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Tiburtina Ensemble - David Doruzka
Trio Apokalypsis Apokalypse vertagtVon Michael MagercordMusikalische Crossover-Projekte
aus unterschiedlichen Stilen oder Formen müssen
sich immer die Frage gefallen lassen, ob sie mehr
sind, als ihre jeweiligen Teile in Reinkultur.
Welchen Zugewinn hat der Hörer von der Mischung,
zumal wenn sie – wie in diesem Projekt mit dem
Namen Apokalypsis – in einer Gleichzeitigkeit von
Ungleichzeitigem besteht? Das Frauen-Gesangs-Ensemble
Tiburtina, das sich auf gregorianische Musik
spezialisiert hat, und eine Jazzformation aus
Gitarre, Saxophon und Schlagzeug um den
Gitarristen David Doruzka haben sich zusammengetan
um liturgischen Gesängen aus dem Spanien des 14.
Jahrhunderts mit experimenteller
Improvisationsmusik zu vermischen. Grundlage
dieses Projektes ist der Codex Las Huelgas, eine
Handschrift aus dem Zisternienserkloster Santa
Maria in Burgos. Darin lebten bis zu einhundert
Nonnen, die einen großen Chor bildeten. 1904
wurden die damals schon gut 600 Jahre alten
Manuskripte mit fast 200 meist polyphonen
Kompositionen wiederentdeckt und in jüngerer Zeit
schon öfter auch von kleinen Ensembles
eingespielt. Für diese Aufnahme hat die
Ensemble-Leiterin und Musikologin Barbora Sojkova
Kantaten und Motetten ausgewählt, die sich auf die
Offenbarung des Johannes beziehen, die mit den
Worten beginnt: „Apokalypsis Jesu Christu“. Das
altgriechische Wort steht hier noch für die
Auferstehung und Erlösung, erst in späteren
Auslegungen wurde es zu höllischen
Endzeit-Warnungen verwendet, um schließlich seine
heutige Verwendung zur Bezeichnung eines
ausweglosen, meist von Brutalitäten gezeichneten
Zustandes zu erfahren. Und in gewisser Weise vollzieht
dieses Crossover-Projekt jene Wendung der
Wortbedeutung nach. Das Ensemble singt klar,
kraftvoll und mit hoffnungsreichem Schwung, die
Jazzformation hingegen steuert dunkle und
bedeutungsschwangere Passagen bei. Immer wieder
gehen ausgewogene Gesänge über in dunkle
Basstrommeln, Saxophonklänge und melancholische
Gitarrenimprovisationen. Beides allerdings bleibt
meist feinsäuberlich voneinander getrennt, selten
gibt es ein Miteinander, das sich eher auf
Übergänge von einem zum anderen beschränkt. Die Aufnahmen wurden während zwei
Dezembertagen in der mittelalterlichen Burg von
Zvikov an der Moldau gemacht. Eisige Temperaturen
im Rittersaal und draußen wütete Sturmtief Xaver.
Extreme Bedingungen für die Musiker in jeglicher
Hinsicht, aber, wie das Booklet verrät, sei diese
doch so unterschiedliche Genre übergreifende
Zusammenarbeit äußerst anregend gewesen. Auf welchen Zugewinn aber kann
nun der Hörer hoffen? Der liegt eher in einer
geistigen Entdeckung: Das finstere Mittelalter war
gar nicht durchgängig finster und - wie man hören
kann - musikalisch voller Kraft. Das jedenfalls
sagt auch Barbora Sojkova in einer Abhandlung im
übrigens großzügig und äusserst ansehnlich
gestalteten Booklet. Die Jazzmusik mag dabei
helfen, das Mittelalter noch ein wenig heller
erstrahlen zu lassen. Immerhin, ein Erkenntnisgewinn dieses
Cross-overs über die Jahrhunderte hinweg – ob es
allerdings auch als Hörgenuss überzeugen kann? Das
muss letztlich jeder Hörer selbst entscheiden. Wer
dem Jazz eher zugeneigt ist, der muss hier etwas
mehr cross-overn als der Liebhaber gregorianischem
Gesangs, der sich wiederum auf manchmal ziemlich
experimentale Klangeinlagen einstellen muss. Und wie
also gefällt das schließlich? Großartig! Schreiben Sie uns einen Leserbrief |
![]() Tiburtina Ensemble David Doruzka Trio
1.
Conductus Audi, pontus; audi, tellus 2.
Offertorium Stetit angelus 3.
Introitus Signum magnum – Psalmus 98 (97) 4.
Moteto In saeculum - In saeculum - In saeculum 5.
Communio Dico vobis 6.
Kyrie 7.
Interlude I 8.
Lectio Ad decus ecclesiae - Lectio Libri
Apocalypsis 9.
Interlude II 10.
Moteto Homo miserabilis – Brumas est mors 11.
Canticum Benedictus es, Domine, Deus 12.
Moteto Belial vocatur 13.
Moteto Tres sunt causae 14.
Conductus Casta catholica – Da, dulcis domina 15.
Interlude III 16.
Antiphona Audivi vocem – Psalmus 121 (120) 17.
Sequentia Dies irae 18.
Conductus Audi, pontus; audi tellus (reprise)
Barbora
Sojkova (künstlerische Leitung), David Doruzka Trio David
Doruzka (akustische und elektrische Gitarre)
Animal Music ANI 041-22014
Weitere Informationen und Hörbeispiele: |
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