Ein Feuerwerk der ganz anderen Art erlebten die Besucher des Konzertes DUETS OF LOVE AND HATE in der Aula der Universität. Nach dem riesigen Erfolg der Veranstaltung MUSIK UND LESUNG mit der Krimiautorin und "unverbesserlichen" Händelliebhaberin Donna Leon im vergangenen Jahr, gab sie auch dieses Jahr wieder einen Einblick in das Leben ihres Commissario Brunetti, indem sie einige Ausschnitte aus dem neuesten Krimi "Wilful Behaviour" (in englischer Sprache) präsentierte.
Diese Episoden waren allerdings nur Verschnaufpausen für die eigentlichen Protagonisten der Veranstaltung. Alan Curtis und sein Ensemble "Complesso Barocco" begleiteten mit Simone Kermes und Sonia Prina (die kurzfristig für Maite Beaumont eingesprungen war und damit ihr Debüt in Göttingen gab) gleich zwei temperamentvolle Sängerinnen, die dem Publikum gehörig einheizten. Sowohl Simone Kermes mit ihrem energiegeladenen Sopran und ihrer schier unbändigen Darstellungskraft, als auch die italienische Mezzosopranistin Sonia Prina mit ihrer warmen, farbenreichen und flexiblen Stimme, begeisterten nicht nur in ihren Soloarien, sondern waren auch als Duettpartner ein kongeniales, stimmlich und emotional alle in ihren Bann ziehendes Paar.
So bildeten die berühmten Hass- und Liebes-Duetti bzw. Arien von Händel, ob nun sich anschmachtend (Poro, Sosarme), vor Wut und Verzweiflung fast zerberstend (Giulio Cesare), in hingehauchtem Abschiedschmerz vergehend (Serse, Rodelinda), ausgelassen neckend (Rinaldo) oder plötzlich von einem Extrem ins andere fallend (Orlando), ein einzigartiges Kaleidoskop von extrem ausgelebten Gefühlen, die vom begeisterten Publikum mit Ovationen bedacht wurden. Zugaben aus Händels Muzio Scevola und Teseo schlossen ein außergewöhnliches Konzert, das noch lange im Gedächtnis haften bleibt.
Ein anderes, ebenfalls außergewöhnliches Konzert präsentierte Nicholas McGegan im SOLISTENKONZERT in der Stadthalle. Auf dem Programm standen Kompositionen von Händel und andere um dessen Todesjahr herum entstandene Werke englischer Komponisten. "The English Concert" zeigte sich auch hier wieder in blendender Verfassung. So kamen die musikalischen Qualitäten von Händels Ouvertüre zu Alceste (HWV 45), dem Concerto grosso op. VI, Nr.1 G-dur (HWV 319) und dem Alexander's Feast - Concerto in C-Dur (HWV 318) erneut voll zur Geltung. Die beiden Arien des Hohepriesters Zadok aus dem Oratorium Solomon, die von Stolz und Begeisterung geprägt sind, wurden von John Mark Ainsley (Tenor) ebenso eindrucksvoll interpretiert, wie die in ihrem Ton sehr schlicht gehaltenen und "con molto espressione" auszuführenden Liebesklagen der Scottish Folksongs für Tenor und Orchester von Johann Christian Bach, der bereits ein Vertreter der modernen, galanten Musik war.
Nach der Symphony in D-Dur Nr.5, op.2 von William Boyce (die im gleichen Jahr wie Händels Concerti grossi op. 6 entstand) und dem Concerto grosso Nr.1 von Capel Bond, in dem er - obwohl zeitlich "moderner" - ungebrochen dem spätbarocken Stil huldigte, bildeten einige Sätze aus Thomas Augustin Arnes Masque Alfred den Abschluss des Konzertes. Den emotionalen Höhepunkt dieses Werkes, das den angelsächsischen König "Alfred den Großen" verherrlicht, der im 9. Jahrhunder die Dänen von den Britischen Inseln verdrängte, bildet das berühmte "Rule, Britania" (für Tenor und Orchester), das, als Zugabe wiederholt und unter Anleitung von Nicholas McGegan vom Publikum mitgesungen wurde, einen Hauch von "The last Night of the Proms" aufkommen ließ.
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Simone Kermes
Sonia Prina
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Das Orchesterkonzert in der
Aula der Universität
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Auch wenn das ORCHESTERKONZERT mit dem Ensemble "La Stagione" in der Aula der Universität durch eine plötzliche, verletzungsbedingte Absage von Bob van Asperen zunächst unter einem schlechten Stern zu stehen schien, wurde es ebenfalls zu einem hörenswerten Leckerbissen der Festspiele. Obwohl das vorgesehene Doppelkonzert von Carl Philipp Emanuel Bach (für Cembalo und Hammerflügel) ausfallen musste, sprang Dirigent Michael Schneider kurzerhand als Solist (Blockflöte) ein und brachte zusammen mit Karl Kaiser (Traversflöte) Telemanns Concerto e-moll für Blockflöte, Traversflöte, Streicher und Basso continuo zur Aufführung. Zu Händels Concerto grosso, A-Dur, op. 6, Nr.11 (HWV 329) wurde dann auch noch dessen Concerto B-Dur für Orgel und Orchester Nr.6 "Harfenkonzert" (HWV 294) mit der Solistin Sabine Bauer (Claviorganum) in das Programm aufgenommen.
