Online Veranstaltungen & Kritiken
Festspiele
Homepage zur&uumlck e-mail Impressum



Händel-Festspiele

in Halle 1997



5. - 10. Juni

Festspielkritik



Die FESTLICHE ERÖFFNUNG DER 46. HÄNDEL-FESTSPIELE im Opernhaus der Stadt Halle begann mit der Begrüssung durch den Oberbürgermeister der Stadt Halle, Dr. Klaus Rauen, der auch an den folgenden Tagen immer wieder bei Feierlichkeiten das Wort ergriff und somit die enge Verbundenheit der Stadt Halle mit den Händel-Festspielen deutlich zum Ausdruck brachte.

Internationales Flair bekam die Veranstaltung durch das Grusswort des Generaldirektors der Europäischen Kommission Spiros Pappas, der in Vertretung des Präsidenten und Schirmherrn der 46. Händel-Festspiele Jaques Santer u. a. auf die grosse Bedeutung der Musik als verbindendes Medium von Völkern und Kulturen hinwies.

Anschliessend wurde der diesjährige Händel-Preis an Emma Kirkby und der Händel-Förderpreis an das Händelfestspielorchester des OPERNHAUSES HALLE verliehen, bevor die mit Spannung erwartete Neuinszenierung von Händels Oper SERSE zur Aufführung kam.

Eine weitere Oper Händels, ATALANTA, war im neuen theater in einer Nachtaufführung (22.00 - 1.00 Uhr!) als Produktion der Midsummer Opera London - mit freundlicher Unterstützung des British Council - zu erleben. In der insgesamt sympathischen Vorstellung - mit dem Orchester The Avison Ensemble - konnten sich allerdings nur Patricia Rozario (Atalanta) und Sandra Ford (Meleagro) durch sängerisch überzeugende Leistungen empfehlen.

Zwei Produktionen waren dieses Jahr auch wieder im traditionsreichen Goethe-Theater in Bad Lauchstädt zu erleben. Marc Minkowski präsentierte dort mit seinem Ensemble Les Musiciens du Louvre eine konzertante Aufführung von ARIODANTE. Die sehr differenzierte Interpretation und die phänomenale orchestrale Leistung der Instrumentalisten war aufregend und ungeheuer mitreissend. Von den stimmlich gut zu unterscheidenden Protagonisten Della Jones (Ariodante), Gillian Webster (Ginevra) und Maria-José Trullu (Polinesso) konnte vor allem Veronica Cangemi (Dalinda) mit ihrem geschmeidigen Sopran auf sich aufmerksam machen. Auch die kleineren Partien waren mit Marcos Loureiro de Sa (Odoardo), Toby Spence (Lurcanio) und Sure Chahidjanian (Il Re) passabel besetzt.

Als Gemeinschaftsproduktion der Direktion der Händel-Festspiele, des Goethe-Theaters Bad Lauchstädt und des Schloßtheaters Ballenstedt kam die Kantate CLORI, TIRSI E FILENO: COR FEDELE für 2 Soprane, Alt und Instrumente HWV 96 von Georg Friedrich Händel in einer szenischen Einstudierung zur Aufführung (besuchte Aufführung: 8.7.; weitere Aufführungen am 2. und 3.8. in Hannover Herrenhausen, 27. und 28.9.97 in Bad Lauchstädt). In der Inszenierung und Choreographie von Jürgen Schrape traten neben den Sängern auch drei TänzerInnen des BarockTanzTheaters Bremen auf, die auch in der Pause ihre Spässe mit dem Publikum machten. Die phantasievollen Kostüme und das Bühnenbild stammten von Stephan Dietrich. Wolfgang Katschner leitete die beherzt aufspielende Lautten Compagney Berlin, deren Violinen und Oboen allerdings bei dieser Aufführung nicht den gewünschten Standard erreichten.

