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Ein Märchen auf Spitze Von Thomas Molke / Fotos: © Hans Gerritsen In Essen liebt man klassisches Handlungsballett auf Spitze. Dem trägt Ballettdirektor Ben Van Cauwenbergh Rechnung. Nach dem Nussknacker in der Spielzeit 2015/2016 (siehe auch unsere Rezension) und Schwanensee in der Saison 2017/2018 (siehe auch unsere Rezension) komplettiert er nun mit Dornröschen die berühmte Trias der drei großen traditionellen Handlungsballette des russischen Komponisten Pjotr Iljitsch Tschaikowski. So ist Essen derzeit das einzige Haus in NRW, an dem in einer Spielzeit alle drei Produktionen in einer relativ konventionellen Form zu erleben sind, die einerseits jüngeren Zuschauern die märchenhafte Magie des Spitzentanzes vermitteln kann und andererseits die Herzen der Anhänger des klassischen Balletts höher schlagen lassen dürfte. Während Dornröschen im Vergleich zu Tschaikowskis beiden anderen Meisterwerken seltener auf dem Spielplan steht, konnte es bei der Uraufführung am 15. Januar 1890 im Mariinsky-Theater in Sankt Petersburg einen viel größeren Erfolg verbuchen als beispielsweise Schwanensee 13 Jahre zuvor bei der Uraufführung am Bolschoi-Theater in Moskau. Letzteres erlangte seinen großen Ruhm erst 20 Jahre später nach Tschaikowskis Tod, als sich Marius Petipa in Sankt Petersburg erneut mit dem Werk beschäftigte. Bei Dornröschen arbeitete er von Anfang an eng mit Tschaikowski zusammen und gab dem Komponisten eine detaillierte Aufstellung, wie lang die Musik für welche Aktion sein und welchen Charakter sie haben solle. Zwar hielt sich Tschaikowski nicht immer an die Anweisungen, was dem Direktor des Kaiserlichen Theaters in Sankt Petersburg, Iwan Wsewoloschski, Nerven wie Drahtseile und ein ungeheures diplomatisches Geschick abforderte. Der Triumph mit insgesamt 155 Tänzerinnen und Tänzern setzte allerdings Maßstäbe für die weitere Entwicklung der Ballettmusik. Petipa und Tschaikowski halten sich bei ihrer Version des Märchens eng an die literarische Vorlage von Charles Perrault, der sich vor allem in der Namensgebung der Figuren von der bekannten Fassung der Gebrüder Grimm unterscheidet. In einem Prolog wird die Vorgeschichte erzählt. Ein Frosch nähert sich der Königin im Bad und verkündet ihr, dass ihr lang ersehnter Wunsch, endlich ein Kind zu bekommen, bald in Erfüllung gehen werde. Kurz darauf wird Prinzessin Aurora geboren und ein großes Fest veranstaltet. Leider vergisst man, die Fee Carabosse einzuladen, die daraufhin so beleidigt ist, dass sie Aurora verflucht und ihr einen frühen Tod prophezeit. Die Fliederfee kann den Fluch in einen 100-jährigen Schlaf abmildern. Im ersten Akt geschieht dann auf der Feier anlässlich Auroras Volljährigkeit das Unglück. Aurora sticht sich in den Finger, der gesamte Hof fällt in einen tiefen Schlaf, und das Schloss wird von einer gewaltigen Dornenhecke umgeben. Im zweiten Akt lenkt dann die Fliederfee 100 Jahre später den jungen Prinzen Désiré, der mit seinem Gefolge auf der Jagd ist, zu dem verborgenen Schloss. Désiré erlöst Aurora. Im dritten Akt wird dann die Hochzeit gefeiert, wobei im Ballett zahlreiche Märchenfiguren Aurora und Désiré ihre Aufwartung machen. Van Cauwenbergh verzichtet in seiner Choreographie auf eine Vielzahl dieser retardierenden Divertissements und lässt nur den gestiefelten Kater mit einer von ihm angebeteten Katze auftreten. Das Pas de deux