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Zauberflöte mit Wuppertaler Lokalkolorit
Auch in Wuppertal hat die Spielzeit nach der etwas längeren durch Corona
bedingten Zwangspause im Opernhaus wieder begonnen. Verglichen mit anderen
Häusern der Region scheinen an der Wupper aber nicht ganz so strenge Corona-Regeln zu
herrschen. Zwar gelten im gesamten Haus Maskenpflicht und die üblichen
Abstandsregeln, und im Saal sind immer mindestens zwei Plätze frei zwischen den
Zuschauern. Natürlich wird auch hier schriftlich festgehalten, wer auf welchem Platz gesessen
hat. Aber anders als in Hagen, Dortmund oder Essen wird jede Reihe besetzt
und zwar schachbrettartig. So kann man viel mehr Zuschauer im Saal
unterbringen, was bei der Beliebtheit von Mozarts Zauberflöte sehr
günstig ist. Man mag dennoch ein wenig überrascht sein, dass die Oper sich
traut, in der momentanen Situation mit einer relativ großen Besetzung und Chor
die Saison zu eröffnen. Immerhin darf in Hagen der Chor nur vor der Vorstellung
im Innenhof singen. Aber die großen Chorpassagen aus Mozarts Oper werden auch in
Wuppertal nicht live auf die Bühne gebracht sondern über Lautsprecher
eingespielt. Nur vereinzelt kommen Chorsänger als Sarastros Gefolge auf der
Bühne oder aus den Rängen zum Einsatz.
Die Königin der Nacht (Nina Koufochristou, vorne
Mitte) mit ihren drei Damen (von links: Elena Puszta, Joslyn Rechter und Iris
Marie Sojer) auf ihrem Weg durch Wuppertal (© Jörn Hartmann)
Zahlreiche unterschiedliche Lesarten sind über Mozarts letzte Oper in der
Literatur diskutiert worden, und Regisseure können bei einer Neudeutung aus
einer Vielzahl von Interpretationsansätzen wählen. Das Regie-Team um Bernd Mottl
möchte vor allem den "Volkstheater"-Charakter des Stückes beibehalten und
verlegt die Geschichte deshalb direkt nach Wuppertal. Hier treffen die Figuren
des Opernmärchens in traumhaft schönen Kostümen von Friedrich Eggert auf die
realen Gegebenheiten der Stadt, was beim Wuppertaler Publikum sehr gut ankommt.
Während der Ouvertüre erlebt man in einer Videoprojektion die Vorgeschichte. Sarastro
wirft die Königin der Nacht mit ihren drei Damen aus seinem Palast, dem
Wuppertaler Opernhaus, um an ihrer Stelle über den mächtigen Sonnenkreis an der
Decke des Zuschauersaals zu herrschen. Pamina hält er als Gefangene im Opernhaus
zurück. Die Königin der Nacht macht sich mit ihren drei Damen auf den Weg durch
die Wuppertaler Fußgängerzone und beschließt, sich an das Arbeitsamt zu wenden. Diese Filmsequenz steckt voller ironischer
Elemente. Schließlich erkennt die Königin der Nacht, dass sie sich selbst helfen
muss, erwirbt unauffälligere Kleidung und raubt einen Kleinbus, mit dem sie
eine Imbissbude, "Burger Queen" eröffnet. Während ihre drei Damen den Laden
führen, zieht sie im Hintergrund wie ein Mafia-Boss
inmitten einer Vielzahl von Giftfässern die Fäden.
Die drei Damen (von links: Elena Puszta, Joslyn
Rechter und Iris Marie Sojer) zeigen Tamino (Sangmin Jeon) das Bildnis von
Pamina (Ralitsa Ralinova in dem Gemälde) (© Jens Grossmann).
Tamino erscheint kurz darauf in einem märchenhaften Kostüm als indischer Prinz
auf dem Grifflenberg und trifft bald auf die wilde Schlange in Form der
Schwebebahn. Nun laufen Videoprojektion und Aktion auf der Bühne zusammen. In
der Projektion "schlängelt" sich die Schwebebahn durch das Tal, während Tamino
an der Rampe vor ihr Reißaus nimmt und schließlich erschöpft zusammenbricht. Nur
Papageno scheint nicht aus dieser Märchenwelt zu stammen. Er verdingt sich als
Straßenkünstler und Puppenspieler mit Dreadlocks und coolem Outfit in Wuppertal
und macht mit seinen flotten Sprüchen sehr schnell deutlich, dass er weder in
die hehre Welt Sarastros noch die der Königin der Nacht passt. Mit einer Art Feenstaub legen die Damen ihm zwar zeitweilig einen Maulkorb an, der ihn
allerdings nicht lange ausbremsen kann. Seine Papagena trifft er in einer
Videoprojektion in der Kantine der Oper. Es ist Liebe auf den ersten Blick, als
Papagena ihm ein Salami-Brötchen reicht und sich dann plötzlich in einen
Priester Sarastros verwandelt, der Papageno quer durch die Gänge des Opernhauses
auf die Straße treibt.