Die drei Gesangssolisten - Anne Grimm als Clori, Jörg Weinschenk als Tirsi und David Cordier als Flieno - wiesen nicht nur auserlesene Stimmen auf, sondern konnten auch ihre darstellerischen Fähigkeiten (im Rahmen der Möglichkeiten) unter Beweis stellen. Die Tänze und Pantomimen in den Balli gliederten die musikalische Abfolge und sorgten für einen abwechslungsreichen und musikalisch sehr unterhaltsamen Nachmittag.


Einen musikalischen Hochgenuss bekam man in den Franckeschen Stiftungen bei der Serenata ACIS AND GALATEA geboten. The Choir of the English Concert und The English Concert unter der musikalische Leitung von Trevor Pinnock liessen diese Pastorale mit allen seinen poetischen und dramatischen Momenten in den schönsten "Farben" erklingen. Zu einem musikalischen Ereignis wurde die Aufführung allerdings erst dadurch, weil Catrin Wyn-Davies (Galatea), Paul Groves (Acis), Rufus Müller (Damon) und Brian Bannatyne-Scott (Polifeme) nicht nur sängerisch hervorragende Solisten sind, sondern auch - trotz konzertanter Aufführung - das gestische Element voll auskosteten und somit eine ungeheuer packende Geschichte präsentierten.

Auch die Aufführung von Händels Oratorium JOSHUA in der Marktkirche zu Halle hinterliess einen starken Eindruck. Unter der engagierten musikalische Leitung von Christopher Hogwood musizierten The Choir of New College Oxford, das Orchestra of the Academy of Ancient Music und die Solisten Nancy Argenta (Achsah), Catherine Robbin (Othniel), Paul Agnew (Joshua), Peter Harvey (Caleb) und Nicholas Fuggle (Angel).

Als weitere Oratorien standen noch Händels JUDAS MACCABAEUS (Bachchor Salzburg, Sol sol la sol, Innsbruck, Musikalische Leitung: Howard Arman), ATHALIA (Junge Kantorei, Musikalische Leitung: Joachim Martini), SAUL in einer szenischen Aufführung (Kartäuser Kantorei, Kölner Kammerchor, Regie: Wolfgang Barth, Musikalische Leitung: Peter Neumann) und Felix Mendelssohn Bartholdys PAULUS (Chur Cölnischer Chor Bonn, Philharmonisches Staatsorchester Halle, Musikalische Leitung: Heribert Beissel) auf dem reichhaltigen Festivalprogramm.

Eine Veranstaltung der besonderen Art war die Aufführung des Oratoriums SOLOMON im Opernhaus. Ausführende dabei waren die "Preisträger des Wettbewerbes im Fach Barockgesang Halle 1997", der Landesjugendchor Sachsen-Anhalt und das Händelfestspielorchester des OPERNHAUSES HALLE. Die musikalische Leitung hatte Dieter Gutknecht. Leider war diesem Konzert nicht so der richtige Erfolg beschieden. Zum einen war das Publikumsinteresse nicht so gross, wie man es erhofft hatte, zum anderen waren die musikalischen Ergebnisse nicht so recht befriedigend. Während bei Antje Perscholka (Queen, Pharaoh's daughter), Katrin Strocka (First Harlot), Eva Slametschka (Nicaule, Queen of Sheba), Cornelia Bär (Second Harlot) und neben Axel Scheidig (Levite) vor allem Norbert Meyn (Zadok und Attendent) durchaus zukunftsträchiges Stimmmaterial zu hören war, enttäuschte Ewa Krzak in der Titelpartie des Solomon auf der ganzen Linie. Nicht, dass ihr keine stimmlichen Mittel zur Verfügung ständen, aber mit dieser umfangreichen Partie war sie - vor allem in der musikalischen Gestaltung - völlig überfordert. Bei zukünftigen Veranstaltungen mit Nachwuchssängern - die sehrwohl förderungswürdig und zu begrüssen sind - wäre es wohl sinnvoll, zumindest die jeweilige Titelpartie mit einem entsprechenden Profi zu besetzen. Das wäre für die jungen Talente noch ein grösserer Ansporn und die Qualität der Aufführung dürfte um ein mehrfaches gehoben werden.

