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Bluthochzeit

Lyrische Tragödie in zwei Akten
Buch von Federico García Lorca, deutsch von Enrique Beck
Musik von Wolfgang Fortner

in deutscher Sprache

Aufführungsdauer: ca. 2h 35' (eine Pause)

Premiere im Opernhaus Wuppertal am 13. Januar 2013


Logo: Wuppertaler Bühnen

Wuppertaler Bühnen
(Homepage)
Blutrache im Hochhaustrakt


Von Thomas Molke / Fotos von Uwe Stratmann

Lange Zeit galt Wolfgang Fortner als einer der bedeutendsten deutschen Komponisten der Nachkriegszeit, der den von Alban Berg begonnenen Weg der Literaturoper konsequent fortsetzte und 1957 mit der musikalischen Bearbeitung von Federico García Lorcas lyrischen Tragödie Bluthochzeit (Bodas de sangre) aus dem Jahr 1933 ein Erfolgswerk schuf, welches bis 1986 in insgesamt 22 Inszenierungen präsentiert wurde, bevor es von den Opernbühnen verschwand. Fast 30 Jahre später haben sich die Wuppertaler Bühnen unter anderem auch mit Blick auf ihren Spanien-Schwerpunkt in dieser Spielzeit, der seinen Abschluss mit Jules Massenets selten gespielter Oper Don Quichotte nehmen wird, entschieden, dieses bedeutende Werk der Nachkriegszeit wieder auf den Spielpan zu stellen. Und dem musikinteressierten Publikum wurde in diesem Zusammenhang neben der Premiere einiges geboten, was dem recht vernachlässigten Komponisten, dem für seine musikalischen Verdienste 1977 zu seinem 70. Geburtstag das Große Bundesverdienstkreuz mit Stern verliehen wurde, wieder mehr Aufmerksamkeit bescheren soll. So gab es neben einem Wolfgang Fortner-Symposium mit mehreren Vorträgen in der Hochschule für Musik Wuppertal einen Tag zuvor ein Kammermusik-Konzert, das den Zuhörern den Leipziger Komponisten näher bringen sollte. Am Tag der Premiere wurde dann auch noch nachmittags zu einer Podiumsdiskussion eingeladen, in der die Frage nach der Repertoire-Tauglichkeit von Fortners Opern gestellt wurde. Wie auch immer man diese Frage beantworten mag, lässt sich nicht leugnen, dass die Wuppertaler Bühnen mit der Premiere am Abend einen uneingeschränkten Erfolg feiern konnten.

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Die Mutter (Dalia Schaechter) und das Messer

Lorcas lyrische Tragödie spielt in einem kleinen südspanischen Dorf in Andalusien und erzählt die Geschichte einer Mutter, die in einer blutigen Familienfehde ihren Mann und ihren ältesten Sohn verloren hat. Als ihr verbliebener Sohn eine Braut heiraten will, die vorher mit Leonardo, dem Sohn der verfeindeten Familie, verlobt war, ahnt sie bereits, dass sie ihren jüngsten Sohn auch noch verlieren könnte. Dennoch wird die Ehe zwischen den beiden arrangiert. Schließlich ist Leonardo mittlerweile mit der Cousine der Braut verheiratet. Allerdings trifft er sich nachts heimlich weiterhin mit der Braut. Bei den Hochzeitsfeierlichkeiten gelingt es ihm, die Braut zu überreden, mit ihm zu fliehen. Der Bräutigam folgt Leonardo und der Braut in den Wald und kann die beiden im hellen Licht des Mondes stellen. Es kommt zum Kampf zwischen den beiden Rivalen, dem beide Männer zum Opfer fallen. Die Braut kehrt reumütig zur Mutter des Bräutigams zurück und hofft, von ihr getötet zu werden. Doch die Mutter hat keine Kraft mehr, Rache zu nehmen. Sie hat ihren letzten Sohn und damit ihren Lebensinhalt verloren.

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Die Mutter (Dalia Schaechter) sorgt sich um ihren Sohn (Gregor Henze).

