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Veranstaltungen & Kritiken Musikfestspiele |
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Heilig und profanVon Christoph Wurzel / Fotos von Jaqueline Krause-Burberg und Bayerische Theaterakademie
So nah und doch so unterschiedlich - zwei Werke aus gleicher Entstehungszeit, aber mit extrem verschiedenem Sujet brachten die diesjährigen Händel-Festspiele auf die Opernbühne. Reinhard Keisers "Fredegunda" entstand 1715 für die Hamburger Gänsemarktoper, wo Keiser nicht nur Hauskomponist, sondern auch Kapellmeister und schon Direktor war, als der achtzehnjährige Georg Friedrich Händel dort 1703 eintraf und sich seine ersten musikalischen Sporen verdiente, zuerst als Tuttigeiger, dann als Komponist für dieses erste öffentliche Opernhaus im deutschen Sprachraum. Die dort uraufgeführte "Almira" konnte man in Karlsruhe bei den Händel-Festspielen 2005 erleben (OMM-Kritik). Wohl wegen Unterforderung verließ Händel schon nach zwei Jahren die Hansestadt wieder. Es zog ihn an die Quelle der damals neuen Musik, nach Italien - nach Rom. Dort stieg "il Sassone" bald zum Liebling der Gesellschaft auf, erregte mit seinem musikalischen (wohl auch sonstigem) Charme erhebliches Aufsehen, logierte u.a. beim Neffen des Papstes. La Resurrezione![]() und Heidrun Kordes (Maddalena)
Unter den Fittichen der bedeutendsten Mäzene des Kunstlebens und allerhöchster Kreise des römischen Kirchenadels wurde am Ostersonntag des Jahres 1708 dort das Oratorium "La Resurrezione" aufgeführt, und zwar mit großem Aufwand und entsprechendem Erfolg. Arcangelo Corelli spielte als Konzertmeister des üppigen Orchesters, der namhafte Maler Cerruti hatte eigens ein pompöses Bühnenbild entworfen und bedeutende Sänger waren engagiert worden, darunter allerdings auch, zum Missfallen des Papstes, eine Sängerin in der Rolle der Maria Maddalena. Die öffentliche Resonanz aber war groß. Die römische Tageschronik verzeichnet das Werk als "un belissimo oratorio" und die Aufführung als "ben' ornato". Bei insgesamt 5 öffentlichen Darbietungen müssen im Palast des Marchese Ruspoli etwa 1500 Zuhörer anwesend gewesen sein. ![]()
Kirsten Blaise (Angelo) und
Also schon bei seiner Uraufführung war "La Resurrezione" in quasi szenischer Form gegeben worden. Nicht allein dies, auch der eminent dramatische Gehalt der Musik und auch des Librettos legten es daher nahe, dieses Oratorium nun in Karlsruhe in einer szenischen Aufführung zu präsentieren. Und die bestach durch eine überaus phantasievolle Gestaltung, welche die Vielschichtigkeit des Werks deutlich zum Vorschein brachte. ![]() Tobias Schabel (Lucifero)
"Roter Faden" des Librettos ist die Auseinandersetzung des Engels mit dem Teufel (der ja nichts als ein gefallener Engel ist) um den Triumph über den Tod. Wer diesen Kampf schließlich gewinnt, ist klar, aber diese Anlage birgt dennoch einige Spannung in sich und bietet nicht nur Gelegenheit zur geistlichen Reflexion, sondern auch zur Ausstellung ganz menschlicher Affekte. So ist Lucifero etwa eine Wutarie zugeschrieben, die es in sich hat. Alle Mächte der Hölle ruft er auf, um dem Himmel die Stirn zu bieten. Tobias Schabel blieb diesen Rollenanforderungen nichts schuldig. Die von klarer Symbolik geprägte Ausstattung Peer Boysens steckte die Gegenspieler Engel und Teufel in fast identische Kostöme und seine Regie lockte aus ihrer Darstellung ironische Anspielungen auf moderne Beziehungskisten heraus - der Streit zwischen Himmel und Hölle gleichsam als Ehekrach im Hause (B)Engel. Auch Kirsten Blaise füllte mit geläufiger Kehle und temperamentvollem Spiel ihre Rolle als Angelo beeindruckend aus. ![]()