Ein attraktives "Singerfest" präsentierten die sechs Mitglieder des Ensembles Singer pur im Hof der Moritzburg. Bei herrlichen äusseren Bedingungen wurden sie ihrem Programm Singer pur - Stimmen als Klangerlebnis von der Renaissance bis zum Jazz vollauf gerecht. Caroline Höglund (Sopran), Klaus Wenk, Markus Zapp, Christian Wegmann (Tenor), Thomas Bauer (Bariton) und Marcus Schmidl (Baß) begeisterten sowohl durch ihren homogenen Klang, als auch durch die technische Perfektion und das ungeheuer vielseitige Repertoire. So standen neben geistlicher Musik der Renaissance französische Vokalmusik, weltliche Musik des 16. Jahrhunderts und Musik des 20. Jahrhunderts auf ihrem Programm. Besondere Aufmerksamkeit und Begeisterung erregten dabei die Nonsense Madrigals (1988) von Györgyi Ligeti und zwei Stücke aus Living room music (1940) von John Cage.

Dem 500. Geburtstag von Philipp Melanchthon gewidmet war eine EXKURSION NACH WITTENBERG.

Am Beginn der Stadtführung stand der Besuch der Lutherhalle, die wohl die grösste Fundstätte über Luther und die Reformation ist. Dafür sollte man allerdings - wie auch für die anderen Sehenswürdigkeiten der Stadt - genügend Zeit mitbringen. Eine kurze Stadtführung kann allenfalls einen kleinen Eindruck über die vorhandenen Schätze vermitteln.

Nach einem kurzen Abstecher in das restaurierte Melanchthonhaus mit Besichtigung des Studier- und Sterbezimmers Melanchthons führte der Stadtrundgangs vorbei an der alten Universität (LEUCOREA Stiftung des öffentlichen Rechts an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg), zur Stadtkirche "Sankt Marien" mit dem Altar von Lucas Cranach d. Ä., zum Marktplatz und dem Rathaus wo auch die Denkmäler von Martin Luther und Philipp Melanchthon stehen.

Am Ende der sehr informativen und Appetit auf mehr machenden Führung stand die Besichtigung der Schloßkirche mit der sog. Thesentür und den Gräbern Melanchthons und Luthers. Außerdem findet jährlich zu dieser Zeit das Wittenberger Stadtfest statt, das mit Luthers Hochzeit und einem Schauspiel (Luther Rufen '97 - Freund Melanchthon) einen krönenden Höhepunkt erlebt.

Eine weitere grosse EXKURSION führte nach NACH MOLMERSWENDE UND BALLENSTEDT. Aus Anlass von Gottfried August Bürgers 250. Geburtstag stand die Besichtigung des Bürger-Hauses und der Dorfkirche in Molmerswende auf dem Programm. Ausserdem die Besichtigung des Museums und des Schloßkomplexes mit Parkführung in Ballenstedt. Das Grab des einstigen Residenten Albrecht des Bären (gest.1179) findet der Geschichtsinteressierte in der Krypta der Stiftskirche von Ballenstedt, die in das Barockschloß integriert wurde. Außerdem kann der naturverbundene Besucher den von Lennè im 19. Jahrhundert umgestalteten 52 ha großen Schloßpark und Lustgarten mit seinen seltenen Pflanzen und Kunstgießerarbeiten aus der ehemals berühmten Magdeburger Kunstgießerei bewundern.

Weitere Konzerte der Händel-Festspiele waren die von 3sat live übertragene GEORG-FRIEDRICH-HÄNDEL-GALA im Opernhaus mit den Solisten Linda Perillo, Emma Kirkby und Axel Köhler, dem Stadtsingechor Halle und dem Händelfestspielorchester des OPERNHAUSES HALLE unter der Leitung von Howard Arman, eine MATINEE ZU EHREN GEORG FRIEDRICH HÄNDELS im Stadthaus am Markt mit der Manchester Camerata (Musikalische Leitung: Nicholas Kraemer) und drei Konzerte mit BAROCKMUSIK im Händel-Haus (I. Musica Antiqua Köln, Leitung: Reinhard Goebel; II. Les Aventuriers, Leitung: Davide Amodio, III. Musica ad Rhenum, Utrecht, Leitung: Jed Wentz).

