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Operettenseligkeit in opulenten Bildern
Nachdem der Opernintendant Berthold Schneider in seinen ersten beiden
Spielzeiten mit der Rocky Horror Show und My Fair Lady
Publikumsrenner aus dem Bereich des Musicals auf den Spielplan gestellt hat,
setzt er in dieser Saison erstmals auf die gute alte Operette als Zugpferd. Die
Wahl ist dabei auf Franz Lehárs Land des Lächelns gefallen, ein Werk, das
nicht zuletzt mit dem wohl beliebtesten Operettenhit aller Zeiten, "Dein ist
mein ganzes Herz", den Grundstein dafür gelegt hat, dass Lehár zu einem der
berühmtesten Vertreter der so genannten "silbernen Operettenära" avancierte.
Dabei kann man sich heute kaum noch vorstellen, dass dieses Stück, das 1923 in
Wien zunächst unter dem Titel Die gelbe Jacke zur Uraufführung gelangte,
anfangs
wenig erfolgreich war. Erst als Lehár sich ein paar Jahre später entschied, das
Werk noch einmal zu überarbeiten, und ein neues Libretto von Ludwig Herzer und
Fritz Löhner-Beda unter dem Titel Das Land des Lächelns anfertigen ließ, trat diese Operette ihren Siegeszug um die ganze Welt an. Hinzu kam,
dass man für die Partie des chinesischen Prinzen Sou-Chong mit Richard
Tauber eine Idealbesetzung hatte, was dem Stück zu weiterer Popularität verhalf.
Der chinesische Prinz Sou-Chong (Sangmin Jeon)
liebt die junge Lisa (Ralitsa Ralinova, vorne links) aus Wien (rechts: Damen des
Opernchors). (© Claudia Scheer van Erp)
Die Idee für das ursprüngliche Libretto lieferte ein chinesischer Prinz namens
Sukong, der als Diplomat im Hause des in Wien lebenden Librettisten Victor Léon
ein und aus ging und von dem Léon allerlei Einzelheiten über chinesische Sitten
und Bräuche erfuhr. Dass dieser Prinz auch in die Hausherrin verliebt war, ist
allerdings nur eine Vermutung. Jedenfalls ließ sich Léon von ihm inspirieren,
eine Geschichte über den chinesischen Prinzen Sou-Chong zu verfassen, der sich
in Lisa, die Tochter des Grafen Lichtenfels verliebt, und sie entgegen aller
Konventionen mit nach China nimmt. Dort währt ihr Glück allerdings nicht allzu
lange, da Sou-Chong aufgrund seiner Stellung der Tradition folgen und vier
Mandschu-Prinzessinnen ehelichen soll. Lisa ist nicht bereit, den geliebten
Prinzen mit anderen Frauen zu teilen, auch wenn ihr Sou-Chong versichert, dass
es sich bei dieser Vermählung nur um eine Formalität handele und er nur sie,
Lisa, liebe. Gemeinsam mit ihrem Jugendfreund Gustav, der ihr nach China
nachgereist ist, plant sie die Flucht, die Sou-Chong allerdings vereitelt.
Dennoch erkennt er, dass er Lisa nicht gegen ihren Willen in China halten kann,
und lässt sie gemeinsam mit Gustav ziehen. Während er in Léons Fassung, Die
gelbe Jacke, nach diesem Entschluss mit seiner Schwester Mi, die sich in
Lisas Jugendfreund verliebt hat, als Diplomat nach Wien geschickt wird und es somit zwei glückliche interkulturelle Paare gibt,
verzichten Herzer und Löhner-Beda in der überarbeiteten Fassung auf das Happy
End. Mi bleibt bei ihnen traurig in China zurück, und Sou-Chong beugt sich
schweren Herzens nach der Devise "Immer nur Lächeln" den gesellschaftlichen
Normen.
China in opulenten Bildern: Mitte: Tschang
(Sebastian Campione) mit dem Opernchor und der Statisterie (© Bettina Stöß)
Um aus diesem Stück, das inhaltlich an einigen Stellen sicherlich fragwürdig
ist, einen Klassenschlager zu machen, reicht es auch bei einer guten Besetzung
häufig nicht aus, nur auf die zahlreichen Ohrwürmer zu setzen. In Wuppertal hat
man sich folglich zu einer Koproduktion mit der Oper Hongkong und dem Theater
Erfurt entschieden, um in einer opulenten Ausstattung zu schwelgen. Dafür hat
Hsiu-Chin Tsai in China originalgetreue Kulissen und Kostüme angefertigt, die
den Traum von fernöstlichen Welten realisieren. Wenn sich nach der Pause der
Vorhang zu einem opulenten chinesischen Palast hebt, ist ein Teil des Publikums
derart begeistert, dass die Zuschauer in die Musik hineinklatschen, um ihre
Begeisterung darüber kundzutun. Vielleicht ist das auch als Reaktion auf die
sonst häufig doch eher spartanischen und modernen Bühnenbilder zu deuten. Der
Saal im Haus des Grafen Lichtenfels im ersten Akt besticht ebenfalls durch ein
aufwändig gestaltetes Bühnenbild und wunderbar opulente Kostüme, die die selige
Operette in all ihrem wunderbaren Kitsch ernst nehmen. Für manchen mag das zu
viel des Guten sein, aber kann man dieses Werk überhaupt modernisieren, ohne
dabei den Charme des Stückes zu zerstören?
