![]() ![]() |
Veranstaltungen & Kritiken Musiktheater |
![]() ![]() ![]() ![]() |
|
Der Ring am Rhein - nicht rund geraten
Von Christoph Wurzel / Fotos von Hans-Jörg Michel
Dass am Nationaltheater in Mannheim der Teamgeist stimmt, bewies der Schluss der Götterdämmerung. Da erschien nämlich nach zahlreichen Einzelvorhängen zum Schlussapplaus das gesamte Ensemble auf der Bühne - nicht nur Solisten, Chor und Dirigent, sondern auch das Orchester in voller Besetzung, samt den Statisten. Allen galt der frenetische Jubel des begeisterungsfähigen Publikums nach dem vierten Abend dieser Wiederaufnahme von Wagners Ring des Nibelungen in der laufenden Spielzeit. ![]() Das Rheingold: Die drei Rheintöchter hüten das Gold.
Der Ring am Rhein hinterlässt sehr zwiespältige Eindrücke. Uneinheitlichkeit prägt die Realisierung von Wagners Tetralogie: szenisch eine Mischung aus Gelungenem und Ärgerlichem, darstellerisch eine Bandbreite von großer Präzision bis hin zur Beliebigkeit, sängerisch überwiegend Glanzleistungen - und im Orchestergraben stets enorme Deutlichkeit, äußerste Spannung und höchste dramatische Kraft. Dass dieser Ring so umjubelt wurde, ist zuallererst dem Dirigat von Adam Fischer zu verdanken, dessen Stabführung nach dem plötzlichen Tod von Giuseppe Sinopoli ja auch der Ring in Bayreuth anvertraut wurde. Der Regisseur dieser Mannheimer Produktion ist der Operndirektor am Staatstheater Cottbus Martin Schüler, zu dessen Lehrern unter anderen auch Harry Kupfer, Regisseur des Bayreuther Rings Mitte der Achtziger Jahre bis 1992, und Hans Konwitschny zählen, dessen Götterdämmerung in Stuttgart höchste Anerkennung errang und "Aufführung des Jahres 2000" wurde. Dem gegenüber stehen viele ärgerliche Szenen wie die Überwältigung Alberichs im Rheingold, der es an Gemeinheit ebenso wie an Witz mangelte, und besonders die Schmiedeszene im 1. Akt des Siegfried, in der Siegfried mit einem Baumarkt-Hämmerchen auf dem Schwert herumklopft, während Mime in alberner Choreografie auf der Bühne umherhampelt. Und hier zeigt sich offensichtlich die größte Schwäche dieser Inszenierung: Sie will an vielen Stellen einfach zu viele Bilder liefern. Es herrscht bisweilen ein überflüssiger Aktionismus auf der Bühne, der störend wirkt. Er zerstört mehr, als dass er erklären könnte. Sinnfällig wird dies, als Siegfried die Stimme des Waldvogels vernimmt und versteht ( wunderschöne Koloraturen von Marina Ivanova). Dass dann die Sängerin des Waldvogels während dieser Szene aber in wirren und hektischen Bewegungen über die Bühne hüpft, nimmt dem Geschehen gerade den idyllischen Zauber und die intime Innigkeit, die durch die Musik vermittelt werden. Nur wer hier blitzschnell die Augen schloss, konnte genießen. ![]() Siegfried: Der Waldvogel prophezeit Siegfrieds Schicksal. Rechts im Hintergrund: der Wanderer.
Ebenso ärgerlich waren die Videoprojektionen in - gottlob nicht allen - orchestralen Zwischenspielen. Minutenlang wurde dem Publikum während Siegfrieds Rheinfahrt eine Projektion auf den Zwischenvorhang zugemutet, in der nichts anderes zu sehen war, als eine Einstellung, wie der Bug eines Schiffes das Wasser zerteilt. Wagners Musik als Untermalung eines Videoclips! Überhaupt scheint der Regisseur eine Vorliebe zu hegen für Bilder aus der Flimmerkiste. Denn ständig läuft ohne ersichtlichen Grund bei Mime zu Hause (übrigens ein ausgedienter Eisenbahnwaggon, was wohl eine Anleihe aus dem örtlichen Museum für Technik und Arbeit ist) der Fernsehapparat. Passend zur Umgebung sind es Tierfilme und Ansichten von Teichen oder fließendem Gewässer. Auch bei den Gibichungen steht ein flimmernder Bildschirm in der Ecke. ![]() Die Walküre: Sieglinde und Hunding.