Zu den ergänzenden Programmpunkten gehörte ein FESTGOTTESDIENST zu Ehren Philipp Melanchthons mit dem Chor der Evangelischen Hochschule für Kirchenmusik Halle unter der Leitung von Helmut Gleim (Predigt: Provinzialpfarrer Ralf-Ekkard Schätze), eine SONDERAUSSTELLUNG im Händel-Haus ("Kostbarkeiten aus dem Händel-Haus"), eine SONDERFÜHRUNG in den Franckeschen Stiftungen ("Schulen machen Geschichte. 300 Jahre Bildung und Erziehung in den Franckeschen Stiftungen") und eine Sonderführung in der Staatlichen Galerie Moritzburg ("Halle is the most delightful town" - LYONEL FEININGER. DIE HALLE-BILDER).

Neben der obligatorischen FEIERSTUNDE AM HÄNDEL-DENKMAL mit Fanfaren, Chören und Tänzen gab es ausserdem ein ganztägiges STRASSENFEST VOM HÄNDEL-HAUS ZUM MARKTPLATZ zur Eröffnung des Kultursommers in der Stadt Halle, bei dem Künstler, Handwerker, Händler und Vereine Kunst, Kultur und kulinarische Genüsse zu den Händel-Festspielen boten. Ein HÄNDEL-HAUS-KINDERFEST mit Norman Shetlers Musikalisches Puppenkabarett, mit Spiel, Tanz und Überraschungen fand im Hof des Händel-Hauses für große und kleine Kinder statt.

Auch für den Magen gab es ein abwechslungsreiches Festivalprogramm. "HÄNDELS OPEN - klassisch Tafeln" lautete das Motto der auf dem Markt aufgebauten Gastronomiezelte, die mit internationalen Gerichten an die Reisestationen Händels erinnern sollten. Neben den leiblichen Genüssen wurde auch hier musikalisches und unterhaltendes Beiprogramm geboten. So wurde z. B. auch das GALA-KONZERT aus dem Opernhaus direkt auf einer grossen Bildwand übertragen.

Ein wichtiges Ereignis für die Stadt Halle wurde ebenfalls während der Händel-Festspiele gefeiert: das RICHTFEST DER GEORG-FRIEDRICH-HÄNDEL-HALLE. Trotz unterschiedlicher Bewertung über Nutzen und Kosten dieses Projektes wird das "Händel-Forum" ausser dem grössten Konzertsaal der Region - der damit dem Philharmonischen Staatsorchester Halle endlich eine adäquate Heimstätte bietet - auch das Hörfunkzentrum des mdr, zahlreiche Einzelhandelsgeschäfte, ein Hotel, das Vital Medical Center und das Verwaltungsgebäude der Stadtwerke beherbergen.

Nach der sich über zwei Tage erstreckenden INTERNATIONALEN WISSENSCHAFTLICHEN KONFERENZ zum Thema "Georg Friedrich Händels Oratorien und ihre Wirkung auf das kompositorische Schaffen im 19. Jahrhundert" im Händelhaus wurden die 46. Händel-Festspiele mit einem ABSCHLUSSKONZERT MIT FEUERWERK in der Galgenbergschlucht beendet.

1998 finden die Händel-Festspiele in Halle vom 4. bis 9. Juni statt. Auf dem Programm stehen dabei u.a. Händels Messias, die Opern Poro, re dell Indie und Ezio, letztere gleich in zweifacher Ausführung, nämlich einmal in der Vertonung von Händel und einmal in einer Version von Johann Adolf Hasse.

Homepage zur&uumlck e-mail Impressum
©1997 - Online Musik Magazin
http://www.bergnetz.de/omm
*****"