des Blauen Vogels wird aus dem dritten in den ersten Akt vorverlegt. Ansonsten bleibt Van Cauwenbergh mit einem leichten Augenzwinkern nah an der Petipa-Fassung. Die böse Fee Carabosse (Adeline Pastor, mit ihrem Gefolge Benjamin Balazs, Martin Carlos Nudo und Take Okuda) verflucht Aurora. Dorin Gal hat ein großes halbrundes Bühnenbild entworfen, in dessen drei Öffnungen Valeria Lampadova eindrucksvolle Videobilder projiziert, die schnelle Ortswechsel ermöglichen und auch den Emotionen der Figuren Ausdruck verleihen. Mit wenigen Requisiten lässt sich die Bühne schnell in einen Schlosssaal oder ein Badezimmer verwandeln, in dem die Königin (sehr majestätisch: Maria Lucia Segalin) ihr Bad nimmt und plötzlich Besuch von einem Frosch (Denis Untila mit märchenhaften, lustigen Bewegungen und Sprüngen) erhält. Die Videoprojektionen deuten an, dass sich dieses Schloss irgendwo in einer einsamen Landschaft befindet, und vermitteln auch den Wandel der Zeit. In märchenhaften Kostümen, für die ebenfalls Gal verantwortlich zeichnet, treten die vier Feen und die Fliederfee auf, um der kleinen Prinzessin Aurora, die als Baby in einer Wiege liegt, die aus dem Schnürboden herabgelassen wird, ihre Aufwartung zu machen. Mariya Tyurina, Yulia Tikka, Yuki Kishimoto und Yusleimy Herrera León überzeugen in ihren kleinen Soli als Feen mit elegantem Spitzentanz. Eine besondere Rolle nimmt Mika Yoneyama als Fliederfee ein, die Aurora vor dem tödlichen Fluch der bösen Fee Carabosse bewahrt. Yoneyama glänzt durch leichtfüßige Bewegungen auf Spitze. Die Partie der Carabosse ist mit der großartigen Adeline Pastor besetzt, die in ihrem schwarzen Kleid mit ihrem düsteren Gefolge (Benjamin Balazs, Martin Carlos Nudo und Take Okuda) absolut dämonisch daherkommt. Dabei begeistert sie durch exakten Spitzentanz und großartigen Ausdruck. Auch ihre Mimik macht deutlich, dass mit dieser Fee nicht zu spaßen ist. Weißer Bühnennebel unterstreicht ihren unheimlichen Charakter. Ausgelassene Feier im Schloss (Ensemble) Auch Schülerinnen des Gymnasiums Essen-Werden sind in diese Projektion mit eingebunden. Katharina Masch zeichnet die Prinzessin Aurora als Kind, die bei Van Cauwenbergh einen starken eigenen Willen hat und sich nicht immer Anordnungen der Eltern Folge leistet. Da fliegt schon mal ein Teller oder eine Gabel durch den Raum, wenn das leicht aufmüpfige Kind Widerstand leistet. Eindrucksvoll wird ihr Wandel zu einer jungen Frau dargestellt. Masch verschwindet hinter den Armen ihrer Eltern unter dem Tisch, und Yanelis Rodriguez taucht als junge Prinzessin wieder auf. Auch Rodriguez überzeugt mit sauberem Spitzentanz und mädchenhafter Eleganz. Ihren festen Willen hat sie immer noch, was die vier Kavaliere (Ige Cornelis, Yegor Hordiyenko, Take Okuda und Dale Rhodes), die bei der großen Feier ihrer Volljährigkeit um ihre Hand werben, deutlich zu spüren bekommen. Komische Akzente setzen Nwarin Gad als Koch und Amari Satome als Dienerin, die ihre liebe Mühe haben, alles rechtzeitig zum Fest vorzubereiten. Nahezu unbemerkt mischt sich Pastor als böse Fee unter die Gesellschaft und gibt sich erst zu erkennen, nachdem sich Aurora an dem Blumenstrauß, den sie ihr als Geschenk überreicht hat, gestochen hat und zu Boden sinkt. Erneut zucken Blitze in den Videoprojektionen, und prasselnder Regen sorgt wie der erneut aufsteigende Bühnennebel für eine unheimliche Situation. Beeindruckend gelingt auch