0MM-Logo Online Musik Magazin Veranstaltungen & Kritiken
Festspiele
Homepage zurück e-mail Impressum



Händel-Festspiele in Göttingen

Göttinger Händel Festspiele


1 9 9 9
27. Mai - 1. Juni 1999


Festspielkritik

Von Gerhard Menzel
Foto: Nicholas McGegan
Nicholas McGegan

Frauengestalten bei Händel

Die 79. Göttinger Händel-Festspiele wurden am Donnerstag-Abend mit zwei Veranstaltungen bei freiem Eintritt eröffnet. Dieses ist eine sehr schöne Geste der Organisatoren und eine gute Werbung für ein künftiges Publikum. Veranstalungsort war das Alte Rathaus.
Zunächst davor, sorgten die 'Classic Buskers' (Cambridge) in einem OPEN-AIR-KONZERT mit Teilen aus ihrem musikalisch prägnanten und unterhaltsamen Repertoire für einen gelungenen Auftakt. Anschliessend präsentierte im Alten Rathaus die 'Covent Garden Minuet Company', London, unter dem Titel THE ART OF DANCING Tänze des 18. Jahrhunderts in historischen Kostümen.

Zum eigentlichen "Hauptthema" der Festspiele kam man am folgenden Tag in dem EINFÜHRUNGSVORTRAG von Nicholas McGegan im Studio des Deutschen Theaters: "FRAUENGESTALTEN BEI HÄNDEL". Aus seinem privaten Leben ist von seinen Beziehung zu Frauen allerdings recht wenig bekannt, lediglich einiges über seine Kontakte zu den Damen des englischen Hofes - zumindest was das berufliche angeht - und zu seiner Mutter und den beiden Schwestern. Am meisten weiss man noch von seinen Primadonnen. Fast alle diese Damen, die Nicolas McGegan als "Schönheitsgalerie" in Form einer Diashow präsentierte, waren allerdings - wie er schmunzelnd bemerkte - grösstenteils gerade nicht besonders hübsch, wenn sie auch zu den bedeutensten Sängerinnen seiner Zeit gehörten. Seine hauptsächlich auf englisch gehaltene "Einführungsshow" liess auch dieses Jahr keine Wünsche offen und begeisterte durch seine humorvolle Präsentation.

Kompositorisch schlug sich seine Beschäftigung mit großen historischen und mythologischen Frauengestalten in vielen seiner Opern und Oratorien nieder. Zwei dieser Werke bildeten dann auch den Schwerpunkt der diesjährigen Händel-Festspiele: ARIANNA IN CRETA und THEODORA. Darüberhinaus entstanden aber auch zahlreiche Kantaten, in denen "grosse Frauen" die Hauptrolle spielen. Während dieser Festspiele konnte man so zum Beispiel noch die Nymphe Daphne und die Muse Terpsicore kennenlernen.

Händels Oper ARIANNA IN CRETA HWV 32 sollte eigentlich in der Fassung aus dem Jahr 1734 gespielt werden, deren ein Jahr zuvor entstandenen Erstfassung er seinerzeit in Zusammenarbeit mit der französischen Tänzerin Marie Sallé um mehrere Balletteinlagen (an den Aktschlüssen) bereicherte. Besonders gespannt war man dabei auf die erstmalige Mitwirkung des 'Philharmonia Baroque Orchestras', San Francisco, das zusammen mit ,der 'New York Baroque Dance Company' in dieser Produktion ihr Europa-Debut gab. Insgesamt gab es drei Auffühungen von ARIANNA IN CRETA

Zweimal hatte man die Gelegenheit, das Schicksal der bedeutenden frühchristlichen Märtyrerin THEODORA in der St. Johannis-Kirche zu erleben. Die Aufführung von Händels Oratorium aus dem Jahre 1750 (HWV 68) wurde von Thomas Albert geleitet. Das Ensemble 'Fiori musicali - Barockorchester Bremen' betonte vor allem die sinfonischen Dimensionen von Händels Partitur. Excellent klang der Balthasar Neuman-Chor, Freiburg. Die Solisten Ann Monoyios (Theodora) und Harry van der Kamp (Valens) bewiesen nerneut ihre Fähigkeit, nicht nur technisch korrekt zu singen, sondern ihre Partien auch musikalisch ausdrucksvoll zu gestalten. Einen guten Eindruck hinterliessen auch Bernhard Landauer (Didymus) und der kurzfristig für Howard Crook eingesprungene Tenor Knut Scholl (Septimius). Allein die Partie der Irene war mit Daniela Del Monaco völlig falsch besetzt (ihre ausladende Stimme hatte ständig mit den wechselnden Registern zu kämpfen).
Trotz der überwiegend guten "Einzelleistungen" fehlte der ganzen Aufführung doch der grosse Zusammenhang. Vieles wirkte unsicher und bruchstückhaft. Übergänge und Einsätze waren Glücksache (einmal auch Unglücksache) und auch die eigenwillig gesetzte Konzertpause trübten doch erheblich den möglich gewesenen guten Gesamteindruck (zumindest bei der von mir besuchten ersten Aufführung).

