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Orlando (furioso)


Dramma per musica in tre atti

di Grazio Braccioli, da Ludovico Ariosto
Revisione a cura di U. Roseman jr.

Fassung von Jan Michael Horstmann und Martin Griesemer

Premiere im Opernhaus Wuppertal am 6. Juni 1996
(besuchte Aufführung: 12. Juni 1996)

Besetzung
Musik
Inszenierung
Fotos
Fazit
weitere Aufführungen


Von Tilman Lücke (zur Inszenierung) und Gerhard Menzel (zur Musik)




Besetzung

Musikalische Leitung: Jan Michael Horstmann
Inszenierung:  Holk Freytag
Bühnenbild und Kostüme: Wolf Münzner
Choreographie: Markus Michalowski/Hajo Schüler

Orlando Hans Christoph Begemann
Angelica Claudia Visca / Melba Ramos
Medoro Patrick Henkens / Andreas Wagner
Alcina Veronika Waldner
Ruggiero Bernhard Spingler
Bradamante Anette Jahns
Astolfo Martin Hosch
Mitglieder des Folkwang-Tanzstudios
Statisterie der Wuppertaler Bühnen
Sinfonieorchester Wuppertal




Musik

Den Traditionen barocker Aufführungspraxis folgend - jede Neuproduktion wird den augenblicklichen personellen und räumlichen Gegebenheiten angepaßt - erstellten die Wuppertaler Bühnen eine bearbeitete Version des Orlando (furioso) von Antonio Vivaldi.
In der Fassung von Jan Michael Horstmann (musikalische Leitung) und Martin Griesemer (Dramaturgie) wurden die Arien zwar (weitestgehend) im Original belassen, aber die Rezitative wurden ins Deutsche übertragen und von Jan Michael Horstmann neu gesetzt. Dieses kam der "allgemeinen Verständlichkeit" zwar zugute, aber die weder an barocke, noch an eine durchgehend moderne Sprache angelehnten Texte, wirkten meist eher peinlich als überzeugend - wodurch sie sich allerdings dem Niveau des Gesamtkonzeptes problemlos anpaßten! Die Wiedergabe durch die Sänger ließ den Eindruck entstehen, daß weder sie selbst, noch irgend einer der an der Produktion Beteiligten, mit (den) Rezitativen etwas anfangen konnten. Dabei gilt gerade diese Oper Vivaldis als einer der Höhepunkte der barocken italienischen Oper, gerade was die Behandlung der Rezitative angeht!

Gesungen wurde ansonsten - bis auf die Angelica von Claudia Visca - durchaus akzeptabel. Anette Jahns (Bradamante), Veronika Waldner (Alcina) und Hans Christoph Begemann als Klavier und Geige spielender Orlando konnten ihre Partien anscheinend noch am ehesten sinvoll gestalten.

Jan Michael Horstmann versuchte mit Mitgliedern des Sinfonieorchester Wuppertal, durch Dynamik und einige Akzente etwas von der barocken Musik Vivaldis zu vermitteln. Die instrumentalen Einlagen aus verschiedenen anderen Werken Vivaldis, ließen dann zum Teil doch noch etwas von der - eigentlich gar nicht langweiligen - Musik Vivaldis erkennen, wenn auch immer durch die Brille von "Städtischen Sinfonikern".




Inszenierung

Dieser Orlando (Hans Christoph Begemann) ist zu bedauern: Allzu offensichtlich unbewegt und unbeteiligt läßt ihn der merklich opernunerfahrene Regisseur und Schiller-Propagandist Holk Freytag auf der Bühne herumstehen. Dieser Orlando (wie gesagt: Hans Christoph Begemann) ist zu bewundern: Der Mann darf singen (das kennt man), das Wuppertaler Sinfonieorchester verprügeln (das wollte man schon immer mal), virtuos auf der Geige brillieren (das ist neu) und melancholisch das Pianoforte bearbeiten (das ist schon fast ein Einfall).

Dieser Orlando ist GI, und diese Oper spielt im Berlin von 1945. Alcina ist Siegessäule, die Vorspiegelung falscher Tatsachen oder vielleicht auch schlichtweg der Kommunismus schlechthin. Orlando ist der starke Roland - eine Traditionsfigur mitteleuropäischer Epik. Bei Holk Freytags Inszenierung kämpft er vom Himmel herabschwebendend mit einem Laserschwert gegen eine alte Nazi-Seilschaft; doch erst die von den Frauen beschworenen Geister treiben ihn wirklich zum Wahnsinn.

Die Bühne (Bühnenbild und Kostüme: Wolf Münzner) besteht aus einem kunstgewerblichen Trümmerhaufen, auf dem sich die Figuren nichts zu sagen, nichts zu zeigen haben. Sie begegnen sich kaum, gehen aneinander vorbei. Aber ach, das ist kein inszenatorischer Einfall, sondern Einfallsarmut, Ideenlosigkeit par excellence.

Das Orchester sitzt auf der Bühne, wird auf- und abgefahren: Wo hat man es nur schon mal gesehen, in Butzbach, Hintertupfing oder Oberkotzau? Am Schluß ist alles Torso, Ruine, Chaos - wie bezeichnend und doch so geistig öde, leer. Tiefsinn wird hier vorgegaukelt und keine Versprechung erfüllt, keine Erfahrung gemacht.

Bitter ist der zweite Teil: Nicht nur die Symmetrie der Oper ist seltsam aus dem Gleichgewicht gekommen, auch bedauert man sein Ausharren im peinlich berührten Wuppertaler Opernhaus: Die gegen Orlando zeitlupenartig kämpfenden Geister sind schwarze Monster (Folkwang-Tänzer in der Choreographie von Markus Michalowski/Hajo Schüler) mit aufgemalten Skelett-Knochen. Die Auseinandersetzung hätte jedes Schülertheater überzeugender, weil verschämter inszeniert. Holk Freytag aber inszeniert schlichtweg unverschämt. Eine Zumutung. Dumm.




Fotos






Fazit

Musikalisch hat diese Produktion nicht so viel aufzubieten, daß sie die szenische Dürftigkeit in den Schatten stellen könnte.

Das OMM-Redaktionsteam empfiehlt Wuppertaler Opernfreunden, den Machwerken des Schillerfreundes Freytag fernzubleiben - Nahverkehrstickets sind nicht teuer und das OMM informiert regelmäßig über erträgliche Inszenierungen der Region!




weitere Aufführungen

Juni '96: 15., 22., 30.

in Wuppertal

September '96: 28.
Oktober '96: 3., 6., 18., 27.
November '96: 3., 15., 22.

in Gelsenkirchen

Mai '97: 18. (Premiere), 22.
Juni '97: 1., 11., 13., 15.



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