Carabosses Abgang, wenn sie ihm Bühnenboden versinkt. Das Publikum wartet zur Pause (leider) nicht das Ende der souverän aufspielenden Essener Philharmoniker unter der Leitung von Andrea Sanguineti ab, sondern klatscht bei dem sich langsam schließenden Vorhang in die leise verklingende Musik hinein. Prinzessin Aurora (Yanelis Rodriguez) und Prinz Désiré (Artem Sorochan) (im Hintergrund: Königin (Maria Lucia Segalin)) Nach der Pause geht es absolut märchenhaft weiter. Ein echtes Pferd auf der Bühne, auf dem Prinz Désiré hereingeritten kommt, ruft weiteren Applaus hervor, und auch die zahlreichen Hunde, die die Jagdgesellschaft des Prinzen begleiten, unterstreichen die Opulenz in der Umsetzung. Leider zeigt sich Artem Sorochan nicht immer ganz souverän und wirkt stellenweise sehr angestrengt. Auch gelingen ihm die rasanten Drehungen bisweilen nicht ganz exakt im Takt. An der Homogenität der Ensembles lässt sich ebenfalls noch ein bisschen feilen. Bewegend wird die Begegnung mit der Fliederfee umgesetzt, die dem Prinzen nach einem betörenden Pas de deux den Weg zum Schloss weist. Auf einem Vorhang wird eine Dornenhecke vor der schlafenden Aurora herabgelassen, die der Prinz dann vielleicht ein wenig zu leicht durchschreitet, um die Prinzessin wach zu küssen. Für den Übergang zum dritten Akt beziehen dann zwei Statisten vor dem geschlossenen Vorhang Stellung. Der eine versucht zunächst, einen Niesanfall zu unterdrücken, und krümmt sich anschließend, weil er eigentlich dringend austreten müsste, ein durchaus entbehrlicher Einfall. Man hätte die Musik auch einfach so genießen können. Der blaue Vogel (Davit Jeyranyan) beim Pas de deux mit Yuki Kishimoto Der dritte Akt ist im Gegensatz zur Originalchoreographie relativ kurz gehalten. Davit Jeyranyan hat seinen Auftritt als Blauer Vogel bereits im ersten Akt. Im Pas de deux überzeugt er mit Yuki Kishimoto mit eleganten Bewegungen und sauberen Sprüngen. Ein Höhepunkt des dritten Aktes ist der Auftritt des gestiefelten Katers (Wataru Shimizu) und seiner angebeteten Katze (Amari Saotome), die mit humorvollem Spiel und geschmeidigen Bewegungen den Charakter der beiden Tiere wunderbar einfangen. Dabei maunzen sie auch sehr niedlich zur Musik. Etwas blass bleiben hingegen Rodriguez und Sorochan als Aurora und Désiré. Beim Finale hätte man sich erneut etwas mehr Homogenität im Ensemble gewünscht. Die märchenhafte Inszenierung, das pittoreske Bühnenbild und die aufwendigen Kostüme lassen jedoch über die kleinen Mängel hinwegsehen, so dass das Publikum großen Beifall spendet. FAZIT Ben Van Cauwenbergh bietet den Anhängern von traditionellem, klassischem Handlungsballett einen märchenhaften Abend, der technisch zwar nicht immer ganz perfekt ist, aber dafür mit wunderbaren Bildern zu punkten weiß. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Choreographie
Bühne und Kostüme
Video
Einstudierung Kinder
Dramaturgie
Essener Philharmoniker
Solovioline Schülerinnen des Gymnasiums Essen-Werden Statisterie des Aalto-Theaters Pferd von Udo Bröck Hunde der Kleintierpraxis Dr. Steffens
Prinzessin Aurora
Prinz Désiré
Carabosse, böse Fee
Ihr Gefolge
Fliederfee
Erste Fee
Zweite Fee
Dritte Fee
Vierte Fee
Vier Kavaliere
Pas de deux "Blauer Vogel"
Frosch
Katzen
Zwei Liebespaare
Königin, Mutter von Aurora
König, Vater von Aurora
Koch
Dienerin
Herzogin
Jagdmeister
Aurora als Kind
Ensemble
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