstheaters eine eigene Oper im barocken Stil komponiert, die nach den Festspielen ins Repertoire übernommen wird und Kinder ab dem Grundschulalter auf Barockmusik neugierig machen soll. In Kooperation mit der Hochschule für Musik Karlsruhe ist dabei eine darwinistische Kinderoper entstanden.

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Archäa (Felicitas Brunke) bestellt bei der Leguanin (Tiny Peters) Plätze auf der Arche.

Charles Darwin bildet allerdings nur die Rahmenhandlung der eigentlichen Geschichte. Frustriert vom englischen Dauerregen lässt er sich von seiner Leguanin einladen, eine Geschichte über das Ende der Dinosaurier anzuhören. Auch wenn er heftig gegen die Theorie protestiert, die Saurier seien bei der Sintflut ausgestorben, weil sie keinen Platz mehr auf der Arche bekommen hätten, schlüpft er bereitwillig in die Rolle Noahs und erlebt, dass die Saurier als damalige Beherrscher der Welt zwar einen Platz auf der Arche bestellen, sich aufgrund des heftigen Regens und des bewölkten Himmels jedoch nicht an ihrer Sonnenuhr orientieren können und den Zeitpunkt für das Einchecken verpassen. Nur Struthiomimi, die von den anderen wie eine niedrige Sklavin behandelt wird, gelangt dank einer Armbanduhr, die sie von einer Ratte erworben hat, rechtzeitig auf die Arche. Als sie aber sieht, dass den anderen Dinos der Zutritt verweigert wird, will sie lieber gemeinsam mit den anderen untergehen als als einzige ihrer Spezies die Sintflut überleben. Da beschließt Darwin, einzugreifen und den Sauriern doch noch eine Chance zu geben. Rettung soll eine Pflanze auf dem Meeresboden bringen, von der jeder Saurier ein Blatt fressen müsse. Anatososo beschließt, die Blume für die Saurier aus den Tiefen des Meeres zu holen. Es kommt zum Duell mit Rapti, der ihn daran hindern und selbst den Ruhm für die Rettung kassieren will. Doch Anatososo besiegt Rapti und bringt die rettenden Blätter, die sofort von den Dinos verspeist werden. Dadurch verwandeln die Saurier sich in Vögel, die der Sintflut entkommen können, und Darwin muss erkennen, dass Naturwissenschaft und Poesie sich durchaus miteinander vereinbaren lassen.

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Stress bei den Dinos: Rapti (Eleazar Rodriguez, Mitte) nervt, Struthiomimi (Sarah Alexandra Hudarew) ist unglücklich) und Tyrannosaurus Rex (Alexander de Paula, rechts) will einfach seine Ruhe.

Für die Dinosaurier hat Janine Werthmann märchenhafte Kostüme entworfen, die die Opulenz des Barocks mit aufwendigen Perücken und ausladenden Kleidern auf faszinierende Art mit den Attributen der einzelnen Saurierarten kombinieren. Besonders eindrucksvoll gelingt das Kostüm der Brachiosaurierin, das mit extrem hochtoupierter Perücke den langen Hals des Sauriers nachahmt und als Muster auf dem Kleid den riesigen Saurierfuß aufweist. Der Tyrannosaurus Rex wirkt mit seiner langen schwarzen Lockenperücke unter dem schwarzen Dreispitz in seinem goldenen Kostüm als Anführer der Dinosaurier wie eine Art Sonnenkönig, dem mit Archäa eine ebenso mondäne Gattin zur Seite steht, die am Ende als erste die Metamorphose zum Vogel durchläuft. Auch die Tiere auf der Arche lassen sich mit liebevollen Attributen und typischen Gesten von den Kindern leicht zuordnen. Das Bühnenbild von Flurin Borg Madsen ist recht märchenhaft gestaltet. Zahlreiche graue Wolken, die vom Schnürboden herabhängen, und schräge Metallstangen deuten den Dauerregen an, der die Sintflut herbeiführt. Noahs Arche auf einem Drahtgestell befindet sich bereits ein wenig in Schieflage, was dem Peitschen der Wogen oder den Grenzen der Belastbarkeit geschuldet sein kann. Meerblaue gespannte Tücher, die vom Schnürboden herabgelassen werden, weisen auf den allmählichen Untergang in den Fluten hin, in denen Anatososo nach der rettenden Pflanze taucht. Ein Regenbogen zeigt die Wendung zum Guten, da die Saurier als Vögel die Sintflut überleben.

