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In der Steilwand der Angst
Von Joachim Lange
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Fotos von Maik Schuck
An der Komischen Oper Berlin hat sich Christian Jost im letzten Jahr an einer Opernversion von Shakespeares Hamlet versucht. In Weimar war er vor sieben Jahren schon einmal composer in residence. Jetzt hat das Deutsche Nationaltheater seine Spielzeit mit einer Choroper dieses Komponisten eröffnet. Angst. 5 Pforten einer Reise in das Innere der Angst für gemischten Chor, Chorsolisten und Instrumentalensemble so nennt der Komponist seine am 28. Januar 2006 in den Sophiensälen Berlin uraufgeführte Komposition. So umständlich das aber auch klingen mag, das dazugehörige Stück entfaltet seine Wirkung mit einer konzentrierten, suggestiven Wucht. Zumindest wenn man es szenisch und musikalisch so umsetzt, wie es jetzt dem Weimarer Operndirektor Karsten Wiegand, dem neuen GMD Stefan Solyom und dem exzellenten DNT Chor im Weimarer e-werk gelungen ist. ![]()
Hier wird nämlich sowohl die konkrete Episode, die Jost zu dem oratorischen Stück angeregt hat, anschaulich ins Bild gesetzt, als auch dessen Weiterungen ins Existenzielle. Es geht um das elementare menschliche Gefühl Angst in seinen verschiedenen Spielarten. Zugrunde liegt ein Bergsteigerdrama, das sich im Juni 1985 in den peruanischen Anden ereignete. Dort hatte sich Joe Simpson beim Abstieg so schwer verletzt, dass sich sein Partner Simon Yeats zu einer riskanten Abseilaktion entschloss, die missglückte. Simpson rutschte so ab, dass er Yeats über Stunden unaufhaltsam in die Tiefe zog. Vor die Entscheidung gestellt, mit dem Partner gemeinsam in den vermeintlich sicheren Tod zu stürzen, oder das Seil zu kappen, entschied sich Yeats für das Kappen. Doch Simpson überlebte wider Erwarten und versuchte, dieses traumatische Erlebnis in einem Buch zu verarbeiten. ![]()
Im ersten und letzten Teil der fünfteiligen Choroper geht es in einem vom Kollektiv übernommenen inneren Monolog direkt um diese dillemmatische Entscheidung über Leben und Tod im Berg. Dem vor allem spüren Bärbel Hohmanns Bühne und die Kostüme von Andrea Fisser nach. Wie Steilwände stehen sich die beiden Tribünen gegenüber. Die Zuschauer suchen sich ihre Plätze auf einer davon zwischen den Choristen. Die weiß verhängte gegenüber dient zunächst als Projektionsfläche. Hier sieht man den Absturz und einzelne Textzeilen (von Jost und Hölderlin). Wenn dann der Chor auf die andere Seite wechselt, wird die Fläche zwischen diesen beiden Tribünen als Spielfläche einbezogen. ![]()
Dort gibt es dann szenisch sparsam, aber eindrucksvoll gestaltet Reflexionen über den Versuch einer künstlerischen Verarbeitung, die psychologischen Grundlagen oder eine eher naturwissenschaftlichen, von einer Projektion des menschlichen Hirns unterlegte Annäherung an das Phänomen Angst. Jost Musik ist sowohl im Orchesterpart als auch in den Chorpassagen eindringlich, versucht den existenziellen Ausnahmezustand hörbar zu machen. Er nutzt dabei Anspielungen auf Vorbilder von Madrigalen bis zum Jazz. Findet aber immer wieder einen originär drängenden Ton, der Angst in Emotion übersetzt, die unmittelbar ankommt und wirkt. ![]()
Der Weimarer Opernchor folgt dabei der enormen Herausforderung alle Ausdrucksmöglichkeiten vom Wispern und Flüstern über das dramatische Sprechen bis hin zum gesteigerten, losdonnernden Gesang zu gestalten, mit Verve und Überzeugungskraft. Und Stefan Solyom bewährt sich mit Umsicht bei diesem musikalischen Parforceritt durch die Abgründe des menschlichen Grundgefühls Angst. FAZIT Man kann sich im e-werk in Weimar weder der suggestiven Musik von Jost, noch der sparsamen, aber angemessen wirkungsvollen Inszenierung von Karsten Wiegand nicht entziehen. Dem Nationaltheater ist ein anspruchsvoller Auftakt furios geglückt.
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