Eine spannende Geschichte
mit eindrucksvollen Bildern
und ausdrucksstarker Musik
Von Gerhard Menzel
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Fotos von Ralf Lehmann (1 und 5) und Gert Kiermeyer (2-4)
Foto 1:
Polissena (Anna Ryberg) erfährt von Tigrane (Manuela Uhl), dass ihr Gatte Tiridate nicht nur im Begriff ist, die Hauptstadt des von Farasmane - ihrem Vater - regierten thrakischen Reiches zu erobern, sondern sich auch der von ihm begehrten Zenobia - der Gattin ihres Bruders Radamisto - bemächtigen will.
Was der australischen Regisseurin Linda Hume mit dieser Inszenierung des Radamisto gelungen ist, phastzinierte schon sehr. Sie präsentierte die Geschichte um den armenischen Tyrannen Tiridate und den von ihm verfolgten Thraker-Prinzen Radamisto, dessen Frau der Tyrann gerne für sich hätte und sich damit seiner eigenen entledigen könnte, als eine Art "White-House-Story".
Etwas gewagt, aber durch ihre konzentriert durchgestaltete Personenführung und die eindrucksvoll plastische Ausstattung von Carl Friedrich Oberle, gelang eine von Anfang an packende und immer mehr auf die Katastrophe am Ende hin zusteuernde Inszenierung. Auch das so plötzliche "lieto fine", in dem sich alles von jetzt auf gleich zum Guten wendet, wirkte - dank der täglich erlebten politischen Ereignisse - durchaus überzeugend und gleichzeitig nachdenkenswürdig.
Foto 2:
Als Diener Ismene verkleidet, gelingt es Radamisto (David Cordier) sich Zutritt in den Palast seines Rivalen Tiridate zu verschaffen und unerkannt bis zu seiner Gattin Zenobia (Lynda Lee) zu gelangen. Im Beisein von Tiridate (Raimund Nolte) und dessen General Fraarte (Anke Berndt) überbríngt er die Nachricht von Radamistos Tod.
In dem von Carl Friedrich Oberle entworfenen weiß gekachelten Raum, der zumeist drohend über den Protagonisten schwebt, dominiert im ersten Akt ein riesiges Modell der Stadt, die Tiridate im nächsten Angriff dem Erdboden gleichmachen will. Seiner Veranlagung gemäß geht dieses Modell auch schließlich in Flammen auf. Im letzten Akt thront dieses Stadtmodell dann, mit goldenem Zierrahmen versehen, einer Trophäe gleich, über der Tür seines Empfangssaales, in dem sich das Drama zuspitzt und Tiridate mit blutiger Nase letztendlich einsehen muss, dass alle seine Pläne zum scheitern verurteilt sind.
Foto 3:
Von seinen eigenen Leuten verraten und von Radamisto (David Cordier) geschlagen sieht sich Tiridate (Raimund Nolte) vor den Augen Zenobias (Lynda Lee) ausweglos in die Enge getrieben.
Die Protagonisten waren für diese Produktion ganz hervorragend ausgewählt. David Cordier in der Titelpartie ließ als verfolgter und liebender Radamisto keine Wünsche offen. Dass er in den emotional aufwühlendsten Augenblicken bis an seine stimmlichen Grenzen ging, zeigt nur seinen bedingungslosen Einsatz für die Sache. Radamistos treue Gattin Zenobia war Lynda Lee, die auch schon im vergangenen Jahr als Agrippina für Furore sorgte und ihre Persönlichkeit auch in dieser Partie voll einsetzen konnte. Auch Raimund Nolte als erbarmungsloser Tyrann Tiridate, Anna Ryberg als dessen ihn trotz allem liebende Gattin Polissena, Manuela Uhl als zur Lesbin mutierten Generalin Tigrane, Anke Berndt als schlaksiger Junggeneral Fraarte und Jürgen Trekel als gefangener thrakischer König Farasmane fügten sich hervorragend in das Gesamtkonzept ein und sorgten somit für ein mitreißendes Theatererlebnis.
Foto 5:
Politisch "korrekt" (!?) macht Tiridate (Raimund Nolte) gute Miene zum bösen Spiel und demonstriert auf einer spontan einberufenen Pressekonferenz - zusammen mit der trauten Familie - Einigkeit und Brüderlichkeit. Eigentlich haben es ja alle schon immer so gewollt
Dass Händels Musik bei dieser durch das Szenische geprägten Produktion nicht zu kurz kam, ist vor allem Alan Curtis zu danken. Mit dem Händel-Festspielorchester des Opernhauses Halle - das sich im heimischen Orchestergraben wesentlich sicherer und aufgeweckter präsentierte als beim sogenannten Galakonzert in der Händelhalle - gelang ihm eine durchweg differenzierte und alle klanglichen Nuancen herausarbeitende Interpretation der Partitur Händels, die im übrigen die erste praktische Auseinandersetzung mit der gerade fertiggestellten Fassung der Hallischen Händel-Ausgabe (II/9.2, Bärenreiter-Verlag) war. Somit ergab sich durch die ungeheuere intensive Emotionalität der Musik und der Szene eine musiktheatralische Einheit, die diese Produktion zu einer ganz besonderen werden ließ.
FAZIT
Ein spannungsgeladener Höhepunkt der Händel-Festspiele in Halle 2000.
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