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Faszinierende Ausdrucksschärfe in den Streichquartetten von George EnescuDie Werke des rumänischen Komponisten George Enescu (1881-1955) fristen hierzulande immer noch ein Schattendasein. Nachdem sich in den letzten Jahren vor allem das Label Arte Nova mit der Edition zahlreicher kammermusikalischer und sinfonischer Kompositionen große Verdienste um die Enescu-Rezeption erworben hat, ist die neueste Einspielung seiner Streichquartette allerdings Naxos zu verdanken. Von elf Skizzierten hat Enescu nur diese beiden Streichquartette - opus 22 Nr. 1 in Es-dur und Nr. 2 in G-dur - vollendet, jeweils nach jahrelangen Schaffensphasen. In Enescus Kompositionen zeigen sich manche Parallelen zu seinem Zeitgenossen Béla Bartók: So verbindet sie nicht nur dasselbe Geburtsjahr, sondern ebenso das Bemühen, im Kontext der entstehenden randeuropäischen Nationalschulen aus der landestypischen Volksmusik heraus einen eigenen Stil moderner Kunstmusik zu begründen. Für die Weiterentwicklung der bis dahin romantisch orientierten nationalen Schule ist die Folklore schon deswegen bedeutsam, weil die rumänische Volksmusik niemals unter dem Primat funktionaler Harmonik stand. Keimzelle dieses Prozesses ist die sogenannte Bauern- und Zigeunermusik, die, stets gegenwärtig, gleichzeitig aus dem tradierten Rahmen entfremdet und in Isolation einzelner Parameter aufgelöst wird. Beide Streichquartette sind dafür plastische Beispiele: Abgespaltene folkloristische Motive bilden das Material, das, geradezu minimalistisch verarbeitet, immer wieder auf andere Weise zu schillern beginnt. Thematisch ineinander verwoben, kehren die Sätze stets zu ihrem motivischen Ursprung zurück. Das erste Streichquartett ist noch geprägt von melodischer Linearität, in einigen kraftvoll-expressiven Passagen, z.B. im vierten Satz, zeigen sich bisweilen Ähnlichkeiten zu den Streichquartetten Schostakowitschs. Charakteristisch hier wie für manche der späteren Werke Enescus sind die fast sphärischen Anfänge, mitunter finden sich jedoch auch noch die Ausläufer spätromantischer Klangfülle und Harmonik, wenn auch mit modaler Färbung. Im Streichquartett Nr. 2 G-dur hingegen entfaltet sich der lyrische Ausdruck viel subtiler. 1920 direkt nach dem ersten Quartett begonnen, vollendet Enescu das Werk erst 1951. So zeugt die Musik von einem dreißig Jahre währenden Prozess der Reifung und, wie es scheint, der Läuterung: In dieser Zeit entsteht neben zahlreichen anderen Werken Enescus lyrische Tragödie Oedipe, Kulminationspunkt musikalischer Programmatik, dem sich ein Prozess schöpferischer Rückbesinnung anzuschließen scheint. Diese Phase begleitend und überdauernd, zeigt das zweite Streichquartett fast keine Anzeichen mehr von Plakativität, vielmehr scheint es sich konzentriert in sich selbst zurück zu ziehen. Melodik wird lediglich als Idee angedeutet und Gedanken um diese Ideen herum gesponnen. Über impressionistische Tendenzen hinausweisend erhält die Fluktuation der Klänge selbst Kontur und scheint damit die Offenheit einer unspezifischen Weite zu fixieren. Nur im dritten Satz finden sich scherzohaft-ausgelassene Ansätze, die jedoch auch stets den Charakter des Flüchtigen behalten. Musikalisch Neues und Überliefertes ist in diesem Werk nicht mehr voneinander zu trennen, z.B. sind Vorgaben der Klangbildung wie sul ponticello-Flageoletts oder Glissandi ebenso als moderne Spieltechniken aufzufassen, wie sie andererseits auf die Tradition der Lautari zurück verweisen. Das Neue entsteht nicht durch die Verwendung spezifischer Techniken, sondern zeigt sich in dem konsequenten Prinzip der Weiterentwicklung des Gewohnten, Tradierten bis hin zu dessen Auflösung. Interpretiert werden die beiden Streichquartette von dem Quatuor Ad Libitum aus Iasi, also aus der rumänischen Region Moldau, der Enescu gebürtig entstammt. Mit höchster Sensibilität und Gespür für Nuancen erfassen die Interpreten die Schemenhaftigkeit der komponierten Ideen und verleihen ihnen ein Maximum an Schärfe - eine beeindruckende Einspielung! Von Monika Jäger |
George Enescu: Zwei Streichquartette op. 22 Quatuor Ad Libitum: Adrian Berescu, Violine Serban Mereuta, Violine Bogdan Bisoc, Viola Filip Papa, Cello NAXOS 500614 2 |
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