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Musikfestspiele
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Programmbuch 2003 Göttinger Händel Festspiele 27. Mai - 3. Juni 2003

Der späte Händel
und die Neue Musik des 18. Jahrhunderts

Von Gerhard Menzel

An der Anzahl der Veranstaltungen gemessen, waren es in diesem Jahr die bisher größten Händelfestspiele, die seit 83 Jahren in Göttingen stattgefunden haben. Ausschlaggebend dafür war, neben der zeitlichen Ausdehnung auf acht Tage, der Entschluss, die Internationalität der Festspiele nicht nur auf die Stadt Göttingen zu beschränken, sondern auf die Region Südniedersachsens auszuweiten. So wurden erstmals zwei weitere historisch reizvolle Aufführungsorte mit jeweils drei Konzerten in das Festivalprogramm mit aufgenommen.

Zum einen das aus dem 14. Jahrhundert stammende historische Muthaus, ein kleiner Saal in der Burg Hardeg, im 17 km nördlich von Göttingen gelegen Fachwerkstädtchen Hardegsen. Zum anderen der Große Saal des Rathauses von Duderstadt, das mit seiner dreitürmigen Fachwerkkonstruktion zu den ältesten und schönsten Rathäusern in Deutschland zählt. Als Besucherservice war für diese Konzerte sogar ein Buspendeldienst vom Parkplatz der Stadthalle Göttingen aus eingerichtet worden.

Die Ausführenden der drei Burgkonzerte in Hardegsen waren das Ensemble "La Favorite" der Schola Cantorum Basiliensis (Kantaten und Sonaten im italienischen Stil von Buxtehude, Telemann, Händel und Vivaldi), das in Schleswig-Holstein ansässige Ensemble "Hamburger Ratsmusik" mit dem Altus Ralf Popken (Geistliche Kammermusik und Kantaten des Norddeutschen Barock, u.a. von Buxtehude und Telemann) und die "Classic Buskers" (u.a. Werke von Händel, Vivaldi, Beethoven und Wagner), die an den übrigen Tagen auch in Göttingen wieder zahlreiche Auftritte bestritten.

Die drei Kammerkonzerte in Duderstadt gestalteten das aus hochtalentierten Studierenden der "Hochschule für Musik und Theater Hannover" und der "Schola Cantorum Basiliensis" zusammengesetzte "Ensemble Muscadin" (Instrumentale Kammermusik von Händel und seinen deutschen Zeitgenossen), das Ensemble "Hamburger Ratsmusik" unter der Leitung von Simone Eckert mit dem Bassisten Klaus Mertens (Norddeutsche Solokantaten des 17. Jahrhunderts von Schütz, Bernhard und Selle) und das Kammerensemble "Accademia per Musica" (Kompositionen von Händel und seiner italienischen Zeitgenossen aus Neapel: Leonardo Leo, Francesco Durante, Nicolò Fiorenza und Emanuele Barbella).


Seit geraumer Zeit zeichnen sich die Göttinger Händel-Festspiele durch die praktische Nutzung von musikwissenschaftlichen Ergebnissen aus, was schon zu zahlreichen Wiederaufführungen lange verborgener Werke führte. So gab es zum Beispiel im Jahr 2001 die vielbeachtete, neuzeitliche Erstaufführung von Händels Gloria. Auch in diesem Jahr zierten wieder neu wiederentdeckte Werke das umfangreiche Festspielprogramm.

So kamen gleich drei "neue" Arien aus den Opern Almira (HWV 1) und Rodrigo (HWV 5) im GALAKONZERT mit Dominique Labelle, Susanne Rydén und der "Arcadian Academy" unter der Leitung: Nicholas McGegan zu ihrer modernen Erstaufführung. Leider fand dieses Konzert nicht mehr in der "Hauptfestspielzeit" (dem langen Wochenende) statt, sondern erst zu Beginn der neuen (Arbeits-) Woche.

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Die frühsommerliche Festspielatmosphäre
konnten auch die zahlreichen Baustellen
in der Innenstadt nicht trüben.
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Das Kantatenkonzert in der
Aula der Universität.

Als sehr interessante und dabei noch unterhaltsame Veranstaltung erwies sich das unter dem Titel "Finderglück: eine neue Kantate - von J. S. Bach? - von G. F. Händel?" stehende GESPRÄCHSKONZERT, das in der Aula der Universität stattfand. Die von Prof. Hans Joachim Marx und seinem Mitarbeiter Steffen Voss aufgefundene, Kantate "Lobe den Herrn", war bisher J. S. Bach zugeschrieben worden, obwohl sie in einer englischen Quelle als Werk Händels überliefert ist.