Nur unscharf wird deutlich, welche Idee diesem Regiekonzept zugrunde liegt. Wagners Weltendrama ganz ausleuchten zu wollen, kann nicht verlangt werden, aber die gedanklichen Motive, den musikalischen gleich, deutlich auszustellen, dies könnte eine Inszenierung leisten. Einen Ansatz hierfür zeigt die Figur des Wotan. In Schülers Verständnis ist er deutlich von Anbeginn an der Verlorene, Getriebene, zum Untergang Verurteilte. Sein Walhall entlarvt sich schon hier als Koloss auf tönernen Füßen. Frickas Worte gleich zu Anfang "Wotan, Gemahl, erwache" holen ihn nicht aus dem Schlaf, sondern aus einem trügerischen Tagtraum, dessen Preis sein eigener Untergang und der seiner Sippe sein wird. Am Schluss, nach dem Tode Siegfrieds in der Götterdämmerung, kommt Wotan als fast erlahmter und erblindeter Greis an dessen Totenbahre, um schmerzlich die bitteren Früchte seiner abgewirtschafteten Herrschaft zu ernten. Diesen Bogen schlägt die Inszenierung auf eindrückliche Weise, bleibt aber solch kritischer Deutung insgesamt leider nicht treu. Was von den Sängerinnen und Sängern an Rollenportraits geboten wird, scheint vor allem ihrer eigenen darstellerischen Kraft entsprungen. Der Regisseur hat sich auf großartige Sängerdarsteller verlassen können. Hierzu gehören insbesondere der Wotan des Peteris Eglitis, die Walküren - Brünnhilde durch Jayne Casselman, der Hunding Roland Brachts, die Fricka von Cornelia Dietrich, der Rheingold-Alberich von Winfried Sakai und die Sieglinde von Janice Dixon. Die Partie des Siegfried ist mit Wolfgang Neumann besetzt, der seit 1980 verdienstvolles Ensemblemitglied in Mannheim ist. Natürlich ist es schwer, ihm das Kind abzunehmen, als das er immer von Mime angesprochen wird. Darstellerisch ließ er kaum ein Heldentenorklischee aus. Zudem war er zu stark nach vorn zum Dirigenten hin orientiert. Stimmlich im Siegfried unüberhörbar indisponiert, konnte er sich in der Götterdämmerung frei singen. Er neigte aber auch dann noch dazu, in der Höhe zu pressen, war aber im Forte strahlend und stark. Für die erkrankte Jayne Casselman sprang als Brünnhilde in der Götterdämmerung Susan Marie Pierson ein, eine Sängerin von internationalem Format, die der Rolle nichts schuldig blieb. Auch ihr galt am Schluss der berechtigte Jubel des Publikums. Schade nur, dass ihrem Schlussgesang durch überflüssige Regiezutaten viel von der ergreifenden Würde genommen wurde. Sie musste eine Lunte anzünden, die sich über die ganze Bühne hin entflammte, was zu verfolgen für das Publikum viel interessanter erschien als ihrem Gesang zu lauschen. Auch hier gab es wieder viel zu viel zu sehen - dabei hätte man doch nur hören wollen. Die Bühnenarchitektur wurde geprägt von modischem Einheitsgrau. Bühnenrahmen und Zwischenvorhang erschienen als nackter Sichtbeton. Als verbindendes Glied zwischen den vier Teilen steht ein klobiges Sitzmöbel mit einer Stehlampe rechts am Rand der Vorderbühne. Es dient -mal mit mehr, mal mit weniger Sinn- zu vielerlei Sitzgelegenheit. Bühnenbildner Hans Dieter Schaal ist auch Architekt und Ausstellungsgestalter, also vermag er durchaus wirkungsvoll Räume zu gestalten und in den Vordergrund zu rücken. Dass solch postmodernes Ambiente jedoch dem Ring zugute käme, das kann man von diesen Bühnenbildern nicht ohne weiteres sagen. Was die Regie manches Mal zuviel an Bewegung produzierte, das bot das Bühnenbild zu viel an Möblierung. In einigen Bildern scheint den Architekten ein regelrechter horror vacui befallen zu haben, alles wird bis zum letzten Winkel vollgestellt. Der Wald im Siegfried ist ein überdimensionaler, alles erschlagender Haufen von aufgeschichteten Baumstämmen. Den Walkürenfelsen ziert ein riesiges Flugabwehrgeschütz ( dabei kommt doch die Bedrohung dieser Welt nicht von außen, sondern aus ihrer Mitte selbst ) - und - damit nicht genug - auf dem Boden liegen massenhaft Steine herum. Kaum Platz haben da die Walküren mit ihren gefallenen Helden. ![]() Götterdämmerung: Gutrune, Gunther und im Hintergrund Hagen erwarten Siegfried.