Foto: Göttingen: Arianna in Creta
Foto von Kaspar Seifert

Foto: Göttingen: Ballettabend
Höfische Tänze
Foto von Kaspar Seifert

Foto: Ballettabend
Jahrmarktstänze: "Mann im Korb"
Foto von Kaspar Seifert

Foto: Ballettabend
Händel: Terpsicore
Foto von Kaspar Seifert
Einen der Höhepunkte der Festspiele bildete dagegen der ebenfalls zweimal angesetzte BALLETTABEND im Deutschen Theater. Die 'New York Baroque Dance Company' in der Choreographie von Catherine Turocy präsentierte "barocke Tänze" des frühen 18. Jahrhunderts aus unterschiedlichen Genres. Im Bühnenbild von Scott Blake sorgte Pierre Dupouey (Beleuchtung) dafür, dass die Kostüme von Marie Anne Chiment, Mary Meyers, Marilyn Skow und Jane Stein und die Masken von Bonnie Kruger, Stanley Alan Sherman und Jane Stein im bestmöglichen Licht erstrahlten.

Den ersten Teil eröffneten Höfische Tänze in bildschönen Kostümen. Zwar ohne Bühnenbildwechsel, jedoch in anderen, zum Teil überraschenden Kostümen, folgte eine Gruppe von - zum Teil spektakulären - Jahrmarktstänzen, die das Publikum heiter und beschwingt in die Pause entliess.

Neben Musik von Händel, waren u.a. auch Werke von André Campra, Jean-Baptiste Lully und Francesco Geminiani zu hören. Wie in der Oper musizierte auch hier das Philharmonia Baroque Orchestra, San Francisco unter der Leitung von Nicholas McGegan. Allerdings lag das künstlerische Schwergewicht der Aufführung eindeutig im Breich der Szene.

Das änderte sich nach der Pause bei Händels Ballettoper Terpsicore (HWV 8b) auch nicht gravierend. Neben Jennifer Lane als Apollo sang sich da vor allem Christine Brandes als Erato in die Herzen des Publikums. In der getanzten Titelpartie (Terpsicore) brillierte die Choreographin Catherine Turocy.

Ein optischer Hochgenuss, der - seiner Besonderheit wegen - zumindest eine begleitende Einführungsveranstaltung in den "barocken Tanz" verdient gehabt hätte; genug Spezialisten zu diesem Thema waren schliesslich in Göttingen anwesend.

Den "theoretischen Teil" der Festspiele bildete der WISSENSCHAFTLICHER FESTVORTRAG von Privatdozentin Dr. Dorothea Schröder, Hamburg, in der Aula der Universität. Unter dem Motto "DIE LAST DER KRONE - FÜRSTINNEN IN HÄNDELS OPERN UND IN DER REALITÄT" demonstrierte Frau Schröder an Hand ausgewählter Beispiele historischer und "künstlicher" Regentinnen, welche Zusammenhänge bzw. Diskrepanzen zwischen Realität und Traumwelt bestanden. Klangbeispiele aus Händels Almira, Atalanta, Parthenope und Rodelinda rundeten den hervorragenden und eindrucksvollen Vortrag ab.

Im CEMBALOKONZERT in der Aula der Universität machte die junge NDR-Preisträgerin Marieke Spaans aus Amsterdam mit besonderem Nachdruck auf sich aufmerksam. Auch ihr Programm mit Werken Händels, die er für seine Schülerin Princess Louisa geschrieben hat, und eine Reihe von Kompositionen unbekannterer Komponistinnen aus dem 18. Jahrhundert, wie Anna Bon, Elisabetta de Gambarini und Marianne Martines unterstrichen die Besonderheit dieses Konzertes. Den krönenden Schlusspunkt setzte die Sonata VI B-dur von Johann Christian Bach. Marieke Spaans beeindruckte vor allem durch ihr jugendliches Temperament und die Gabe, auch ein so anspruchsvolles und zeitlich so ausgedehntes Programm kurzweilig gestalten zu können.

