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Die lustige Witwe

Operette in drei Akten
Buch von Victor Léon und Leo Stein
Musik von Franz Lehár

Aufführungsdauer: ca. 2h 25' (eine Pause)

in deutscher Sprache mit Übertiteln (bei den Liedern)

Premiere im Opernhaus Wuppertal am 27. August 2022


Wuppertaler Bühnen
(Homepage)
Witwe im 70er Jahre-Look


Von Thomas Molke / Fotos: © Björn Hickmann

Als Franz Lehár 1905 den beiden Direktoren des Theater an der Wien seine neueste Komposition Die lustige Witwe in seinem Wohnzimmer vorspielte, war es um die Gattung Operette nicht sonderlich gut bestellt. Seit dem Tod von Johann Strauss (Sohn) und Franz von Suppé war es vorbei mit der "Goldenen Wiener Operettenära", und was Lehár den beiden Direktoren vorstellte, überzeugte sie zunächst nicht. Das sei keine Operettenmusik. Das Publikum und die Presse sahen das anders, und die Uraufführung am 30. Dezember 1905 wurde ein riesiger Erfolg. Dank der zahlreichen eingängigen Melodien gilt das Stück bis heute als die bekannteste und erfolgreichste Operette des österreichischen Komponisten ungarischer Herkunft. Dabei hätte es das berühmte Duett "Lippen schweigen" beinahe gar nicht gegeben, da Lehár die Melodie nur als Walzer-Intermezzo vorgesehen hatte, sich dann jedoch überzeugen ließ, sie zum Hauptthema für Hanna und Danilo zu machen. Dass Berthold Schneider seine letzte Spielzeit als Intendant an der Oper Wuppertal mit diesem Operetten-Klassiker eröffnet, mag ein wenig verwundern, da er in den vergangenen Jahren häufig zur Saison-Eröffnung eher auf Unkonventionelles gesetzt hat. