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Veranstaltungen & Kritiken Musiktheater |
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Opernfoyer als
Präsidentenpalast
Gerade eine Woche ist es her, dass im Opernhaus die neue
Spielzeit mit einer rundum gelungenen Fledermaus in der Inszenierung des
scheidenden Opernintendanten Johannes Weigand eröffnet worden ist, da laden die
Wuppertaler Bühnen bereits zur nächsten Musiktheaterpremiere ein. Allerdings
muss man fairer Weise hinzufügen, dass diese Produktion schon in der letzten
Spielzeit in Solingen zu erleben war und man vor der Sommerpause im Opernhaus
bereits eine Preview zur Finanzierung der neuen Spielstätte veranstaltet hatte,
so dass der Begriff "Premiere" hier eigentlich nur bedingt zutreffend ist. Sieht
man einmal von organisatorischen Gründen ab, die mangels alternativer
Spielstätten für das Schauspiel und das Tanztheater Pina Bausch wohl
hauptsächlich für diese kurze Aufeinanderfolge zweier Musiktheaterproduktionen
verantwortlich sein mögen, legen die Bühnen damit erneut ein Zeugnis davon
ab, was mit einem festen Ensemble möglich ist, zumal die Produktion mit einem
einzigen Gast auskommt und alle anderen Solisten auch in der Fledermaus
zu erleben sind, ein Aspekt, den man im Moment in Wuppertal nicht oft genug
betonen kann, da doch im Moment wieder das Gerücht durch die Presse geistert,
man wolle zukünftig ganz auf ein festes Ensemble verzichten. Evita (Banu Böke) zwingt den
Sänger Augustin Magaldi (Boris Leisenheimer), mit ihr nach Buenos Aires zu
gehen. Die Vertonung der Geschichte um die argentinische
Präsidentengattin Eva Perón, die in ihrem kurzen Leben aus einfachen
Verhältnissen zu einer Ikone des Volkes aufstieg, bedeutete für Andrew Lloyd
Webber einen Wendepunkt in seiner Laufbahn, da er, anders als in seinen früheren
Werken Joseph and the Amazing Technicolor Dreamcoat und Jesus Christ
Superstar, die ebenfalls in Zusammenarbeit mit dem Textdichter Tim Rice
entstanden, nicht mit unterschiedlichen musikalischen Richtungen spielte,
sondern sich fokussiert auf die Titelpartie einem gleichbleibenden Stil
verschrieb, der nachvollziehen lässt, was diese Frau für Millionen von Menschen
unwiderstehlich gemacht hat. Dass hinter dieser charismatischen Populistin aber
auch ein skrupelloser Machtmensch steckte, wird vor allem durch einen
eingefügten Erzähler namens Che deutlich, der aus der Retrospektive vor den
Zuschauern nicht ohne einen gewissen Zynismus das kurze Leben Evitas noch einmal
Revue passieren lässt. Auch wenn mit dieser Figur schon aus historischer
Korrektheit nicht der Revolutionär Che Guevara gemeint ist, lassen sich in den
Äußerungen zahlreiche Parallelen finden, die die unterschiedlichen Denkansätze
dieser beiden bedeutenden Persönlichkeiten aufeinander prallen lassen.
Evita (Banu Böke, Mitte vorne),
Che (Patrick Stanke, Mitte) und Perón (Olaf Haye, rechts) hoffen mit dem Volk
(Chor) auf ein "neues Argentinien". Für Aurelia Eggers' Inszenierung hat Bühnenbildner Jürgen Lier ein Kino errichtet, dessen große Leinwand auch später noch für diverse
Videoprojektionen genutzt wird. Die Filmvorführung, die direkt zu Beginn
unterbrochen wird, um Evitas Ableben zu verkünden, zeigt Evita als
Schauspielerin in einem Liebesfilm aus einer Zeit, bevor sie politisch Karriere
machte, was die Allgegenwärtigkeit dieser Frau im Leben der einfachen Bürger
betonen soll. Während anschließend das Bild der Verstorbenen auf der Leinwand
erscheint - großes Lob an die Maske, die Banu Böke der historischen Evita
optisch sehr nahekommen lässt - und die trauernden Massen überstrahlt, die zum
einen in Gestalt des Chors mit gesenktem Haupt über die Bühne laufen, zum
anderen auf eine weitere herabgelassene Leinwand projiziert werden (Lob an
dieser Stelle auch für die Videoeinspielungen von Jakob Creutzburg), bleibt Che
von der schrecklichen Nachricht ungerührt und leitet zur Erzählung über Evitas
Leben über. Die verschiedenen Stationen werden mit wenigen Requisiten, die
schnelle Szenenwechsel ermöglichen, und diversen Videoeinspielungen in rascher
Folge erzählt, wobei auch ein gewisses Wuppertaler Lokalkolorit nicht fehlen
darf, wenn Evita beispielsweise in einer Projektion mit ihrem Gatten
herrschaftlich die Treppe zum Kronleuchter-Foyer im Opernhaus herabschreitet. Neben den Solisten lebt dieses Werk vor allem von großen
Massenszenen. Hier präsentiert sich der von Jens Bingert einstudierte Chor in
faszinierender Spielfreude, sei es nun als Evitas Familie, die von Magaldi
fordert, Eva mit in die Großstadt Buenos Aires zu nehmen, als Evitas Liebhaber,
die ihre Karriere ermöglichen, als Aristokraten und Generäle, die den Aufstieg
des Mädchens aus einfachen Verhältnissen sehr argwöhnisch beobachten und zu
verhindern versuchen, oder als Volksmasse, die Evita ergeben zu Füßen liegt. In
all diesen unterschiedlichen Partien machen der Chor und Extrachor der
Wuppertaler Bühnen durch eine geschickte Personenführung von Aurelia Eggers eine
gute Figur. Besonders beeindruckend gelingt das Bild, wenn der Jubel für den neu
gewählten Präsidenten Perón zu Beginn des zweiten Aktes auf Evita übergeht und
Evita auf einem Podest umgeben vom Volk emporgefahren wird und gewissermaßen
über den Köpfen des Volkes das berühmte "Don't Cry for Me, Argentina" singt.