Ebenfalls in der Aula der Universität fand das KAMMERKONZERT mit Kantaten von G. F. Händel nach Stoffen aus Ovids "Metamorphosen" statt. Nach Händels Solokantate für Sopran Ero e Leandro, HWV 150 (1707), die Elisabeth Scholl ergreifend gestaltete, konnte sich Michael Schneider in dem Concerto F-dur für Blockflöte und Streicher von Georg Philipp Telemann nicht nur als engagierter und temperamentvoller Ensembleleiter, sondern auch als Solist präsentieren. In der grossdimensionierten Kantate Apollo e Daphne, HWV 122 (um 1709) gesellte sich zu der "liebreizenden" Daphne der Elisabeth Scholl noch der ziemlich "polterhafte" Apollo Olaf Bär, der seiner voluminösen Bassstimme freien Lauf liess. Das Ensemble 'La Stagione', Frankfurt am Main unter der Leitung von Michael Schneider musizierte in bester Spiellaune und sorgte damit für die hohe Qualität des Konzerts.

Foto: Marieke Spaans
Marieke Spaans

Die beiden diesjährigen, thematisch aufeinander abgestimmten Nachtkonzerte waren ihrem Inhalt nach auch vom Veranstaltungsort her passend ausgewählt. So fand das NACHTKONZERT 1 - "MARIENGESÄNGE" mit vokaler und instrumentaler Kammermusik in der St. Nikolai-Kirche statt. Ausführende waren Marietta Zumbült (Sopran), und das erstmals (!) in Göttingen zu hörende Göttinger Barockensemble mit Henning Vater und Stefan Sänger (Violine), Aino Hildebrandt (Viola) Katharina Troë (Violoncello) und Ulrich Lüdering (Orgel).

Beim NACHTKONZERT 2 / "VENUSGESÄNGE" im Alten Rathaus mit dem Altus Ralf Popken und dem 'Ensemble Epikur', standen dann weltliche Kantaten von Händel und Telemann als zentrale Werke auf dem Programm.

Foto: Classic Buskers, Cambridge
Classic Buskers, Cambridge
Für einen spektakulären Auftritt sorgten noch einmal die Classic Buskers, Cambridge, beim OPEN-AIR-KONZERT auf dem Wilhelmsplatz. Einer der vielen grandiosen "Kreationen" dieses phänomenalen Duos war "Die Königin der Nacht" aus Mozarts Zauberflöte! Das Publikum war begeistert und ergötzte sich reichlich bei diesen oft schon artistischen Darbietungen.

Abgerundet wurde das Programm der Festspiele noch durch einen FESTGOTTESDIENST in der St. Albani-Kirche.

Wer sich den Montag noch freinehmen konnte, hatte sogar noch die Gelegenheit, das SOLO-KONZERT mit Nathalie Stutzmann und dem Concerto Köln zu erleben. Auf dem Programm standen Arien, Kantaten und Instrumentalmusik von G. F. Händel und J. A. Hasse.

Den Abschluss der Festspiele bildete am Dienstag Abend die dritte Aufführung der Arianna in Creta.

Fazit:

Insgesamt hinterliessen die Festspiele einen guten Eindruck und bestätigten damit ihren festen Bestandteil im grossen Zyklus der europäischen Festivals.

Ausser den grossen Frauengestalten bei Händel blieben bei diesen Festspielen vor allem die drei grosse "Primadonnen" aus Arianna in Creta im Gedächtnis haften:

Foto: Sophie Daneman
Sophie Daneman
(Arianna)
Foto: Wilke te Brummelstroete
Wilke te Brummelstroete
(Teseo)
Foto: Christine Brandes
Christine Brandes
(Alceste)
Einige Festspiel-Veranstaltungen wurden vom NDR aufgezeichnet und werden im Rahmen des 'Festival Panorama' zwischen dem 12. Juli und dem 27. August 1999 im Programm RADIO 3 übertragen.

Homepage zurück e-mail Impressum
©1999 - Online Musik Magazin
http://www.omm.de