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22 Räuber und
ein Räuberhauptmann
Nachdem Selman Adas Märchenoper bereits in der letzten
Spielzeit im Rahmen des türkischen Schwerpunktes seine Premiere im Dezember
feiern sollte, die Produktion aber aufgrund technischer Schwierigkeiten mit der
Bühne verschoben werden musste, erlebte nun mit etwas mehr als einem Jahr
Verspätung das 1991 in der Türkei uraufgeführte Werk, das dort mittlerweile als
Einstiegsstück für junge Zuschauer ein unverzichtbarer Teil des Opernrepertoires
geworden ist, seine deutsche Erstaufführung im Tal. Und selbst bei einem Jahr
Verspätung können sich die Wuppertaler Bühnen immer noch rühmen, als erste
deutschsprachige Bühne eine türkische Oper szenisch zu präsentieren.
Operndirektor Johannes Weigand hat hierfür gemeinsam mit der Dramaturgin Ulrike
Olbrich eine deutsche Fassung für die Wuppertaler Bühnen erstellt und nur drei
Lieder im Original belassen. Der Räuberhauptmann (Michael
Tews, Mitte) scheint, seine Bande (Chor, Extrachor und Statisterie) voll im
Griff zu haben. Selman Ada, der in der Türkei nicht nur ein gefragter
Komponist und Pianist ist, sondern 2009 auch zum GMD aller türkischen
Staatstheater ernannt wurde, hat gemeinsam mit seinem langjährigen Freund, dem
Librettisten Tarik Günersel, die 270. Geschichte aus der Märchensammlung
Tausendundeine Nacht um Ali Baba und die 40 Räuber mit leichten
dramaturgischen Eingriffen zu einem märchenhaften Opernerlebnis für Groß und
Klein umgestaltet. So gibt es in der Oper nur einen Toten, nämlich Ali Babas
habgierigen Bruder Kasim, der vom Reichtum in der Räuberhöhle geblendet den
berühmten "Sesam öffne dich" - Spruch vergisst und sich nicht rechtzeitig vor den
zurückkehrenden Räubern in Sicherheit bringen kann. Die Räuber werden, anders als
im Märchen, nicht von der schlauen Sklavin Ali Babas, die hier Nurcihan und
nicht Morgiane heißt, mit siedend heißem Öl überschüttet und getötet, sondern mit
einem Wiegenlied von ihr betört und mit Hilfe von Ali Babas Sohn Abdullah
eingesperrt. Auch der Räuberhauptmann wird nicht bei einem sinnlichen Tanz der
Sklavin erdolcht, sondern von ihr gemeinsam mit Ali Babas Frau Ayşe
und dessen Schwägerin Zeynep als Räuberhauptmann enttarnt. So gibt es für die
Räuber, die sich als Ehemänner der Frauen des Dorfes entpuppen, die Möglichkeit
zur Läuterung und für die verwitwete Zeynep mit dem Räuberhauptmann einen neuen
Ehemann, und Ali Baba wird nicht wie im Märchen zum Bigamisten. Dem
Märchen entsprechend schenkt Ali Baba der treuen Sklavin die Freiheit und macht
sie zu seiner Schwiegertochter, wobei seine Bemerkung, dass zwischen Schwiegertochter und Sklavin
ja kein großer Unterschied bestehe, die ansonsten recht familientaugliche
Fassung in der Härte dieser Aussage wieder in Frage stellt. Ali Baba (Ünüşan Kuloğlu) traut
seinen Augen nicht: Die Schätze der Räuberhöhle machen ihn zu einem reichen
Mann. Das Bühnenbild und die farbenfrohen orientalischen Kostüme
von Markus Pysall unterstützen den märchenhaften Ansatz der Inszenierung. So ist
auf einem Bühnenprospekt eine weite Wüstenlandschaft sichtbar, hinter der je
nach Bedarf eine fantasievolle Räuberhöhle mit zahlreichen Schätzen aus dem
Bühnenboden emporgefahren werden kann oder eine orientalisch anmutende
Häuserwand den Eingang in Kasims Haus, das nach dessen Tod in Ali Babas Besitz
übergeht, zeigt. Das gleiche Bühnenbild errichtet Pysall noch einmal in
kleinerer Ausfertigung von der Rückseite, um zum einen an der Räuberhöhle das
weit entfernte Dorf anzudeuten und zum anderen mit Puppen während einer
Instrumentalphase im zweiten Akt szenisch darzustellen, wie Hazim, einer
der Räuber, mit Hilfe des Schneiders den Eingang zu Ali Babas Haus markiert und
Nurcihan den Plan der Räuber vereitelt, indem sie auch die anderen Türen mit
diesem Zeichen versieht. In einer Videoprojektion von Thomas Dickmeis erscheint
dem Räuberhauptmann auf dem Bühnenprospekt der Geist des gevierteilten Kasim.