"Bei einem Tee à deux" kommen sich Lisa (Ralitsa
Ralinova) und Sou-Chong (Sangmin Jeon) näher. (© Bettina Stöß)
Musikalisch lässt der Abend ebenfalls keine Wünsche offen. Mit Sangmin Jeon
verfügt man im Wuppertaler Ensemble über einen Tenor, der nicht nur optisch für
die Partie des Prinzen prädestiniert ist. Sein lyrischer Tenor strahlt in den
Höhen so klar und rein, dass er in seinen beiden großen Arien, "Dein ist mein
ganzes Herz" und "Immer nur Lächeln", den Vergleich mit berühmten auf
Schallplatte und CD verewigten Tenören an keiner Stelle zu scheuen braucht. Mit
Ralitsa Ralinova hat er eine sehr jugendliche Lisa an seiner Seite, die die
Tochter des Grafen von Lichtenfels, mit mädchenhaftem Sopran und sauberen
Spitzentönen anlegt. Allerdings ist es gut, dass die Arien übertitelt werden, so
dass der Text auch durchgängig verständlich ist. Die beiden Duette mit Jeon,
"Bei einem Tee à deux" und "Wer hat die Liebe uns ins Herz gesenkt?", avancieren
zu weiteren musikalischen Höhepunkten des Abends. Mark Bowman-Hester stattet
Lisas Jugendfreund "Gustl" mit einem beweglichen Spieltenor aus und verfügt über
ein gutes Textverständnis. Nina Koufochristou punktet als selbstbewusste
Chinesin Mi mit großem Spielwitz und frischem Sopran. In ihrer Arie "Im Salon
zur blauen Pagode" sagt sie ihrem Onkel Tschang äußerst keck die Meinung und
spielt gekonnt mit ihren weiblichen Reizen. Mit Bowman-Hester gibt sie
anschließend in dem Duett "Meine Liebe, deine Liebe" ein großartiges Buffo-Paar
ab, dem allerdings leider auch kein glückliches Ende in dieser Operette beschert
ist.
"Meine Liebe, deine Liebe": Mi (Nina
Koufochristou) und Graf Gustav von Pottenstein (Mark Bowman-Hester) (© Bettina Stöß)
Sebastian Campione strahlt als strenger Onkel Tschang große Autorität aus und
überzeugt darstellerisch als unsympathische Figur des Abends, wenn er den Prinzen
schließlich n die Knie zwingt und das junge Glück zerstört. Jeon spielt dabei
den inneren Kampf glaubhaft aus, so dass man wie Lisa schon beinahe ein wenig
Angst vor ihm bekommt, wenn er sie in seiner Verzweiflung plötzlich als ein
"Ding ohne Rechte" bezeichnet, das er sogar "köpfen" lassen könne, wenn er
wolle. Ansonsten hätte man sich in den Zwischenszenen ein bisschen mehr
Personenregie gewünscht. So hat man den Eindruck, dass die gesprochenen Text nur
als Überleitung zur nächsten musikalischen Nummer dienen, dabei aber szenisch
etwas blutleer bleiben. Der Opernchor der Wuppertaler Bühnen, der auch kleinere
solistische Rollen wie Lisas Vater, den General und Tante Hardegg übernimmt,
glänzt sowohl im Wien-Akt als auch in China nach der Pause in opulenten Kostümen
und überzeugt durch homogenen Klang. Johannes Pell lässt mit dem
Sinfonieorchester Wuppertal aus dem Graben pure Operettenseligkeit erklingen, so
dass das Publikum optisch und akustisch
in jeder Hinsicht schwelgen kann. So gibt es am Ende großen und verdienten
Applaus für alle Beteiligten, in den sich auch das Regie-Team unter großem Jubel
einreiht.
FAZIT
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Produktionsteam
Musikalische Leitung Inszenierung
Szenische Einstudierung Ausstattung Chor
Sinfonieorchester Wuppertal Opernchor der Statisterie der Solisten*Premierenbesetzung Graf Ferdinand von Lichtenfels Lisa, seine Tochter Graf
Gustaf von Pottenstein General Tante Hardegg Prinz Sou-Chong Mi, seine Schwester Tschang Chinesischer Diener
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- Fine -