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Veranstaltungen & Kritiken Musikfestspiele |
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Ein schönes Lied von Liebe und Todvon Stefan Schmöe / Fotos von Paul Leclaire und Clärchen und Matthias Baus
Ensemble (Foto: Clärchen und Matthias Baus)
Le vin herbé ist kein Stück für die Theaterbühne. So hat es der Komponist verfügt, und Frank Martins Witwe hat es anlässlich der szenischen Wiedergabe im Rahmen der Ruhrtriennale noch einmal bekräftigt. Martin hat das Werk als weltliches Oratorium bezeichnet, und auch die textlich-kompositorische Anlage ist undramatisch. Textgrundlage ist der Roman Tristan und Isolde (Le roman de Tristan et Iseut, 1900) des französischen Schriftstellers Joseph Bedier (1864 1938), der den Tristan-Stoff archaisierend nacherzählt. Martin hat Ausschnitte aus diesem Prosatext im Original übernommen. Dabei bilden zwölf Sänger einen Chor, der die Erzählhandlung vorträgt; nur bei wörtlicher Rede (die allerdings größere Passagen einnimmt) springen sie solistisch in die verschiedenen Rollen. Das Gewicht dieser solistischen Passagen allerdings verleiht dem Stück relativ starken szenischen Charakter. Damit hat Martin eine Struktur geschaffen, die zwischen oratorischer Form und Musiktheater changiert ein imaginäres Theater, das vor dem inneren Auge entsteht. Trotzdem hat es in der Vergangenheit wiederholt szenische Aufführungen gegeben, und auch die Ruhrtriennale wagt sich nun an eine Bühnenfassung. ![]() Tristan und Isolde (Foto: Paul Leclaire)
Regisseur Willy Decker und Bühnenbildner Wolfgang Gussmann ist es auf geniale Weise gelungen, eine Synthese beider Sphären zu schaffen, die gleichzeitig die Spannung zwischen oratorischem und musiktheatralischem Charakter aufzeigt, ja sogar zum Gegenstand der Inszenierung macht. Mit sehr klaren und einfachen Mitteln deuten sie die Handlung an, ohne die konzertante Situation völlig aufzugeben. In der ehemaligen Gebläsehalle des ehemaligen Hochofenwerks sitzt das Publikum auf zwei Tribünen um eine ringförmige Spielfläche herum, in deren Mitte das Mini-Orchester, bestehend aus 6 Streichinstrumenten und Klavier, und zunächst auch der Chor postiert sind. Die Sänger, dem gewöhnlichen Konzerthabitus nach in Anzug oder schwarzem Kleid gekleidet (nur Tristan und Isolde tragen weiße Farben), treten bald heraus und markieren Handlungselemente. Es gibt wenige, überdimensionierte Symbole, nämlich Schwert, Krone und eine Kugel, und zusätzlich ein Boot, allesamt wie mit weißer Kreide auf schwarzer Pappe umrissen damit ist jeder naturalistische Anflug im Keim erstickt und eine sehr abstrakte Ebene erreicht. Die Kugel lässt sich in zwei halbkugelförmige Schalen teilen und wird zum Sinnbild von Vereinigung und Trennung der Liebenden. ![]() Ensemble (Foto: Clärchen und Matthias Baus)
Anders bei Richard Wagners übermächtiger Tristan-Vertonung ist das psychologisierend-erklärende Moment zurückgedrängt zu Gunsten einer klaren Handlung. So trinken Tristan und Iseut, wie die Isolde im französischen Text heißt, den Liebestrank nur aus Zufall, was die Wagnerschen Verwicklungen im Wesentlichen erspart. Die vermeintliche Einfachheit ist aber keine Simplifizierung, vielmehr konzentriert sie die Handlung auf wesentliche Elemente. Diese hat Frank Martin in einer fein ziselierte Musiksprache, die entfernt an Debussys Pelleas et Melisande erinnert, mit stark reduzierten instrumentalen Mitteln und einem entsprechend gewichtigen Anteil der Vokalstimmen. Es entsteht eine unendliche Melodie, oft sehr zart, aber auch mit nicht undramatischer Kraft. ![]() Ensemble (Foto: Clärchen und Matthias Baus)
Phänomenal ist die musikalische Umsetzung gelungen. Das betrifft einerseits die sehr differenziert spielenden Musiker der Jungen Deutschen Philharmonie, vor allem aber das sehr homogene Sängerensemble. Die Anforderungen sind immens, denn die Sänger müssen des chorischen Klanges wegen sehr genau aufeinander abgestimmt sein die komplexe Harmonik in mitunter extremen Lagen verlangt eine absolut saubere Intonation, zumal die kammermusikalische Begleitung jede Schattierung hörbar macht. Das erfordert auch ein Stück Rücknahme der eigenen spezifischen Stimmfärbung, die sich dem Kollektiv unterordnen muss. Andererseits ist in den ebenfalls sehr anspruchsvollen solistischen Passagen dann auch der persönliche Ausdruck, eben eine solistische Stimmführung gefragt. Nicht nur Sinéad Mulhern als Iseut und Finnur Bjarnason als Tristan bewältigen diese Anforderungen famos, das gesamte Ensemble besticht durch außerordentliche Gesangskultur, sauber und klangschön und dennoch dramatisch zupackend. Es entsteht ein schwebender, dabei sehr variabler Klang. Dirigent Friedemann Layer leitet die Aufführung mit großer Souveränität.
Grandiose Entdeckung eines viel zu wenig bekannten Meisterwerks - musikalisch und szenisch überragend. Ihre Meinung ? Schreiben Sie uns einen Leserbrief |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Regie
Bühne und Kostüme
Licht
Solisten
1. Sopran
2. Sopran, Iseut
3. Sopran, Branghien
1. Alt
2. Alt, La Mére d'Iseut
3. Alt, Iseut aux blanche Mains
1. Tenor
2. Tenor, Tristan
3. Tenor, Kaherdin
1. Bass
2. Bass, Le Roi Marc
3. Bass, Le Duc Hoel
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