Der zweite Teil des Konzerts gehörte dann noch einmal ganz der Sopranistin Simone Kermes. In ihrer fast unnachahmlichen Weise gestaltete sie Telemanns hochvirtuose Dramatische Kantate Ino mit allen ihr zu Gebote stehenden Ausdrucksmitteln und zog damit das Publikum abermals in ihren Bann. Dass sie nach diesem hochdramatischen Kraftakt als Zugabe noch ein himmlisch, betörendes "Lascia ch'io pianga" (Almirena aus Rinaldo) präsentierte, schien schier unglaublich - aber wahr.
Einen Beitrag für die Förderung der Jugend bildete das FORUM JUNGER KÜNSTLER in der Aula der Universität. In diesem Konzert präsentierte sich das "Lapicida-Consort" (Northeim, Hildesheim, Hannover) als 1. Preisträger der "Gothaer Reihe Historischer Konzerte 2002/2003". Das Programm schlug einen Bogen vom frühbarocken Beginn der Triosonate (Anonymus um 1700, Francesco Turini und Johann Rosenmüller) bis zum modern-galanten Stil von Georg Christoph Wagenseil und dem (schon) Haydn-Zeigenossen Johann Georg Albrechtsberger. Der Sonata V op. 2 Nr. 5 von Händel folgte schließlich noch eine vom begeisterten Publikum erklatschte Chaconne von Tarquinio Merula als Zugabe.
Anne Marie Harer (Blockflöte und Violine), Birgit Rieck (Blockflöte Violine und Viola),
Christoph Harer (Cembalo, Orgel und Violoncello) und Michael Hell (Cembalo) gefielen nicht nur durch ihren warmen, homogenen Zusammenklang, sondern auch durch ihr technisch virtuoses und interpretatorisch durchsichtig gestaltetes Musizieren, auch in den zum Teil anspruchsvollen Fugen. Dass bei aller Vehemenz, mit der sie sich in auch in die vertracktesten Abschnitte stürzten, nicht alles perfekt gelang, konnte man getrost überhören.
Nichts mit dem Thema der Festspiele zu tun hatte dagegen das ORGELKONZERT mit Stefan Kordes in St. Jacobi-Kirche, in dem Werke von Muffat, Buxtehude und J. S. Bach zur Aufführung kamen. Auf dem Programm der Festspiele standen außerdem noch ein FESTGOTTESDIENST mit dem Winchester Cathedral Choir, ein CEMBALO SOLO-RECITAL mit Gustav Leonhardt und drei Nachtkonzerte u.a. mit Paolo Pandolfo (Viola da Gamba), Barthold Kujken (Traversflöte) und Bernhard Klapprot (Cembalo, der für den verletzungsbedingt verhinderte Bob van Asperen eingesprungen war), sowie der "Accademia per Musica", Rom.
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Das Händel-Zentrum im Holbornschen Haus (Fotos aus dem Jahr 2002) diente auch dieses Jahr wieder als Anlaufstelle für die Festspielbesucher, in dem neben kleinen Stärkungen und Sitzgelegenheiten, Büchern und CD's, auch wieder kleinere Veranstaltungen stattfanden. Zudem waren hier auch einige Exponate zu der während der Festspiele wiederaufgeführten (Bach-/Händel-/?-) Kantate ausgestellt.
FAZIT
Während viel "Altes" sich bewährt hat (Konzerte), stimmt der "Neuanfang" (Deidamia) eher nachdenklich.
Im nächsten Jahr soll das Thema "Das Heroische bei Händel" bzw. "The Power of Musick" - "Das Erhabene bei Händel" lauten. Als Operninszenierung wird Händels Rinaldo zur Aufführung kommen. Nach der überraschend erfolgreichen Rodelinda im Jahr 2000, wird diese Oper wieder in der Stadthalle und erneut von Igor Folwill inszeniert werden, dessen phänomenale Partenope aus dem Jahr 2001 noch lange in Erinnerung bleiben wird.
Nach dem diesjährigen Schwerpunkt England, werden die Interpreten im nächsten Jahr zu einem Großteil aus Köln kommen. Dazu gehören der Kölner Kammerchor unter der Leitung von Peter Neumann, die das Oratorium Judas Maccabeus zur Aufführung bringen werden, sowie das Ensemble "Concerto Köln", das zusammen mit Andreas Scholl ein Galakonzert unter der musikalische Leitung von Nicholas McGegan gestalten werden.
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Das Händel-Zentrum als Veranstaltungsraum^:
"Mysterious Mood", Tanzstück mit Caro Frank (Tanz und Akkordeon)
und Josef Hilker (Gitarre)
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