Die Äußerung von Moderator Wolfgang Sandberger, Forschung könne manchmal auch so spannend wie ein Krimi von Donna Leon sein, war wirklich nicht zu übertrieben. Zunächst stellten je zwei Händel-Spezialisten (Hans-Joachim Marx/Hamburg und Steffen Voss/Hamburg), zwei Bach-Spezialisten (Andreas Glöckner/Leipzig und Klaus Hoffmann/Göttingen), sowie zwei Praktiker (Bernhard Klapprott/Weimar und Michael Schneider/Frankfurt/M) ihre Untersuchung der Kantatenhandschrift, Überlieferungswege und Entstehungsbedingungen vor.

Mit diesen ersten Informationen vertraut gemacht, kam diese deutsche Psalmkantate, deren Text und die umfangreiche Instrumentalbesetzung auf die Bestimmung in einem protestantischen Festgottesdienst hinweisen, unter der Leitung von Bernhard Klapprott nach ca. 300 Jahren erstmals wieder zur Aufführung.

Die Kantate erwies sich in ihrer kompositorischen Struktur und ihren stilistischen Eigenheiten als eine satztechnisch äußerst anspruchsvolle Komposition, deren drei Chorsätze im vierfachen Kontrapunkt zudem überdurchschnittliches handwerkliches Können verraten.

Als - vorläufiges - Ergebnis der theoretischen und praktischen Ausführungen wurde festgehalten, dass die Kantate mit ziemlicher Sicherheit weder von Johann Sebastian Bach, noch von Georg Friedrich Händel stammt, sondern vermutlich von einem Komponisten aus dem Raum Thüringen stammt, der allerdings aus dem Umfeld der Bach-Familie stammen könnte.

Wie dem auch sei, Bernhard Klapprott und die von ihm gegründeten Ensembles Cantus und Capella Thuringia, sowie die Solisten Constanze Backes (Sopran), Bernhard Landauer (Altus), Henning Kaiser (Tenor) und Dominik Wörner (Bass) setzten sich beherzt für eine lebhafte und überzeugende Interpretation dieses Werkes ein.


Es gab sogar die Gelegenheit, diese Kantate am selben Tag noch ein zweites Mal zu hören, nämlich in einem KANTATENKONZERT mit Werken aus der Umgebung des frühen Bach, das von denselben Ausführenden bestritten wurde. Hierbei kamen Werke zur Aufführung, deren Komponisten wohl nur Fachleuten bekannt sein dürfte: Johann Balthasar Christian Freislich, Johann Heinrich Buttstedt und Liebhold (von dem sogar nur der Nachname bekannt ist).

Das von Constanze Backes mit ihrem strahlenden Sopran gekrönte Solistenquartett, der stimmlich sehr ausgewogene Chor "Cantus Thuringia" und das beherzt musizierende Orchester "Capella Thuringia" unter der engagierten Leitung ihres Dirigenten Bernhard Klapprott demonstrierten eindrucksvoll, das auch Musik von sogenannten "Kleinmeistern" durchaus bewegen und anrühren kann.

Mit persönlichen Eindrücken vom Besuch des Londoner Händel-Hauses, das er vor einigen Tage besucht hatte, begann Festivalleiter Nicholas McGegan in der Aula der Universität seinen EINFÜHRUNGSVORTRAG zum Thema "Händels Erbe". In dem von Händel sehr spartanisch eingerichteten Haus, hat dieser von 1723 bis zu seinem Tod 1759 gewohnt und alle seine Werke komponiert. Anschließend ging McGegan in seiner bekannt unterhaltsamen Art ausführlich auf Händels letzte Werke aus den Gattungen Oper und Oratorium ein und beschrieb (mit Klangbeispielen) die verschiedenen, zeitgenössischen musikalischen Stile, wie z.B. den "Church of England-Stil", den der dieses Jahr erstmals in Göttingen auftretende Winchester Cathedral Choir so vorzüglich zelebriert.

Nach diesem wieder sehr persönlich geprägten Einstieg in das Festspielthema, ging Priv. Doz. Dr. Jürgen Heidrich (Göttingen) in der Paulinerkirche in seinem musikwissenschaftlich äußerst fundierten, sehr übersichtlich und lehrreich gefassten FESTVORTRAG zum Thema "Händel, der Fortschrittliche?" der Frage nach, in wie weit Händel in seinem Spätwerk die kompositorischen Entwicklungen in der "Neuen Musik des 18. Jahrhunderts" aufgegriffen hat. Diese Einblicke in das späte Schaffen Händels und die zeitgleich sich ereignende Umbruchsituation in der Musik um 1750 demonstrierte er auch an einigen ausgewählten Klangbeispielen. Thematisiert wurde z.B. die Kombination von zur gleichen Zeit ausgedrückten Affekten (Radamisto / Mozarts Cosi fan tutte), das nicht mehr obligate "lieto fine" (Alcina bei Händel und Gluck), die neuen Modelle im englischen Oratorium, die den gleichen Formkanon wie die Oper aufweisen (= geistliche Oper ohne Szene, z.B. Esther), sowie dem allseits bekannten Sonderfall Messiah, in dem nur Bibelstellen völlig undramatisch (ohne Dialoge und Handlung) präsentiert werden.

Neben diesen spezifisch zum diesjährigen Thema "Der späte Händel und die Neue Musik des 18. Jahrhunderts" gehaltenen Vorträgen, gab es natürlich auch wieder die obligatorischen Einführungsvorträge zur Oper und zum Oratorium (sowohl in deutscher, als auch englischer Sprache).


Den Einstieg in die Neue Musik des 18. Jahrhunderts schaffte die geschickt an den Anfang des Konzertreigens gesetzte Aufführung von Carl Philipp Emanuel Bachs Oratorium DIE AUFERSTEHUNG UND HIMMELFAHRT JESU in der St. Johannis-Kirche. Mit seinem ausschließlich gedichteten Text ist es ein typisches Beispiel für den damals neuen deutschen Oratorientyp, in dem es keinen erzählenden Evangelisten und auch keine sich allmählich entwickelnde Handlung mehr gibt, Stattdessen äußern verschiedene Personen abwechselnd ihre individuellen Empfindungen. Musikalisch ist dieses "lyrische Drama" durch den "empfindsamen Stil" geprägt, der vor allem durch starke Kontraste und die Gegenüberstellung von Abschnitten unterschiedlichen Charakters in Tonart, Tempo, Dynamik, Harmonik sowie unerwarteten Pausen gekennzeichnet ist.

Dazu gehört auch die naturalistische Ausgestaltung einzelner Stellen, wie das erste, von Streichern und Pauken begleitete Rezitativ (Nr. 3), in dem Erdbeben und Flammen sehr plastisch dargestellt werden. Andreas Scheibner mit seinem eher wuchtigen Bariton kontrastierte dabei mit den beiden leichten Stimmen von Susanne Rydén, mit ihrem in der Höhe glasklaren Sopran, und dem lyrisch hellen Tenor von Knut Schoch. Fast alle Rezitative gehen in Accompagnati über und die Arien sind - jede auf ihre Art - mit virtuoser Instrumentalbegleitung anders instrumentiert. Ungewöhnlich sind nicht nur die kurzen, dunkel instrumentierten kurzen Streichereinleitungen der ,beiden Akte und die zweimalige Wiederholung des "Triumphchores", sondern vor allem der anspruchsvolle und mehrteiliger Schlusschor mit seiner abschließender Chorfuge. Unter der Leitung von Bernd Eberhardt, der jederzeit alles gut im Griff hatte, unterstrich die Göttinger Stadtkantorei und das Göttinger Collegium ein erfreulich hohes Niveau. Diese Interpretation und die starke und ausdrucksvolle Musik stellten somit eine große Bereicherung der Festspiele dar.

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Auch die Aula der Universität
gehörte zu den bevorzugten Bauobjekten.
Im Hintergrund erkennt man noch die
eingerüsteten Türme der St. Johannis-Kirche
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Das Deutsche Theater


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Die Stadthalle


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Händels Jephta in der Stadthalle

Zum Thema "Der späte Händel" standen seine letzte Oper DEIDAMIA - in einer szenisch erstmals "modernen" Ausstattung im Deutschen Theater - und sein letztes Oratorium JEPHTHA (HWV 70) in der Stadthalle auf dem Programm.



Während Händel schon 1741 seine letzte Oper DEIDAMIA zur Aufführung brachte, entstand sein letztes Oratoriums JEPHTHA (HWV 70) erst 10 Jahre später. Er war fast 66 Jahre alt und sein Augenleiden - der Graue Star - verschlimmerte sich derart, dass er die Arbeit an diesem Oratorium mehrmals unterbrechen musste. Schließlich war er auf dem linken Auge vollkommen erblindet, was die längste Entstehungszeit aller seiner Werke verständlich macht.

Der Inhalt des Oratoriums beschreibt das Drama eines tief gläubigen Menschen, dessen Gelübde seinem Volk die ersehnte Freiheit bringt, ihn selbst aber dazu zwingt, sein einziges Kind zu opfern.

Jephthas Verzweiflung und dessen völliger Zusammenbruch wurde von John Mark Ainsley (Tenor) auf ergreifende Weise interpretiert. Dankenswerter Weise erscheint - gleich dem "Deus ex Machina" der Barockoper - ein Engel, der mit himmlischen Tönen (Netta Or, Sopran) doch noch für ein alle akzeptables Ende mit dem Lobpreis auf die Gnade und Gerechtigkeit Gottes sorgt. Dabei bedenkt Händel noch einmal alle Solisten mit herrlicher Musik, die, jeder auf seine Art, mit Leben erfüllt. Wilke te Brummelstroete (Storge) mit ihrem warmen Mezzosopran und William Berger (Zeubl) mit seinem mächtigen Bass setzten ebenso gestalterische Akzente, wie Dominique Labelle (Isis, Sopran) und Franz Vizthum (Hamor, Altus) als traumhaft harmonierendes, leidgeprüftes Liebespaar.

Was die Klasse dieser Oratoriumaufführung ausmachte, waren schließlich der Winchester Cathredral Choir, einer der berühmtesten Knabenchöre Englands (und damit der erste Knabenchor, der in Göttingen bei einer Oratoriumsaufführung mitwirkte) und das ebenfalls erstmals in Göttingen auftretende Ensemble "The English Concert", London, die unter der alle elektrisierenden Leitung von Nicholas McGegan diesen Jephta zu einem großen Ereignis werden ließen. Letztendlich spielte sich das "große Drama" doch nicht im Deutschen Theater ab (Deidamia), sondern in der Stadthalle, was erneut die ungeheure Gestaltungs- und Überzeugungskraft von Nicholas McGegan unterstreicht.


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Für Entspannung und gelöste Atmosphäre sorgte in diesem Jahr - auch Dank des sonnigen Wetters - das großangelegte "Fest für die ganze Familie" am Kiessee mit HÄNDEL OPEN-AIR MIT FEUERWERK. Das umfangreiche Programm mit dem Blechbläsersextett "Ensemble Classique" (UNESCO-Botschafter 2003), dem "Jugend Symphonie Orchester" und den "Classic Buscers", wurde mit dem "Barocktrompeten Ensemble" aus Berlin gekrönt, das Händels Feuerwerksmusik in der ursprünglichen Bläserfassung mit Pauken und Trompeten zum (so gar nicht "barocken") Feuerwerk spielte.

Vergrößerung: Donna Leon

Ein Feuerwerk der ganz anderen Art erlebten die Besucher des Konzertes DUETS OF LOVE AND HATE in der Aula der Universität. Nach dem riesigen Erfolg der Veranstaltung MUSIK UND LESUNG mit der Krimiautorin und "unverbesserlichen" Händelliebhaberin Donna Leon im vergangenen Jahr, gab sie auch dieses Jahr wieder einen Einblick in das Leben ihres Commissario Brunetti, indem sie einige Ausschnitte aus dem neuesten Krimi "Wilful Behaviour" (in englischer Sprache) präsentierte.

Diese Episoden waren allerdings nur Verschnaufpausen für die eigentlichen Protagonisten der Veranstaltung. Alan Curtis und sein Ensemble "Complesso Barocco" begleiteten mit Simone Kermes und Sonia Prina (die kurzfristig für Maite Beaumont eingesprungen war und damit ihr Debüt in Göttingen gab) gleich zwei temperamentvolle Sängerinnen, die dem Publikum gehörig einheizten. Sowohl Simone Kermes mit ihrem energiegeladenen Sopran und ihrer schier unbändigen Darstellungskraft, als auch die italienische Mezzosopranistin Sonia Prina mit ihrer warmen, farbenreichen und flexiblen Stimme, begeisterten nicht nur in ihren Soloarien, sondern waren auch als Duettpartner ein kongeniales, stimmlich und emotional alle in ihren Bann ziehendes Paar.

So bildeten die berühmten Hass- und Liebes-Duetti bzw. Arien von Händel, ob nun sich anschmachtend (Poro, Sosarme), vor Wut und Verzweiflung fast zerberstend (Giulio Cesare), in hingehauchtem Abschiedschmerz vergehend (Serse, Rodelinda), ausgelassen neckend (Rinaldo) oder plötzlich von einem Extrem ins andere fallend (Orlando), ein einzigartiges Kaleidoskop von extrem ausgelebten Gefühlen, die vom begeisterten Publikum mit Ovationen bedacht wurden. Zugaben aus Händels Muzio Scevola und Teseo schlossen ein außergewöhnliches Konzert, das noch lange im Gedächtnis haften bleibt.


Ein anderes, ebenfalls außergewöhnliches Konzert präsentierte Nicholas McGegan im SOLISTENKONZERT in der Stadthalle. Auf dem Programm standen Kompositionen von Händel und andere um dessen Todesjahr herum entstandene Werke englischer Komponisten. "The English Concert" zeigte sich auch hier wieder in blendender Verfassung. So kamen die musikalischen Qualitäten von Händels Ouvertüre zu Alceste (HWV 45), dem Concerto grosso op. VI, Nr.1 G-dur (HWV 319) und dem Alexander's Feast - Concerto in C-Dur (HWV 318) erneut voll zur Geltung. Die beiden Arien des Hohepriesters Zadok aus dem Oratorium Solomon, die von Stolz und Begeisterung geprägt sind, wurden von John Mark Ainsley (Tenor) ebenso eindrucksvoll interpretiert, wie die in ihrem Ton sehr schlicht gehaltenen und "con molto espressione" auszuführenden Liebesklagen der Scottish Folksongs für Tenor und Orchester von Johann Christian Bach, der bereits ein Vertreter der modernen, galanten Musik war.

Nach der Symphony in D-Dur Nr.5, op.2 von William Boyce (die im gleichen Jahr wie Händels Concerti grossi op. 6 entstand) und dem Concerto grosso Nr.1 von Capel Bond, in dem er - obwohl zeitlich "moderner" - ungebrochen dem spätbarocken Stil huldigte, bildeten einige Sätze aus Thomas Augustin Arnes Masque Alfred den Abschluss des Konzertes. Den emotionalen Höhepunkt dieses Werkes, das den angelsächsischen König "Alfred den Großen" verherrlicht, der im 9. Jahrhunder die Dänen von den Britischen Inseln verdrängte, bildet das berühmte "Rule, Britania" (für Tenor und Orchester), das, als Zugabe wiederholt und unter Anleitung von Nicholas McGegan vom Publikum mitgesungen wurde, einen Hauch von "The last Night of the Proms" aufkommen ließ.

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Simone Kermes

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Sonia Prina
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Das Orchesterkonzert in der
Aula der Universität

Auch wenn das ORCHESTERKONZERT mit dem Ensemble "La Stagione" in der Aula der Universität durch eine plötzliche, verletzungsbedingte Absage von Bob van Asperen zunächst unter einem schlechten Stern zu stehen schien, wurde es ebenfalls zu einem hörenswerten Leckerbissen der Festspiele. Obwohl das vorgesehene Doppelkonzert von Carl Philipp Emanuel Bach (für Cembalo und Hammerflügel) ausfallen musste, sprang Dirigent Michael Schneider kurzerhand als Solist (Blockflöte) ein und brachte zusammen mit Karl Kaiser (Traversflöte) Telemanns Concerto e-moll für Blockflöte, Traversflöte, Streicher und Basso continuo zur Aufführung. Zu Händels Concerto grosso, A-Dur, op. 6, Nr.11 (HWV 329) wurde dann auch noch dessen Concerto B-Dur für Orgel und Orchester Nr.6 "Harfenkonzert" (HWV 294) mit der Solistin Sabine Bauer (Claviorganum) in das Programm aufgenommen.
Der zweite Teil des Konzerts gehörte dann noch einmal ganz der Sopranistin Simone Kermes. In ihrer fast unnachahmlichen Weise gestaltete sie Telemanns hochvirtuose Dramatische Kantate Ino mit allen ihr zu Gebote stehenden Ausdrucksmitteln und zog damit das Publikum abermals in ihren Bann. Dass sie nach diesem hochdramatischen Kraftakt als Zugabe noch ein himmlisch, betörendes "Lascia ch'io pianga" (Almirena aus Rinaldo) präsentierte, schien schier unglaublich - aber wahr.


Einen Beitrag für die Förderung der Jugend bildete das FORUM JUNGER KÜNSTLER in der Aula der Universität. In diesem Konzert präsentierte sich das "Lapicida-Consort" (Northeim, Hildesheim, Hannover) als 1. Preisträger der "Gothaer Reihe Historischer Konzerte 2002/2003". Das Programm schlug einen Bogen vom frühbarocken Beginn der Triosonate (Anonymus um 1700, Francesco Turini und Johann Rosenmüller) bis zum modern-galanten Stil von Georg Christoph Wagenseil und dem (schon) Haydn-Zeigenossen Johann Georg Albrechtsberger. Der Sonata V op. 2 Nr. 5 von Händel folgte schließlich noch eine vom begeisterten Publikum erklatschte Chaconne von Tarquinio Merula als Zugabe.
Anne Marie Harer (Blockflöte und Violine), Birgit Rieck (Blockflöte Violine und Viola), Christoph Harer (Cembalo, Orgel und Violoncello) und Michael Hell (Cembalo) gefielen nicht nur durch ihren warmen, homogenen Zusammenklang, sondern auch durch ihr technisch virtuoses und interpretatorisch durchsichtig gestaltetes Musizieren, auch in den zum Teil anspruchsvollen Fugen. Dass bei aller Vehemenz, mit der sie sich in auch in die vertracktesten Abschnitte stürzten, nicht alles perfekt gelang, konnte man getrost überhören.


Nichts mit dem Thema der Festspiele zu tun hatte dagegen das ORGELKONZERT mit Stefan Kordes in St. Jacobi-Kirche, in dem Werke von Muffat, Buxtehude und J. S. Bach zur Aufführung kamen. Auf dem Programm der Festspiele standen außerdem noch ein FESTGOTTESDIENST mit dem Winchester Cathedral Choir, ein CEMBALO SOLO-RECITAL mit Gustav Leonhardt und drei Nachtkonzerte u.a. mit Paolo Pandolfo (Viola da Gamba), Barthold Kujken (Traversflöte) und Bernhard Klapprot (Cembalo, der für den verletzungsbedingt verhinderte Bob van Asperen eingesprungen war), sowie der "Accademia per Musica", Rom.

Das Händel-Zentrum im Holbornschen Haus (Fotos aus dem Jahr 2002) diente auch dieses Jahr wieder als Anlaufstelle für die Festspielbesucher, in dem neben kleinen Stärkungen und Sitzgelegenheiten, Büchern und CD's, auch wieder kleinere Veranstaltungen stattfanden. Zudem waren hier auch einige Exponate zu der während der Festspiele wiederaufgeführten (Bach-/Händel-/?-) Kantate ausgestellt.


FAZIT

Während viel "Altes" sich bewährt hat (Konzerte), stimmt der "Neuanfang" (Deidamia) eher nachdenklich.


Im nächsten Jahr soll das Thema "Das Heroische bei Händel" bzw. "The Power of Musick" - "Das Erhabene bei Händel" lauten. Als Operninszenierung wird Händels Rinaldo zur Aufführung kommen. Nach der überraschend erfolgreichen Rodelinda im Jahr 2000, wird diese Oper wieder in der Stadthalle und erneut von Igor Folwill inszeniert werden, dessen phänomenale Partenope aus dem Jahr 2001 noch lange in Erinnerung bleiben wird.
Nach dem diesjährigen Schwerpunkt England, werden die Interpreten im nächsten Jahr zu einem Großteil aus Köln kommen. Dazu gehören der Kölner Kammerchor unter der Leitung von Peter Neumann, die das Oratorium Judas Maccabeus zur Aufführung bringen werden, sowie das Ensemble "Concerto Köln", das zusammen mit Andreas Scholl ein Galakonzert unter der musikalische Leitung von Nicholas McGegan gestalten werden.

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Das Händel-Zentrum als Veranstaltungsraum^:
"Mysterious Mood", Tanzstück mit Caro Frank (Tanz und Akkordeon)
und Josef Hilker (Gitarre)


Da capo al Fine

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