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Veranstaltungen & Kritiken Musiktheater |
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Nur ein Traum
Der Märchenklassiker Alice im Wunderland hat derzeit
auf den Bühnen in NRW Hochkonjunktur. Während allerdings der Ballettdirektor in
Hagen, Ricardo Fernando, ganz bewusst ein eigens kreiertes Handlungsballett an
den Anfang der Spielzeit gestellt hat, um in der Vorweihnachtszeit eine
Abwechslung zum weihnachtlichen Nussknacker anzubieten, führten in
Wuppertal eher dispositionelle Gründe dazu, die ursprünglich für Juni 2015
geplante Uraufführung in den Dezember vorzuziehen und damit gewissermaßen in
Konkurrenz zum im benachbarten Theater am Engelsgarten nahezu zeitgleich
laufenden Weihnachtsstück Der gestiefelte Kater zu treten. Bemerkenswert
ist hingegen, dass der Komponist dieses Auftragswerkes, Andreas N. Tarkmann,
seine Oper schon ein halbes Jahr früher vorlegen konnte. Gewöhnlich verzögern
sich Auftragskompositionen ja eher nach hinten. Da staunt die Familie
(Opernchor) nicht schlecht: Alice verschwindet im Bühnenboden. Der Librettist hat die fantastischen Abenteuer der kleinen
Alice in eine Sommerparty in einem gepflegtem Einfamilienhaus mit Garten
eingebettet. Alice langweilt sich inmitten der ganzen Erwachsenen, die ihr
lediglich vorschreiben wollen, wie sie sich zu benehmen hat. So ist sie
regelrecht dankbar, als sie das weiße Kaninchen mit einer Uhr vorbeihoppeln
sieht, und folgt dem Tier durch die Hecke, die in der Inszenierung durch eine
Klappe im Bühnenboden dargestellt wird. Durch diese fällt Alice nämlich und
gleitet in ein Traumreich hinab, wo sie auf die weise Raupe, die Grinsekatze und
eine Maus trifft, mit der sie sich gemeinsam aus dem Teich der Tränen rettet,
bevor sie nach einer irrwitzigen Teeparty bei dem verrückten Hutmacher und dem
Märzhasen auf die Herzkönigin trifft, deren Urteil sie sich mutig
entgegenstellt. Nach der Auseinandersetzung mit der Herzkönigin landet sie
plötzlich wieder im Kreis ihrer Familie, und ihr Traum verbindet sich auf leicht
skurrile Weise mit der Wirklichkeit. So entpuppt sich der Teich der Tränen als
der Gartenteich, an dem sie wirklich eine kleine Maus entdeckt, und die
folgenden Familiendias, die die Erwachsenen mit Alice auf einer Leinwand
betrachten, greifen einzelne Erlebnisse aus Alices Traum wieder auf. Alice (hier: Mine Yücel) trifft
im Wunderland auf die Raupe (Jan Szurgot). Zum besseren Verständnis für die jüngeren Besucher wird ein
Erzähler eingeführt, der Alice durch das Wunderland begleitet und im Gegensatz
zu den anderen Figuren nicht singt. Zu Beginn der Ouvertüre öffnet er den
Vorhang und zeigt dem Publikum eine leere Bühne, um zu demonstrieren, dass die
Geschichten erst in der Fantasie entstehen. Das Bühnenbild von Marc Löhrer
arbeitet mit zahlreichen Videoprojektionen, die die magische Welt auf der Bühne
erst möglich machen. So lässt er Alice in einer Projektion hinabfallen, während
zahlreiche Gegenstände an ihr vorbeifliegen. Die Tür und der Tisch werden in der
Projektion riesengroß, um zu verdeutlichen, dass Alice nun geschrumpft ist. Wenn
Alice dann selbst wächst, arbeitet er mit einer Schattenprojektion, die das
Mädchen enorm wachsen lässt. Die Kostüme von Rike Zöllner sind fantasievoll
und märchenhaft gestaltet. Wieso Alice allerdings einen Haarreif mit
rosafarbenen Öhrchen trägt, bleibt unklar. Soll das eine Anspielung auf die
Figuren sein, denen sie in ihrer Traumwelt begegnet? Verrückte Teeparty: Alice
(hier: Mine Yücel) beim Hutmacher (Andreas Beinhauer, Mitte) und beim Märzhasen
(Markus Murke, rechts) (links: die Schlafmaus (Carla Hussong)) Musikalisch prägt sich vor allem das Lied des Hutmachers und
des Märzhasen, "Teeparty", ein. In einer netten Choreographie unterstreicht der
Tanz des Hutmachers mit dem Hasen die Absurdität dieser Party. Die anderen
Melodien sind zwar auch charakteristisch auf die einzelnen Figuren abgestimmt -
so hat die Raupe optisch und melodisch einen gewissen orientalischen Touch,
die drei Damen, die die Grinsekatze darstellen, erinnern in ihrem Outfit und
musikalisch an Cabaret-Girls, und die Herzkönigin bekommt eine recht herrische
Melodie -, sind allerdings beim einmaligen Hören keineswegs so eingängig wie die
Melodie des Hutmachers. Das gleiche gilt für die Ouvertüre und die Musik in der
Welt der Erwachsenen. Das Orchester besteht dabei aus fünf Studierenden der HfMT
Köln Standort Wuppertal. Die musikalische Leitung liegt in den Händen des
Hausrepetitors Ralf Soiron. Die Herzkönigin (Banu Schult)
herrscht ohne Gnade (im Hintergrund rechts: der König (Markus Murke), links
daneben: das Kaninchen (Sean Breen), im Hintergrund der Opernchor als Hofstaat). Neben dem Opernchor, der als Grinsekatze, Gärtner, Onkel und
Tanten von Alice bzw. Hofstaat der Herzkönigin zahlreiche wichtige Rollen
übernimmt, sind einige junge Sängerinnen und Sänger zu erleben, die im neu
eingerichteten Opernstudio des Hauses Erfahrungen sammeln sollen. Anders als
andere Opernhäuser in NRW weisen die Wuppertaler Bühnen, die ja seit Beginn der
Spielzeit über kein festes Opernensemble mehr verfügen, diese Mitglieder des
Opernstudios auf ihrer Internetseite allerdings nicht gesondert in einer Rubrik aus. Jan Szurgot war bereits zu Beginn der Spielzeit in Tosca als Sciarrone
zu erleben. Als Raupe überzeugt er mit kräftigem Bariton und bewegendem Spiel.
Ralitsa Ralinova begeistert als niedliche Alice darstellerisch mit mädchenhaftem
Charme und verfügt über einen voluminösen Sopran, der allerdings für die
jüngeren Besucher vielleicht nicht immer ganz textverständlich ist. Banu Schult
stattet die Herzkönigin mit großem Stimmvolumen und herrischem Spiel aus.
Andreas Beinhauer und Markus Murke beweisen als Hutmacher und Märzhase bzw.
König großes komödiantisches Talent. So gibt es am Ende großen Applaus von Klein
und Groß.
FAZIT
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Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung Ausstattung Kostüme Chor
Opernchor der Studierende der HfMT Köln Solisten*rezensierte Aufführung Alice Erzähler
Raupe
Hutmacher
Schlafmaus
Märzhase / König
Kaninchen
Königin
Grinsekatze, Gärtner, Onkel und Tanten, Hofstaat
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- Fine -