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Don Giovannis Abstieg in den Orchestergraben
In der Wuppertaler Oper schlagen die Wogen mal wieder hoch.
Nachdem der neue Opernintendant vor Beginn seines Amtsantritts bereits mit der
Entlassung des kompletten Opernensembles und der Umstellung auf einen
Stagione-Betrieb ohne Einstellung eines festen Ensembles für eine komplette
Spielzeit für Missmut gesorgt hatte, machte am Donnerstag dann eine
Pressemeldung die Runde, Kamioka werde bereits 2016 von allen Ämtern in Wuppertal
zurücktreten. Als Grund wurde unter anderem ein Streit mit dem Orchester
angeführt, das in großen Teilen Vorbehalte gegen ein Gastspiel in Japan
geäußert habe. Zwar folgte einen Tag später ein Dementi, in dem Kamioka die
wunderbare Zusammenarbeit mit dem Sinfonieorchester unterstrich, gleichzeitig
aber einräumte, dass es ihm erlaubt sein müsse, darüber nachzudenken, ob es ihm
bei den steigenden Anfragen für Gastdirigate möglich sei, seinen Anforderungen
als Opernintendant überhaupt bis 2019 in angemessenem Maße gerecht zu werden.
Ein weiteres Gespräch mit dem Aufsichtsrat am kommenden Mittwoch wird
hoffentlich Klarheit in diese derzeit verfahrene Situation in Wuppertal bringen.
Jedenfalls hatte man bei der Don Giovanni-Aufführung am Samstag beim
Orchester das Gefühl, dass die Querelen durchaus noch nachwirkten. Ein eingespieltes Team: Don
Giovanni (Sebastian Geyer, vorne) und sein Diener Leporello (Hye-Soo Sonn,
dahinter) (im Hintergrund: Marianne Fiset als Donna Elvira) Dabei steht Kamioka bei dieser Produktion gar nicht selbst am
Pult, was allerdings definitiv nichts mit den momentanen Auseinandersetzungen zu
tun hat. Bereits bei der Presseerklärung im Frühjahr war verkündet worden, dass
der Regisseur Thomas Schulte-Michels für diese Inszenierung Andreas Kowalewitz
als musikalischen Leiter mitbringen werde, und der ist mit dem Orchester auf der
Bühne platziert, während die Sänger größtenteils auf dem hochgefahrenen
Orchestergraben spielen, was dazu führt, dass der zweite Rang wegen mangelnder
Sicht komplett geschlossen bleiben muss und damit per se weniger Karten verkauft
werden können. Das Bühnenbild, für das Schulte-Michels ebenfalls verantwortlich
zeichnet, besteht lediglich aus einem gelb gestrichenen Bühnenboden, der in
verschiedenen Ebenen herauf- und herabgefahren werden kann, so dass böse Zungen
diese Produktion auch als halbszenisch bezeichnen könnten, was an sich noch kein
Negativkriterium sein muss. Aber der Klang des Orchesters entfaltet sich bei
diesem Konstrukt leider nicht, auch wenn die Positionierung hinter den jungen
Solisten sich sicherlich als sängerfreundlich erweist. Bereits in der Ouvertüre
hat man den Eindruck, dass sich der Esprit von Mozarts Musik verflüchtigt und
gar nicht richtig im Zuschauerraum ankommt. Noch gravierender ist dieses Gefühl
dann beim Auftritt des Komturs am Ende der Oper. Da spürt man wirklich nichts
davon, dass sich die Hölle auftut und Don Giovanni verschluckt. Dass diese
Hölle, in die Don Giovanni dann herabfährt, auch noch der Orchestergraben ist,
gibt der Aufführung gerade bei den aktuellen Diskussionen um das Opernhaus einen
weiteren bitteren Beigeschmack. Zerlina (Ralitsa Ralinova,
links), Masetto (Damien Pass, rechts), Don Ottavio (Emilio Pons, links hinten)
und Donna Elvira (Marianne Fiset, rechts hinten) haben mit Leporello (Hye-Soo
Sonn, vorne Mitte) den Falschen erwischt. Die Kostüme von Renate Schmitzer setzen deutliche farbliche
Akzente, wobei die maskenhaften Gesichter an die Aufführung einer Wandertruppe
erinnern, wie sie dem Zuschauer in Leoncavallis Bajazzo begegnen. Die
Farben unterstreichen dabei deutlich die Figurenkonstellationen. Don Giovanni
und sein Diener Leporello treten beide in Gelb auf, was den Rollentausch im
zweiten Akt durchaus glaubhaft macht. So unterscheidet sich Don Giovanni von
seinem Diener nur durch ein längeres Sakko und einen gelben Schal. Auch Donna
Anna und Don Ottavio beziehungsweise Zerlina und Masetto bilden farblich eine