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Nichts geht mehr: Die Arche ist voll (vordere Reihe von links: Parasaurolophus (Nando Zickgraf), Triceratops (Hatice Zeliha Kökcek), Leguanin (Tiny Peters), Brachiosaurierin (Jennifer Riedel), Anatososo (Armin Stein), Rapti (Eleazar Rodriguez), Tyrannosaurus Rex (Alexander de Paula) und Archäa (Felicitas Brunke), hintere Reihe oben von links: Struthiomimi (Sarah Alexandra Hudarew), Hund (Daniel Pastewski), Katze (Simone Hirsch), Noah (Edward Gauntt), Ratte (Andrey Nevyantsev) und Känguru (Zela Saita)).

Die Inszenierung von Daniel Pfluger ist kindgerecht gehalten. So wechseln gesprochene Passagen mit Arien und Rezitativen. Auch wenn dem Ensemble große Textverständlichkeit bescheinigt werden kann, werden einzelne Sätze dennoch übertitelt. Leininger hat bei der Komposition auf lange Da-capo-Arien verzichtet und orientiert sich in der musikalischen Linie an einer Mischform zwischen französischer und italienischer Oper, indem er generalbassbegleitete Rezitative, Accompagnato-Rezitative und Chöre nach französischem Vorbild mit Arien nach dem Muster der neapolitanischen Schule verbindet und so mit seiner Komposition ungeübte Ohren langsam an Barockmusik heranführt. Auch kommt die Produktion ohne pädagogischen Zeigefinger aus, selbst wenn Themen wie Machtgier (Rapti gegen den Tyrannosaurus Rex beziehungsweise später gegen den eigentlichen Helden der Oper, Anatososo) und Ausgrenzung (Struthiomimi, weil sie nicht so hübsch ist wie die anderen) durchaus in der Geschichte enthalten sind.

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Archäa (Felicitas Brunke) verwandelt sich in einen Vogel (im Hintergrund rechts: Tyrannosaurus Rex (Alexander de Paula)).

Markus Bieringer entwickelt mit der Badischen Staatskapelle einen frischen Barockklang, der für die jungen Zuhörer nicht zu schwer sein dürfte. Die Solisten, die sich aus Mitgliedern des Ensembles und des Opernstudios und Studenten der Hochschule für Musik Karlsruhe zusammensetzen, begeistern durch lebhafte Darstellung. Tiny Peters gefällt als Leguanin mit warmem Sopran und führt textverständlich durch die Geschichte. Edward Gauntt gibt mit markigem Bass einen sympathischen Darwin, der am Ende trotz seiner anfänglichen Bedenken über die Geschichte das rettende Ende herbeiführt. Von den Sauriern überzeugen vor allem Sarah Alexandra Hudarew als Struthiomimi mit kräftigem Mezzo und Felicitas Brunke als Archäa mit leuchtendem Sopran in ihrer Verwandlungsarie am Ende der Oper. Mit Armin Stein ist als Anatososo auch ein Countertenor vertreten, der die jungen Zuschauer mit weicher Stimme in die für die Kinder ungewöhnliche Stimmlage des barocken Helden einführt. So gibt es am Ende großen Applaus für alle Beteiligten.

FAZIT

Die Inszenierung ist nicht nur für junge Menschen, sondern auch für Junggebliebene zu empfehlen, die sich bei der einen oder anderen Opernproduktion weniger modernes Regietheater wünschen. Das gibt es nämlich nicht, wenn man junge Menschen an die Gattung Oper heranführen will.

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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Markus Bieringer

Regie
Daniel Pfluger

Bühne
Flurin Borg Madsen

Kostüme
Janine Werthmann

Licht
Christoph Pöschko

Dramaturgie
Tina Hartmann



 

Badische Staatskapelle


Solisten

*rezensierte Aufführung

Eine Leguanin / Noahs Frau
Ks' Tiny Peters

Darwin /Noah
*Ks Edward Gauntt /
Gabriel Urrutia Benet

Struthiomimus (Struthiomimi)
*Sarah Alexandra Hudarew /
Rebecca Raffell

Anatosaurus (Anastososo)
Armin Stein

Velociraptor (Rapti)
Eleazar Rodriguez

Tyrannosaurus Rex
Lucas Harbour /
*Alexander de Paula

Archaeopterix (Archäa)
Felicitas Brunke

Brachiosaurierin
*Constanze Kirsch /
Jennifer Riedel

Triceratops
Hatice Zeliha Kökcek

Parasaurolophus
*Nando Zickgraf /
Florin Emilian Calita

Ratte
Andrey Nevyantsev

Katze
Clara Sophie Bertram /
*Simone Hirsch

Känguru
Zela Saita

Hund
Daniel Pastewski

 


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