Einzig die Beleuchtung bringt Farbe in diesen Ring. Dabei wird die volle Ausleuchtung des Raums bevorzugt: ganze Bühne rot, ganze Bühne blau, ganze Bühne weiß. Auch die Behandlung des Lichts trägt zu dem Eindruck bei, es handle sich eher um ein modisches Environment als darum, eine Geschichte spannend zu erzählen. Mancher Effekt gibt Rätsel auf: Warum wird die Bühne zu Brünnhildes Worten "Heil dir, Sonne. Heil dir, Licht" in helles Algengrün getaucht bei grauem Himmel? Warum wird abgedunkelt, wenn Siegfried die Gibichungenhalle zum ersten Mal betritt, wo er doch dort sehnlichst erwartet wird? ![]() Götterdämmerung: Die Rheintöchter holen sich den Ring zurück.
Allein die Musik! Das Orchester war hervorragend disponiert. Zwar gab es die im Eifer des Gefechts fast allerorts üblichen kleinen Patzer im Blech, dennoch war das Spiel präzise und agil. Siegfrids Hornsignale hätte frischer und stürmischer nicht sein können. Adam Fischer setzte auf einen wohlkalkulierten Spannungsaufbau, die Dramatik kam auf den Punkt. Die Motive wurden plastisch herausgearbeitet und sprachen förmlich aus dem Orchestergraben. Die Tempi waren bewegt, aber nicht hektisch. Genug Zeit ließ der Dirigent für die Entwicklung großer Tongemälde. Die Dynamik war beeindruckend. Das deutete sich schon im Vorspiel zum Rheingold an und hielt bis zum Schluss der Götterdämmerung vor. Der Orchesterklang war stets schlank ausgebildet, nur an ganz wenigen Stellen überdeckte die Musik die Sänger. Fischer betonte das Ganze der Musik und ließ "nur" begleitende Stellen mit ebensolcher Präzision spielen wie die Highlights, die wohl im gebührenden Pathos, aber nie besinnungslos pompös daherkamen. Was die Bühne nicht ganz einlösen konnte, wurde von der musikalischen Seite her bravourös erfüllt: im Mythos eine Welt zu malen, vor der der Zuschauer staunend steht.
|
ProduktionsteamMusikalische LeitungAdam Fischer
Inszenierung
Bühne
Kostüme und Requisiten
Projektionen
Licht
Dramaturgie
SolistenVorabend: Rheingold
Wotan
Donner
Froh
Loge
Alberich
Mime
Fasolt
Fafner
Fricka
Freia
Erda
Woglinde
Wellgunde
Floßhilde
Siegmund
Hunding
Wotan
Sieglinde
Brünnhilde
Fricka
Helmwige
Gerhilde
Ortlinde
Waltraute
Schwertleite
Grimgerde
Siegrune
Rossweiße
Siegfried
Mime
Der Wanderer
Alberich
Fafner
Erda
Brünnhilde
Waldvogel
Zwei Raben
Hornsolo
Siegfried
Gunther
Hagen
Alberich
Brünnhilde
Gutrune
Waltraute
Erste Norn
Zweite Norn
Dritte Norn
Woglinde
Wellgunde
Flosshilde
Wotan
Zwei Raben
|
© 2001 - Online Musik Magazin
http://www.omm.de
E-Mail: oper@omm.de
- Fine -