Einheit, wobei der Grünton bei Zerlina und Masetto die ländliche Herkunft
andeutet. Auch der Chor erscheint als Landbevölkerung in Grün. Donna Elvira
steht in ihrem roten Kleid relativ allein da, was ihren verzweifelten und
unermüdlichen Kampf um die Liebe Don Giovannis unterstreicht. Wenn Anna, Elvira
und Ottavio sich maskiert unter die Gäste bei Don Giovanni mischen, tauschen
Anna und Ottavio lediglich die Kostüme, während Elvira eine Hose in Grün wie die
übrigen Bauern trägt. Die Maske ist dabei ein durchsichtiges schwarzes Tuch vor
dem Gesicht. Wieso der Komtur allerdings bereits vor seinem Tod im ersten Akt in
dem langen grauen Mantel wie die Marmorstatue aussieht, die hinterher Don
Giovanni in die Hölle schickt, bleibt genauso unklar wie der Regie-Einfall,
seinen Tod durch die Berührung mit Don Giovannis gelbem Schal zu verursachen. Donna Anna (Tatiana Larina)
bittet Don Ottavio (Emilio Pons) um Geduld (im Hintergrund: Ramaz Chikviladze
als Komtur). Ansonsten konzentriert sich Schulte-Michels auf eine
ausgefeilte Personenregie, die im Großen und Ganzen auch aufgeht. Allerdings tut
er den Solisten keinen Gefallen damit, sie auch hinter dem Orchester singen zu
lassen. Wenn Don Giovanni zu Beginn der Oper Donna Anna verführen will, sind
ihre Schreie kaum zu hören, da man die beiden hinter dem Orchester noch gar
nicht sehen kann und somit ihre Stimmen von der Musik fast verschluckt werden.
Fraglich ist auch, ob man den jungen Solisten nicht ein bisschen zu viel
abverlangt, diese Rollen mit Ausnahme der Titelpartie an einem Wochenende drei
Tage hintereinander singen zu lassen. Bei Emilio Pons als Don Ottavio scheinen
sich am zweiten Abend bereits einige Ermüdungserscheinungen bemerkbar zu machen.
Jedenfalls klingt er in den Höhen sehr angestrengt und lässt tenoralen Schmelz
vermissen. Tatiana Larina stattet die Donna Anna mit leuchtendem Sopran aus,
stößt in ihrer großen Arie "Non mi dir", in der sie Don Ottavio um Geduld
bittet, in den halsbrecherischen Koloraturen allerdings an ihre Grenzen. Völlig
unklar bleibt auch, wieso Schulte-Michels sie in dieser Szene wie ein naives
Mädchen über die Bühne tänzeln lässt. Einladung mit fatalen Folgen:
Don Giovanni (Sebastian Geyer, rechts), Leporello (Hye-Soo Sonn, links) und der
Komtur (Ramaz Chikviladze, im Hintergrund) Ein stimmlich und darstellerisch überzeugendes Paar geben
Ralitsa Ralinova und Damien Pass als Zerlina und Masetto ab. Mit jugendlichem
Sopran verleiht Ralinova dem Bauernmädchen einerseits etwas Kindlich-Naives,
wenn sie zunächst auf Don Giovannis Werben hereinfällt, dann aber auch etwas
Kokettes, wenn sie es schafft, ihren eifersüchtigen Bräutigam zu besänftigen.
Pass stattet den Masetto mit profundem Bass aus und macht auch darstellerisch
glaubhaft, dass dieser junge Bauer sich immer wieder von den Reizen seiner
Zerlina einfangen lässt. Besondere Komik entwickeln die beiden im zweiten Akt,
wenn Zerlina den von Don Giovanni verprügelten Masetto tröstet und "pflegt".
Marianne Fiset verfügt als Donna Elvira über einen kräftigen Sopran, der
bisweilen allerdings ein bisschen schrill wird. Eine Idealbesetzung ist Hye-Soo
Sonn als Leporello. Mit beweglichem Bass und großem Spielwitz überzeugt der
junge Koreaner nicht nur in seiner großen Registerarie "Madamina, il catalogo è
questo", in der er Elvira über Don Giovannis wahres Wesen aufklärt. Sebastian
Geyer, der alternierend mit Josef Wagner die Titelpartie interpretiert, gibt
optisch einen glaubwürdigen Verführer, der auch stimmlich mit markantem Bariton
punktet. Nur in den Höhen klingt er ein wenig angestrengt. Szenisch unklar
bleibt, wieso er am Ende in selbstgefälliger Pose aus dem Orchestergraben wieder
hochgefahren wird. Ist er der Hölle doch entflohen?
FAZIT
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Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung und Bühne Kostüme Chor
Opernchor der Sinfonieorchester Wuppertal Solisten*rezensierte Aufführung Don Giovanni Leporello
Donna Anna
Donna Elvira
Don Ottavio
Komtur
Masetto
Zerlina
|
- Fine -