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Veranstaltungen & Kritiken Musikfestspiele |
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Mit Herz und Feuer
Von Christoph Wurzel Mangels einer geschichtlich
gewachsenen Musiktradition schuf der tief in der Kultur der
Ostküsten-Puritaner verankerte Charles Ives, dessen Hauptwerke
beim Musikfest in so großartiger Weise vorgestellt wurden, aus
divergierenden musikalischen Mitteln seinen eigenen Stil, mit dem er
schließlich zum „Vater“ der amerikanischen Kunst-Musik avancieren
sollte. Auch George Gershwin, der
Sohn eines aus dem zaristischen Russland ausgewanderten
Synagogenkantors, im Melting Pot New York geboren und aus bescheidenen
Verhältnissen als musikalischer Selfmademan empor gewachsen,
verstand es souverän, die unterschiedlichsten musikalischen Linien
zu einem Ganzen zu verschmelzen, den gerade boomenden Jazz mit
klassischer Symphonik, den Stil der Broadway-Songs mit der Gospelmusik
der Afroamerikaner. Ihm gelang es, die erste amerikanische Oper zu
schreiben. Weil Porgy and Bess
musikalisch so tief im Volkstümlichen wurzelt, nannte Gershwin
selbst sein Werk daher zu Recht „An American Folk Opera“, wenn
ihm auch bei der Uraufführung mit voreingenommener Kritik begegnet
wurde. Dies zum einen wegen der „schwarzen Thematik“, dann aber auch
wegen der, wie es hieß, „halbherzigen“ Mischung aus Oper
und Musical. Musikalisch wirkt die Vielfalt der Ausdrucksformen in
diesem Werk auf uns heutige Hörer dagegen faszinierend. Inhaltlich
berührt die Geschichte der Leute im Schwarzen-Ghetto trotz manch
sentimentaler Züge zudem ebenfalls. Und dies umso mehr, wenn das
Werk auf so enthusiastische Weise präsentiert wird, wie es in
Berlin nun zu erleben war.
Bereits vor einigen Jahren hatte Simon Rattle mit den Philharmonikern Auszüge aus Porgy an Bess in einem Konzert präsentiert. Beim diesjährigen Musikfest mit dem Thema Amerika durfte dieses Werk natürlich nicht fehlen: zwar nicht in voller Gänze gespielt - diese erreichte wohl Wagnersche Dimensionen -, aber doch in einer mehr als dreistündigen Fassung ausführlich mit den auskomponierten Rezitativen, die dieses Werk überzeugend zur großen Oper machen. Obwohl konzertant geboten, gelang zugleich, weil die Sängerinnen und Sänger ausnahmslos ihre Rollen gestisch mit Verve füllten, eine so dramatisch spannungsvolle Aufführung, dass der Widerspruch zwischen der festlichen Garderobe der Ausführenden und dem Armenmilieu der Handlung nicht einmal störte. Wie man
weiß, gibt es die verbindliche Vorschrift, dass Porgy and Bess nur von farbigen
Darstellern gespielt werden darf (nur die Amtspersonen sind
Weiße), anders wäre die Handlung niemals authentisch. Dass
bei dieser Aufführung zudem der Chor aus Südafrika kam,
erhöhte die Authentizität der Aufführung allerdings noch
beträchtlich. Denn in den Volksszenen, besonders den
religiösen Passagen, entfachten die exzellent geschulten
Sängerinnen und Sänger (auch einige Weiße darunter) in
Rhythmik und Klang solch mitreißendes Temperament, wie es
Gershwin selbst bei seinen Besuchen bei den Gullahs, aus Angola
stammenden Afroamerikanern auf Folly Island nahe dem Handlungsort
Charleston in South Carolina, erlebt haben mag. Unbeschreiblich gut war
dieser Chor! Klar auch, dass auswendig gesungen wurde, sonst hätte
diese Vitalität nicht entstehen und sich solche Elastizität
nicht ergeben können. Zu einem der Höhepunkte wurde im
Übrigen das von sechs Chor-Solisten verteilt auf Emporen in allen
Ecken der Philharmonie simultan gesungene Gebet "Oh, Doctor Jesus", womit
die Menschen der Catfish Row ihre Angst vor dem drohenden Unwetter zu
dämpfen versuchen Dazu war ein großartiges Solistenensemble versammelt. Rodney Clarke (Jake) und John Fulton (Robbins) mit kernigen, jungen Stimmen. Den diabolischen Sportin’Life gab Howard Haskin in einer Mischung aus Mephisto und Dandy. Lester Lynch sang bezwingend stark den aggressiven Crown. Andrea Baker als Serena und Angel Blue als Clara glänzten in den Partien der jüngeren Frauen mit großen Stimmen. Leider nicht ganz so präsent war Tichina Vaughn als Maria. Die Rolle des Peter sang hervorragend der Chorsolist Andile Tshoni. Großartig, den in dieser Rolle so erfahrenen und souveränen Willard White als Porgy zu erleben. Neben ihm überzeugend die kurzfristig verpflichtete Latonia Moore als Bess. Rattle dirigierte die Philharmoniker hoch konzentriert und doch zugleich locker. Diese spielten mit sichtlicher Freude und vor allem in den symphonischen Passagen mit großer Geschmeidigkeit. Besonderen Beifall erhielt und verdiente Wayne Marshall, der schon gleich zu Beginn mit seinem Blues-Solo am Klavier vorgab, mit welch rhythmischen Finessen den Abend über zu rechnen war. Fazit Ein
ganz großer Abend, der vom begeisterten Publikum frenetisch bejubelt wird. Ihre Meinung ? Schreiben Sie uns einen Leserbrief |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Solisten
Bess
Serena, seine Frau
|
- Fine -