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Mendelssohn mit glänzender Oberfläche
Von Stefan Schmöe
Es gab doch tatsächlich an der Tageskasse noch Restkarten für dieses Konzert am Sonntagmorgen, und dass, obwohl für die laufende Saison alle Veranstaltungen in der Elbphilharmonie ausgebucht sind. Unschlagbare 10 € (für sehr ordentliche Plätze) hätten Kurzentschlossene hinblättern müssen – da sage noch einer, die Hochkultur sei unerschwinglich. Man müsse halt Glück haben, so die lapidare Auskunft an der Kasse auf die erstaunte Nachfrage hin, wie das möglich sei. Ob kurzfristig noch alle Karten verkauft wurden? Einige Plätze blieben leer, erstaunlicherweise. Das muss sich noch einpendeln, wie auch das Verfahren an den offensichtlich deutlich zu klein dimensionierten Garderoben (auch Damentoiletten scheint es arg wenig zu geben). Geduld ist überdies gefragt, wenn man das Gebäude nach dem Konzert gleichzeitig mit rund 2100 anderen Musikfreunden über im Wesentlichen eine einzige Rolltreppe verlassen möchte. Die spektakuläre Lage auf dem alten Hafenspeicher bringt es eben auch mit sich, dass der Platz begrenzt ist. Nun aber zur Kunst. Angekündigt war im Vorfeld Mendelssohns Lobgesang-Symphonie, nicht dagegen der erste Teil des Programms – der erwies sich dann als identisch mit dem bis zuletzt geheim gehaltenen ersten Teil des Eröffnungskonzerts (mit dem sehr ordentlichen Countertenor Alex Potter anstelle des allerdings unverwechselbaren Philippe Jaroussky). Eine Folge von nahtlos aneinander anschließenden Werken und Werkausschnitten von Britten über Praetorius bis Messiaen, die den Raum erkunden und erobern – Christoph Wurzel hat das in seiner Rezension ausführlich beschrieben, und auch an diesem Vormittag bestätigt sich der Eindruck, dass der Saal auch große Klangmassen verträgt, seine Transparenz behält. Folgte dort im zweiten Teil (u.a.) das Chorfinale aus Beethovens 9. Symphonie, so steht hier also Mendelssohns etwas merkwürdiges Werk auf dem Programm, halb Symphonie, halb Kantate für Chor, drei Solisten und Orchester, was Chefdirigent Thomas Hengelbrock aber die Möglichkeit gibt, ein (zeitlich) größer dimensioniertes Werk im Ganzen vorzustellen, noch dazu von Mendelssohn, den Hengelbrock einmal als den am meisten unterschätzten Komponisten bezeichnet hat. Mit dem Balthasar-Neumann-Ensemble hat Hengelbrock dessen Musik in kammermusikalischer Prägnanz aufgeführt, der Mitschnitt des Elias ist jüngst auf CD erschienen. Für die Elbphilharmonie hat er sich für einen anderen Ansatz entschieden: Mendelssohn in der Tradition der großen Oratorien, mit monumentaler Orchesterbesetzung und großem Chor symphonischem Gepräges. Zwar wählt er auch hier flüssige Tempi und hält den Streicherklang schlank – der dürfte bei dieser Auffassung indes ruhig opulenter, voller, erdiger sein. Hier klingt alles sehr hell, das strahlende Blech dominiert. Sehr schön die Holzbläser (herausragend die Solo-Klarinette). In der klanglichen Auffächerung wie in der Artikulation aber bleiben Hengelbrock und das Orchester allzu stromlinienförmig, nicht nur im Vergleich zum erwähnten Elias, sondern auch gemessen an der Interpretation der Werke des ersten Teils, etwa Bernd Alois Zimmermanns faszinierender und grandios vibrierender Komposition Photoptosis. Gemessen an dem, was man von Hengelbrock schon gehört hat, bereitet das eine gewisse Enttäuschung, selbst wenn man einrechnet, dass der Lobgesang nicht zu den stärksten Werken des Komponisten gehört. Der Chöre des Bayerischen und Norddeutschen Rundfunks mit rund 70 Sängerinnen und Sängern haben natürlich die erforderliche Durchschlagskraft, werden im Fortissimo besonders in den Männerstimmen aber auch gelegentlich dröhnend. Beeindruckend dagegen der sorgfältig ausgestaltete, vom satten Alt grundierte Choral Nun danket alle Gott. Maria Bengtssons warm leuchtendem Sopran wird im Ausdruck limitiert durch das eher pauschale Vibrato; der kühler temperierte, ungemein charismatische Sopran von Hanna-Elisabeth Müller (für Julia Kleiter eingesprungen) ist klarer und prägnanter. Pavol Breslik macht seine Sache mit leichtgängigem, unangestrengtem, nicht zu kleinem, dabei ein wenig farblosem Tenor ordentlich. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
AusführendeNDR Elbphilharmonie OrchesterNDR Chor Einstudierung: Philipp Ahmann Chor des Bayerischen Rundfunks Einstudierung: Howard Arman Ensemble Praetorius Kalev Kuljus, Oboe Alex Potter, Countertenor Margit Köll, Harfe Thomas Bloch, Ondes Martenot Xie Ya-ou, Klavier Iveta Apkalna, Orgel Maria Bengtsson, Sopran Hanna-Elisabeth Müller, Sopran Pavol Breslik, Tenor Dirigent: Thomas Hengelbrock WerkeBenjamin Britten:Pan aus: Sechs Metamorphosen nach Ovid für Oboe Solo op. 49 (1951) Henri Dutilleux: aus Mystère de L’Instant: Appels – Echos – Prismes (1989) Emilio de' Cavalieri / Antonio Archilei: Dalle piu alte sfere für Countertenor und Harfe aus: La Pellegrina (1589) Bernd Alois Zimmermann: Photoptosis für großes Orchester (1968) Michael Praetorius: Mottette Quam pulchra es (1606) Rolf Liebermann: Furioso für Orchester (1947) Giulio Caccini: Amarilli, mia bella für Countertenor und Harfe aus: Le nuove musiche (1601) Olivier Messiaen: Turangalîla-Sinfonie (1948) 10. Satz: Finale -- Pause -- Felix Mendelssohn Bartholdy: Sinfonie Nr. 2 B-Dur op. 52 »Lobgesang« für Soli, Chor und Orchester
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