Christian von Götz lotet in seiner Inszenierung die tragischen und surrealen Momente recht kammerspielartig aus. So spielt das Orchester nicht aus dem Orchestergraben vor der Bühne, sondern ist hinter einem leicht durchsichtigen Vorhang, auf dem eine breite Hochhausfront abgebildet ist, hinter den Sängern auf einem hohen Podest platziert, wodurch ein recht ungewöhnliches Klangerlebnis entsteht. Die Bühnenrequisiten beschränken sich auf einen Tisch, mehrere Stühle und eine Holzkiste, die mal als Sarg, mal als Bett und mal als Schrank fungiert. Eine wichtige Rolle spielt ein Küchenmesser, das die Mutter zu Beginn der Oper beinahe liebkost und mit dem ihr Sohn im Kampf gegen Leonardo später den Tod finden soll. Von Götz baut eine Tänzerin (Verena Hierholzer) als Dämon ein, die von Anfang an die Ängste der Mutter darstellt. In weißem Brautkleid sitzt sie zunächst auf der Holzkiste und rückt der Mutter anschließend auf den Leib, stellt somit eine Bedrohung ihrer Welt dar. Mit dem Wunsch des Sohnes zu heiraten, beginnt das Ende. Im zweiten Teil ist das Brautkleid nicht mehr weiß sondern schwarz wie der Tod. Die Mutter hält schließlich den leeren Schleier in den Händen, weil dieser Dämon, der ihr Leben zerstört, nicht zu fassen ist. Vor dem Kampf beschmiert der Dämon sein bleiches Gesicht mit roter Farbe, um den folgenden blutigen Kampf anzukündigen.

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Hochzeit unter schlechten Vorzeichen: in der Mitte: die Braut (Banu Böke) und der Bräutigam (Gregor Henze), links davon: der Vater der Braut (Stephan Ullrich) und die Mutter des Bräutigams (Dalia Schaechter), ganz links: die Bettlerin (Ingeborg Wolff), rechts: Mitglieder des Chors

Während der Teil bis zur Pause vor dem Vorhang mit der Häuserfront spielt, die aus der Bühne einen abgeschlossenen Raum macht, aus dem es für die Protagonisten kein Entrinnen gibt, wird der Vorhang im zweiten Teil in den Schnürboden gezogen. Auf der größtenteils schwarzen Bühne befinden sich jetzt nur Stühle mit abgesägten Beinen, die wohl die Bäume im Wald darstellen sollen. Hier herrscht absolute Finsternis. Der Mond tritt auf, um mit einem Scheinwerfer dem Bräutigam den Weg zum fliehenden Paar zu weisen. Nach einem nahezu lyrischen Duett zwischen der Braut und Leonardo kommt es zum tödlichen Duell zwischen den beiden Männern. Erst wenn die Braut in die Dorfgemeinschaft zurückkehrt, wird der Vorhang mit der Häuserfront wieder aus dem Schnürboden herabgelassen. Die Stühle bleiben jedoch auf der Bühne. Aus dem Zuschauerraum wird die Holzkiste als Sarg auf die Bühne getragen. Erst jetzt findet die Mutter die Kraft zu schreien, während zu Beginn der Oper mit dem Versuch eines Schreis die Musik beginnt. Fortners Zwölftonmusik ist weit davon entfernt, schön zu klingen, geht aber mit der grausamen Handlung eine ergreifende Symbiose ein.

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Leonardo (Thomas Laske) und die Braut (Banu Böke) sind geflohen, doch der Mond (Martin Koch) verrät sie.

Beeindruckend gelingt das Zusammenspiel von lyrischen Texten, Sprechgesang und gesungenen Passagen, die den einzelnen Figuren des Stückes zugeordnet sind und das Werk beinahe zu einem Crossover-Projekt machen. Das Ensemble begeistert hierbei in der darstellerischen Intensität. Da ist zunächst einmal der Opernchor der Wuppertaler Bühnen unter der Leitung von Jens Bingert zu nennen, der zu Beginn des Stückes wie Zuschauer aus dem Publikum die Bühne betritt und in kleinen solistischen Passagen zu überzeugen weiß. Auch die leicht folkloristischen Anklänge auf der Hochzeit werden von den Mitgliedern des Chors glaubhaft umgesetzt. Gregor Henze gefällt in der Sprechrolle des Bräutigams mit großer Leidenschaft, der die Zurückweisung der Braut auf seiner Hochzeit nur schwer ertragen kann und sich voller Wut in das Duell mit Leonardo wirft. Thomas Laske gibt als Leonardo mit textverständlichem Bariton einen adäquaten Gegner ab, der nicht nur im Gesang eine andere Sprache als der Bräutigam spricht. Bei Martin Koch als Mond hätte man sich Übertitel gewünscht, da die Partie so extrem angesetzt ist, dass die Textverständlichkeit arg darunter leidet. Mit seinem perfiden Spiel lässt Koch das Licht des Mondes zu einer regelrechten Gefahr werden.