Kai Wessel (Cleofe),
Die übrigen drei Gesangspartien sind den biblischen Gestalten Maria Magdalena, Maria Cleophas und dem Apostel Johannes gewidmet. Diese drei betrauern in zahlreichen Rezitativen und Arien den Tod Jesu und geben zu intensiven theologischen Betrachtungen Anlass. Boysen hatte die Protagonisten in prächtige barocke Kostüme gesteckt und sie so einerseits eindeutig der irdischen, menschlichen Sphäre zugeordnet, sie aber auch andererseits in der Entstehungszeit des Werks fixiert und zugleich uns fern gerückt - ein Verfremdungseffekt, der ihren Text auch den weniger religiös affizierten Menschen von heute erträglich oder vielleicht auch bedenkenswert machen konnte. Zudem bekam die Schönheit und Erhabenheit der Musik auf diese Weise besonderen Stil und Glanz. Hinzukommt, dass die drei Interpreten Heidrun Kordes als Maddalena, Kai Wessel als Cleofe und der aus dem Karlsruher Ensemble stammende Bernhard Berchtold als Giovanni ausgezeichnet sangen und sich in den üppigen Kostümen würdevoll bewegten. ![]()
Die Bühne war als eine Art Rundtheater entworfen mit klassizistischen Applikationen, was an den Ort der ersten Aufführung in Rom erinnern mochte. Ein bisschen zu viel des Guten war sicherlich mit allerlei religiösen Ornamenten und Bildern getan, die zum Teil als Zitate bekannter Kunstwerke den biblischen Erzählkern illustrieren sollten. Der über die Bühne getragene Leichnam Jesu oder das postmodern-neobarocke Ballett verdoppelten nur, was lieber durch Text und Musik der Phantasie der Zuschauer überlassen geblieben wäre. ![]()
Kirsten Blaise (Angelo) und
Sei's drum - in dieser szenischen Fassung war Händels meisterliches Jugendwerk schon ein ästhetischer Gewinn - und mehr noch durch seine musikalische Präsentation. Die Deutschen Händel-Solisten, ein speziell für die Festspiele zusammengekommener Klangkörper, spielten farbenreich und dynamisch gespannt. Michael Hofstetter leitete eine außergewöhnlich expressive und zugleich klangschöne Aufführung. Fredegunda![]()
Neben so viel würdevoll geistlicher Erbauung nahm sich die Inszenierung von Keisers "Fredegunda" recht flegelhaft aus. Kein Wunder, denn es handelte sich um eine Produktion ganz junger Künstler, die diesem Drama aus permanenter Balzstimmung einen enormen Drive gaben und daran sichtlich Vergnügen hatten. Tilman Knabe erzählte die Geschichte aus der germanischen Urzeit (immerhin fußt sie auf historischen Begebenheiten vor 1440 Jahren!) als eine Story aus viel Action, noch mehr Sex und ein wenig Crime unter heutigen Führungskräften, ob in Staat oder Wirtschaft. Durchaus ansehnliche Dessous gehörten bei dieser Produktion ebenso zur Kostümausstattung (verantwortlich: Gabriele Rupprecht) wie todschicke Oberbekleidung in der Manier der angesagtesten Modedesigner. Und Knabe ließ - na sagen wir mal - sehr körpernah spielen, was dann jede weitere Erklärung erübrigt. ![]() Maria Erlacher (Fredegunda)