"In diesen heil'gen Hallen": Sarastro (Sebastian
Campione Mitte) mit seinem Gefolge als "Hüter des Opernhauses" (© Jens Grossmann)
Bei Monostatos wird nicht nur optisch auf die dunkle Hautfarbe verzichtet,
sondern auch der Text abgeändert. So ist er kein "Schwarzer" sondern ein Sklave,
der Paminas Zurückweisung nicht akzeptieren will und deshalb so übergriffig
wird, dass er von Sarastro mit Peitschenhieben bestraft wird. Da wird es gut
nachvollziehbar, dass er sich anschließend in den Dienst der Königin der Nacht
begibt. Pamina vollzieht als einzige Figur des Stückes eine Wandlung von der
Märchenprinzessin hin zu einer realen Frau. So legt sie ihr barockes Kostüm ab,
nachdem sie von den drei Knaben an einen Sprung in die Wupper gehindert worden
ist, um fortan Tamino bei seinen Prüfungen zur Seite zu stehen. Wie sie den
Schlüssel zum Opernhaus, den sie nach bestandener Prüfung und dem vereitelten
Anschlag der Königin der Nacht von Sarastro erhält, mit Tamino teilen soll,
bleibt eine der offenen Fragen in Mottls Inszenierung, da sie sich optisch ja
nun in einer ganz anderen Welt als Tamino bewegt. Da geben Papageno und Papagena
ein wesentlich lebensnäheres Pärchen ab, was in den Projektionen von zahlreichen
sich küssenden Pärchen in Wuppertal unterstrichen wird. Die
Videoprojektionen von Jörn Hartmann gehen mit dem Spiel auf der Bühne eine großartige Symbiose
ein und ermöglichen so ein ganz natürlich wirkendes Spiel auf Abstand.
Papageno (Simon Stricker) mit dem Glockenspiel (© Jens Grossmann)
Musikalisch bewegt sich die Aufführung auf insgesamt gutem Niveau. Mit Sangmin
Jeon hat man als Tamino einen wunderbar lyrischen Tenor am Haus, der die Partie
mit großer Strahlkraft und wunderbaren Bögen meistert. Seine große Arie "Dies
Bildnis ist bezaubernd schön" gestaltet er voller Innbrunst mit sauber
angesetzten Spitzentönen, während man in der Projektion Pamina in Großaufnahme
sieht. Ralitsa Ralinova steht ihm als Pamina mit leuchtendem Sopran in Nichts
nach. Ralinova gibt sich im Duett mit Papageno recht keck und wechselt später zu
großer Leidensfähigkeit, wenn sie von den drei Knaben nur mit Mühe vom
Selbstmord abgehalten wird. Simon Stricker ist darstellerisch und
stimmlich eine Idealbesetzung für Papageno. Bei "Der Vogelfänger bin ich ja"
spielt er gekonnt mit einem riesigen Vogel als Handpuppe, und auch von seinen
sportlichen Qualitäten kann man sich bei einem eleganten Handstand überzeugen.
Mit Anne Martha Schuitemaker hat er eine optisch passende Papagena mit großer
Spielfreude an seiner Seite. Nina Koufochristou meistert die beiden
anspruchsvollen Arien der Königin der Nacht mit sauber angesetzten Spitzentönen
und perlenden Koloraturen. Elena Puszta, Iris Marie Sojer und Joslyn Rechter
überzeugen als die drei Damen der Königin mit humorvollem Spiel.
Sebastian Campione gestaltet die Partie des Sarastro darstellerisch sehr
würdevoll und mit einer klaren Diktion. In den Tiefen fehlt ihm allerdings ein
bisschen die nötige Autorität für die Figur. Bei Mark Bowman-Hester ist als
Monostatos die Textverständlichkeit noch ausbaufähig. Am Pult des frisch
aufspielenden Sinfonieorchesters Wuppertal steht mit George Petrou ein
Spezialist der Barockmusik, der zu Mozarts Partitur einen sehr gefühlvollen
Zugang findet. So gibt es für alle Beteiligten am Ende der Vorstellung
verdienten und lang anhaltenden Applaus.
FAZIT
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Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung Bühne und Kostüme Video Chor Dramaturgie
Sinfonieorchester Wuppertal Opernchor der Statisterie der Solisten*Premierenbesetzung Sarastro Tamino Sprecher / 2. Priester / 2. Geharnischter 1. Priester / 1. Geharnischter Königin der Nacht Pamina 1. Dame 2. Dame 3. Dame Papageno Papagena Monostatos 3 Knaben
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- Fine -