Im Zentrum des Stückes stehen die weiblichen Partien. Annika Boos gefällt als naives Mädchen, das mit ihrem braven Sopran noch zu jung ist, um zu verstehen, was in diesem Dorf eigentlich vorgeht. Miriam Ritter gibt die enttäuschte Frau Leonardos, die seine Zurückweisungen kaum erträgt. Joslyn Rechter gefällt als respektlose Magd. Banu Böke überzeugt als unglückliche Braut, die den Bräutigam nicht heiraten will und stattdessen mit Leonardo flieht. Großartig spielt Böke die Verzweiflung dieser jungen Frau aus. Ein Höhepunkt des Abends ist ein Wiedersehen mit dem langjährigen Ensemble-Mitglied Ingeborg Wolff, die als Nachbarin und personifizierter Tod in Gestalt einer Bettlerin auftritt. Mit welcher Intensität sie jede einzelne Silbe auf der Zunge zergehen lässt, ist ein regelrechter Hörgenuss. Hinzu kommt ihr grandioses Spiel. Der zweite Höhepunkt des Abends ist Dalia Schaechter in der Partie der Mutter. Wie ergreifend sie die Verzweiflung dieser Frau, deren ganze Familie der Blutrache letztendlich zum Opfer fällt, ausspielt und zu welchen stimmlich dramatischen Ausbrüchen sie dabei fähig ist, lässt den Abend auch für die Besucher zu einem Ereignis werden, die der Zwölftonmusik eher abgeneigt gegenüber stehen. Hilary Griffiths setzt mit dem Sinfonieorchester Wuppertal Fortners Musik ergreifend, dabei aber stets sängerfreundlich um, so dass es am Ende großen Applaus für alle Beteiligten für einen rundum gelungenen Abend gibt.

FAZIT

Vielleicht möchte man Fortners Musik nicht im heimischen Wohnzimmer zur Entspannung hören. In dieser Inszenierung ist sie aber durchaus packend und beschert einen großartigen Opernabend.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Hilary Griffiths

Inszenierung und Bühne
Christian von Götz

Kostüme
Ulrich Schulz

Licht
Fredy Deisenroth

Choreinstudierung
Jens Bingert

Dramaturgie
Johannes Blum
Ulrike Olbrich

 

Opernchor der
Wuppertaler Bühnen

Studierende der Hochschule
für Musik und Tanz Köln,
Standort Wuppertal

Sinfonieorchester Wuppertal


Solisten

Mutter
Dalia Schaechter

Die Braut
Banu Böke

Die Magd
Joslyn Rechter

Die Frau Leonardos
Miriam Ritter

Die Schwiegermutter Leonardos
Cornelia Berger

Die Nachbarin, Die Bettlerin (Der Tod)
Ingeborg Wolff

Das Kind
Annika Boos

5 Mädchen
Tanja Ball
Katharina Greiß
Angelika März
Ute Temizel
Qian Zhang

Der Mond
Martin Koch

Leonardo
Thomas Laske

Zwei Burschen
Mario Trelles Diaz
Marco Agostini

Drei Gäste
Javier Zapata Vera
Mario del Rio
Hak-Young Lee

Der Bräutigam
Gregor Henze

Der Vater der Braut
Stephan Ullrich

Drei Holzfäller
Oliver Picker
Jochen Bauer
Andreas Heichlinger

Der Dämon
Verena Hierholzer


Weitere Informationen
erhalten Sie von den
Wuppertaler Bühnen
(Homepage)



Da capo al Fine

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