Die Handlung lässt sich gar nicht in wenigen Worten erzählen. Kurz gefasst geht es um Fredegunda, die vom Dienstmädchen über die Mätresse zur Königin, d.h. zur rechtmäßigen Gattin des fränkischen Königs Chilperich aufsteigen möchte. Wie das geht, kennt man aus Geschichte und Gegenwart und genau dies ist die Handlung der Oper. Der unbändige Machthunger Fredegundas gepaart mit einer offensichtlich höchstenergetischen Libido versetzt die ganze Gesellschaft um Chilperich (seine Braut, seine Tochter, seine Schwester, beider Verlobte usw) wie auch das Publikum ganz schön in Turbulenzen. Manchmal wünschte man sich im Theatersessel weniger Aktionismus auf der Bühne, während im zweiten Teil, einer Kerkerszene, allzu viel Düsternis, Schlamm und Stacheldraht dominieren. ![]()
Aber es gelang vor allem Christoph Hammer mit der Neuen Hofkapelle München inmitten mancher Atemlosigkeit auf der Bühne auch im Graben Momente musikalischen Feuers, aber ebenso der Besinnung und Mußefindung zu entwickeln und sich von den überstürzenden und überdimensionierten Aktionen nicht unterkriegen zu lassen. Dabei verlor die Musik nichts von ihrer Spannkraft und melodiösen Schönheit. Das junge Ensemble, zumeist Studentinnen und Studenten von Musikhochschulen, brachte sich voll ein und überzeugte zumeist mit durchaus reifen sängerischen Leistungen. Die Rolle der Fredegunda verkörperte allerdings die bereits mitten in ihrer Karriere stehende Sopranistin Maria Erlacher, die gerade auch den koloraturgespickten Arien großen Glanz verleihen konnte. Die Rolle des Chilperich sang Tomi Wendt mit großer Noblesse und lyrischem Empfinden. Die Oper endet mit einer ironisch gruseligen Pointe, denn die als Störenfried eigentlich ausrangiert geglaubte Fredegunda erscheint plötzlich wieder auf der Bildfläche, mit einem Baby im Kinderwagen. Und wer nun den Thron bekommt, bleibt weiter offen... So war dieser Opernabend keinesfalls langweilig, fürs Ohr sehr schmeichelhaft und etwas aufregend fürs Auge.
Nach einigem Hin und Her werden die Händel-Festspiele ja weitergehen. In Karlsruhe ist man gewohnt, durch die moderne Brille auf die Barockoper zu blicken. Das tut gut und erfrischt. Mehr von den 30. Händel-Festspielen in Karlsruhe 2007:Ihre Meinung ? Schreiben Sie uns einen Leserbrief |
La ResurrezioneMusikalische LeitungMichael Hofstetter Regie, Bühne und Kostüme Peer Boysen Choreographie Julianna Sarri Dramaturgie Katrin Lorbeer Choreinstudierung Jan Hoffmann Solisten Angelo Kirsten Blaise Maddalena Heidrun Kordes Cleofe Kai Wessel San Giovanni Bernhard Berchtold Lucifero Tobias Schabel Extraballett Létitia Labaronne Aki Kandra Geraldine Maurel Hélène Verry Slava Gepner Manuel Kull Rogerio Lieuthier Raphael Spiegel Chor der Ludwigsburger Schlossfestspiele Deutsche Händelsolisten FredegundaMusikalische LeitungChristoph Hammer Inszenierung Tilman Knabe Bühnenbild Wilfried Buchholz Kostüme Gabriele Rupprecht Dramaturgie Corinna Tetzel Licht Bernd Gatzmaga Maske Anja Mader Doreen Schwadtke Solisten Galsuinde, spanische Prinzessin, dem Chilperich bestimmte Gemahlin Bianca Koch Fredegunda, Chilperichs Geliebte Maria Erlacher a.G. Bazina, des Chilperichs und der Andovera, seiner ersten Gemahlin, Tochter / bestimmte Braut des Hermenegild Johanna-Maria Zeitler Chilperich, König von Frankreich Tomi Wendt* Sigibert, Chilperichs Bruder Michael Kranebitter Hermenegild, spanischer Kronprinz, Gasuildens Bruder Julian Prégradien** Landerich, Maitre du Palais und Duc de France, ein Favorit der Fredegunden Sebastian Schmid* Neue Hofkapelle München (in der Stimmung 392 Hz) * Studierende der Hochschule für Musik und Theater Nürnberg-Augsburg, Abt. Augsburg ** Studierender an der Hochschule für Musik Freiburg
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