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Mehr als Hitlers Lieblingsoper
Von Annika Senger / Fotos von Marcus Lieberenz Eugen d'Alberts Oper "Tiefland" ist nach dem Zweiten Weltkrieg mehr oder weniger in Vergessenheit geraten: Das Stück gehörte nicht nur zu Adolf Hitlers musikalischen Lieblingswerken, sondern wurde auch unter dem Nazi-Regime von Leni Riefenstahl verfilmt. ![]()
Nadja Michael (Martha), Torsten Kerl (Pedro), Unbeachtet der Vergangenheit hat es Regisseur Roland Schwab für seine Inszenierung in der Deutschen Oper Berlin wieder ausgegraben - durchaus mit Berechtigung, denn die musikalischen Vorlieben eines Diktators haben schließlich keine Auswirkungen auf die Qualität einer Oper. Ebenso wenig thematisiert "Tiefland" Nazi-Doktrinen: Wie in so vielen klassischen Opern dreht sich alles nur um Liebe, Eifersucht, Gier und Verrat. Zudem wird der Gegensatz zwischen unverdorbener Natur in den Bergen und dem städtischen Moloch mit der Falschheit seiner Bewohner im Tal aufgegriffen. ![]() Fotocredit: Marcus Lieberenz / bildbuehne.de In der Einsamkeit des Hochlands kennt der Hirte Pedro nur eine Gefahr für sich und seine Schafherde: den Wolf. Alles, was ihm in dieser Idylle fehlt, ist eine Frau. Eines Tages taucht der Großgrundbesitzer Sebastiano auf und bietet dem weltfremden Eremiten an, Marta aus dem Tiefland zu heiraten und auch deren Mühle zu übernehmen. Pedro kann sein Glück kaum fassen und willigt ein. Was er aber nicht weiß: Der bankrotte Sebastiano, der mit Marta liiert ist, will sich mit diesem Schachzug den Weg in eine Ehe mit einer reicheren Frau ebnen und im Geheimen seine Beziehung zu Marta aufrechterhalten. Als Pedro hoffnungsvoll ins Tal hinabsteigt, zeigt sich schnell, dass Sebastianos opportunistische Pläne zum Scheitern verurteilt sind ![]()
Nadja Michael (Martha) Schwabs Inszenierung kommt mit einem minimalistisch gestalteten Bühnenbild und schlichten Kostümen aus, womit jedoch eine maximale Wirkung erzielt wird: Ein skipistenartiger Berghang stellt die beiden Ebenen Hochland und Tiefland dar. Kühle Lichteffekte, vorwiegend in Hellblau, visualisieren die Kälte der Menschen im Tal, die wie Spinnen auf Pedro lauern und dementsprechend schwarz bekleidet sind. Als echte Spießbürger tragen sie Spieße, mit denen sie den anfangs naiven Hirten umlagern und wie zum Spießrutenlauf zwingend bei seiner Hochzeit mit Marta Spalier stehen. Der Gang zur Kirche gleicht eher einem Trauermarsch als einem Freudenfest: Wie einen Sarg trägt das neugierige, nach Klatsch und Tratsch süchtige Gefolge höhnisch den Schleier der Braut. Da ihre Vermählung mit Pedro für sie zunächst alles andere als ein Freudenfest ist, weigert sie sich allerdings, ihre Kleidung dem Anlass anzupassen. Ex-Straßentänzerin Marta gilt als Außenseiterin der Gemeinschaft, mit ihrem dezent violetten Kleid hebt sie sich von der schwarz kostümierten Masse ab - ebenso Pedro, dem seine abgewrackte, graue Hirtenkluft über alles geht, oder Martas Freundin Nuri in ihrer rustikalen Bauerntracht. ![]() Egil Silins (Sebastiano). (v.l.n.r.) Fotocredit: Marcus Lieberenz / bildbuehne.de Musikalisch lebt die Oper in erster Linie von Rezitativen, Auf Ohrwürmer, wie man sie aus dem italienischen Fach kennt, wird verzichtet. Stattdessen arbeitet der Komponist mit sich wiederholenden Themen - darunter Pedros verträumt wirkendes Hochland-Motiv einer einzelnen Klarinette oder ein romantischer Melodiebogen, der mehrmals in den Liebesszenen zwischen Pedro und Marta wiederkehrt. Die im Stück auftretenden Figuren sind bis in die Nebenrollen mit hervorragenden Solisten besetzt. Auch wenn es sich bei dem Hirten Nando um eine vergleichsweise kleine Rolle handelt, verdient Jörg Schörners unverkrampfte, geschmeidig klare Tenorstimme ein großes Lob. Torsten Kerl verleiht seiner Interpretation des Pedro eine metallische Färbung und einen leidenschaftlichen Ausdruck. Nadja Michael (Marta) besticht durch ihr enormes Stimmvolumen vor allem in der Mittellage und ihr zur Rolle passendes dramatisches Tremolo, das ihren Ausdruck nur noch verstärkt. Auch Jacquelyn Wagner (Nuri) erntet mit ihrer leicht geführten lyrischen Sopranstimme, die ein wenig an Monstserrat Caballé erinnert, beim Publikum Begeisterung. Egils Silins' kernige Baritonstimme zeichnet die Härte Sebastianos treffend nach. Lediglich der Vokalausgleich könnte an einigen Stellen noch verbessert werden. Das Ende der Oper ist Kitsch pur: Pedro zerreißt männlich heldenhaft einen Maschendrahtzaun, um Marta aus Sebastianos Fängen zu befreien und nach dem letzten Duell mit ihr zurück in die Berge zu ziehen. Hier und da wird im Publikum gelacht und nach dem Sieg des Guten tosender Beifall gezollt.
Durchschnittliche Vorlage, die sich durch originelle Regie-Einfälle und starke Solisten als wiederentdeckter Juwel der Operngeschichte entpuppt. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Bühne
Kostüme
Dramaturgie
Künstlerischer Produktionsleiter
Chor
Solisten
Sebastiano
Tommaso
Moruccio
Marta
Pepa
Antonia
Rosalia
Nuri
Pedro
Nando
Eine Stimme
Pedro-Double
Hund Jule
Opfer der Hundeattacke
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