Auch die Projektion des Räubers Hazim, der auf einem fliegenden Teppich in die
Stadt schwebt, während die Räuber auf der Bühne zur Musik schnarchen,
unterstreicht die amüsante szenische Umsetzung. Aber Ali Baba hat die Rechnung
ohne seinen habgierigen Bruder Kasim (Olaf Haye) und dessen Frau Zeynep (Joslyn
Rechter) gemacht. Adas Musiksprache bewegt sich zwischen türkischer Volksmusik
mit orientalischen Tänzen und luzider Harmonik des französischen
Neoklassizismus, der sich vor allem in den zart anmutenden Liebesliedern
Abdullahs und Nurcihans widerspiegelt. Dabei wird Abdullahs Liebeserklärung an
Nurcihan in türkischer Sprache belassen, was die romantische Musik mit einem
Hauch orientalischer Poesie versieht, auch wenn dieser innige Moment dadurch
gebrochen wird, dass Abdullah der Angebeteten als Liebesbeweis eine Mokkakanne
überreicht. Neben dem Liebesduett im zweiten Akt wird auch Nurcihans Wiegenlied
im Original belassen, was auch dank Banu Bökes authentischer Interpretation so
anmutig klingt, dass man gut nachvollziehen kann, wieso die Räuberbande von
diesem exotischen Gesang überwältigt wird. Die beschwingten Räuberchöre und
der furiose Dolchtanz machen die Musik recht eingängig und nachvollziehbar,
warum sich dieses Werk in der Türkei solch großer Beliebtheit erfreut, auch wenn
der Handlungsablauf durch zahlreiche Umbaupausen einige Längen aufweist. Teile
des Märchens werden in einem Text auf den Bühnenprospekt projiziert, was bei der
an klassische alte Filmmusik erinnernden Ouvertüre zum Einstieg in das Märchen
recht passend wirkt, im weiteren Verlauf die Geschichte auf der Bühne allerdings
zu häufig unterbricht und somit ein wenig holzschnittartig werden lässt. Ali Babas Sohn Abdullah (Miljan
Milović) liebt die Sklavin Nurcihan (Banu Böke) (im Hintergrund ein versteckter
Räuber (Chor)). Auch wenn die Wuppertaler Bühnen Chor und Extrachor aufbieten
und diesen sogar noch um ein paar tanzende Statisten erweitern, sprengt es die
Möglichkeiten des Hauses eine aus 40 Räubern bestehende Bande auf die Bühne zu
stellen. Aber Johannes Weigand macht aus der Not eine Tugend, indem er
den 23 männlichen Räubern genau 17 Frauen aus der Stadt gegenüberstellt. Da
diese Frauen ja mit den Räubern verheiratet sind, und am Ende nicht ganz klar
wird, ob der Räuberhauptmann nicht weiter auf Raubzüge geht, um sich einen neuen
Schatz und eine andere weitere Höhle zu beschaffen, ist man also letztendlich mit den
Frauen bei der Zahl des Märchens. Während der von Jens Bingert einstudierte
Opern- und Extrachor der Wuppertaler Bühnen durch große Spielfreude gefällt,
wirken die Choreographien bei den Tänzen doch recht hölzern. Besonders die
tanzenden Räuber machen deutlich, wie schade es ist, dass man in Wuppertal für
derartige Inszenierungen kein hauseigenes Ballett zur Verfügung hat, das den
Dolchtanz professioneller präsentieren kann. Vor allem
im Vergleich mit den drei Solistinnen Banu Böke, Joslyn Rechter und Arantza
Ezenarro, die den Räuberhauptmann im zweiten Akt mit einem recht erotisch
anmutenden Tanz verzaubern, fallen die Tanzdarbietungen der Statisterie stark
ab. Für die Titelpartie konnte der türkische Tenor Ünüşan Kuloğlu
gewonnen werden, der erst kürzlich zum besten männlichen Opernsänger der Türkei
gekürt worden ist und Ali Baba mit einem kräftigen Tenor ausstattet, dem
stimmlich vor allem die veristischen Opern zusagen dürften. Darstellerisch
zeichnet er mit einem Hang zur Komik einen recht gemütlichen Charakter, der in
gefährlichen Situationen einen kühlen Kopf bewahrt und in seiner Gutmütigkeit
der naiven Figur aus dem Märchen gerecht wird. Auch Michael Tews setzt als
bärbeißiger Räuberhauptmann mit kernigem Bass zahlreiche komische Akzente, so
dass er keineswegs wie ein blutrünstiger Mörder wirkt, der er ja eigentlich ist,
sondern nur einen geldgierigen Mann darstellt, der mit Ali Babas habgieriger Schwägerin
Zeynep am Ende der Oper sicherlich seine Meisterin gefunden hat. Joslyn Rechter
gibt die misstrauische Zeynep recht zickig und scheint über den Verlust
ihres Mannes sehr schnell hinwegzukommen. Olaf Haye gefällt als Ali Babas Bruder
Kasim, dem sein Verlangen nach Gold zum tödlichen Verhängnis wird, vor allem als
Geist mit ausdrucksstarker Mimik. Miljan Milović und Banu Böke geben als
Abdullah und als Sklavin Nurcihan ein schönes Paar ab, das im Liebesduett
hervorragend harmoniert. Milović lässt mit lyrischem Bariton aufhorchen, und
Böke begeistert einmal mehr mit großer Beweglichkeit in der Stimme und im Tanz.
Florian Frannek arbeitet mit dem Sinfonieorchester Wuppertal die vielschichtige
Partitur Adas differenziert heraus und rundet den Abend musikalisch zu einem
märchenhaften Spektakel für Jung und Alt ab. So gibt es am Ende verdienten und lang anhaltenden Applaus
für alle Beteiligten. Auch der Komponist und der Librettist, die für die
deutsche Erstaufführung nach Wuppertal gekommen sind, werden mit großem Beifall
vom Publikum bedacht. |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung Bühne und Kostüme Choreographie Licht Video Choreinstudierung
Dramaturgie
Opern- und Extrachor Statisterie der Sinfonieorchester Wuppertal Solisten*Premierenbesetzung
Ali Baba
Räuberhauptmann
Kasim Nurcihan
Abdullah
Ayşe Elena Fink Zeynep Schlitzohr Hazim Vekil Salih Temel Anführerin der Frauen Schneider
Tanzende Räuber Puppenspielerinnen
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- Fine -