Etwas schwach gelöst wird hingegen die "Rainbow-Tour", die von Evitas Besuch bei
diversen europäischen Staatsoberhäuptern berichtet. Da wird Evita zwar auf einem
roten Teppich postiert, an dem mehrere Personen vorbeimarschieren, ein Bezug zum
gesungenen Text lässt sich allerdings an dieser Stelle nicht erkennen.
Vielleicht hätte man an dieser Stelle mit der Leinwand arbeiten sollen.
Großartig hingegen gelingt der Abschluss des ersten Aktes, wenn das Volk eine
riesige argentinische Flagge emporhält und mit dem Song "A New Argentina" auf
eine bessere Zukunft für das eigene Land hofft. Evita (Banu Böke) und Che
(Patrick Stanke) Einziger Gastsolist in dieser Inszenierung ist Patrick
Stanke, der als mittlerweile renommierter Musical-Star an den Ausgangspunkt
seiner Karriere zurückgekehrt ist. Am TiC (Theater in Cronenberg) sammelte er
nämlich seine ersten Musical-Erfahrungen, bevor er nach seiner Ausbildung zum
Musicaldarsteller an der Bayerischen Theaterakademie August Everding auch
internationale Erfolge in diesem Genre feierte. Als Che begeistert er das
Publikum mit beweglicher und durchschlagskräftiger Stimme, die den
Registerwechseln der Partie in jeder Hinsicht gewachsen ist, und charismatischem
Spiel, das der Funktion eines Spielleiters mit leicht zynischem Unterton mehr
als gerecht wird. Boris Leisenheimer überzeugt in knallrotem Outfit in der
Partie des schmierigen Sängers Augustin Magaldi und setzt den Song "On This
Night of a Thousand Stars" mit herrlich übertriebenem Schmalz wunderbar
komödiantisch an. Annika Boos gefällt mit mädchenhaftem Sopran als Mistress von
Perón in ihrer Arie "Another Suitcase in Another Hall", wenn sie von Evita
kurzerhand vor die Tür gesetzt wird. Olaf Haye stattet Evitas Gatten Perón mit
markantem Bariton aus und macht darstellerisch wunderbar deutlich, wie er auch
als Präsident noch zum Spielball seiner Frau wird. Evita (Banu Böke) blickt auf ihr
Leben zurück. Ein großartiges Rollen-Debüt liefert Banu Böke in der
Titelpartie ab und beweist, dass sie neben dem Opernfach auch die vermeintlich
"leichte Muse" beherrscht. Darstellerisch vollzieht sie einen glaubhaften Wandel
von dem kleinen Mädchen zu einer Frau, die zielstrebig ihren Weg bis an die
Spitze des Staates verfolgt. Wie ihre anfängliche Naivität beim ersten Treffen
mit Magaldi einem immer manipulativer werdenden Charakter weicht, wird von Böke
bemerkenswert in Szene gesetzt. Auch tänzerisch macht sie in der
Tango-Choreographie eine großartige Figur. Musikalisch wird ihre Interpretation
des berühmten Hits "Don't Cry for Me, Argentina" allen Erwartungen gerecht.
Einen weiteren Höhepunkt stellen der Song "Buenos Aires" im ersten Akt, in dem
sie ihre Karriere-Erwartungen an die Großstadt zum Ausdruck bringt, und das
Duett mit Stanke im zweiten Akt "A Waltz for Eva and Che" dar, in dem die beiden
ihre unterschiedlichen Ansichten über das Gute für das Volk diskutieren. Eggers
lässt Böke und Stanke dabei in einem kreisrunden Lichtkegel auftreten, was an
zwei Tiere erinnert, die zum Kampf in eine Manege geführt worden sind. Das
Sinfonieorchester Wuppertal setzt unter der Leitung von Tobias Deutschmann
Webbers Musik punktgenau um, auch wenn die Lautstärke mit den durch Headsets
verstärkten Sängern für die Ausmaße des Opernhauses bisweilen ein bisschen
heruntergeschraubt werden könnte. Am Ende gibt es lang anhaltende, stehende
Ovationen für alle Beteiligten.
FAZIT
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Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung und Choreographie Bühne Kostüme Choreographie Tango Argentino Licht Video Choreinstudierung
Dramaturgie Opernchor, Extrachor, Kinderchor und Statisterie der TänzerInnen des Sinfonieorchester Wuppertal SolistenEvita Che
Perón Augustin Magaldi Mistress
Eva's mother Eva's
sisters
Eva's brother
Lovers
Officers
Aristocrats
Secret Police
Solo-Officers
Admiral
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- Fine -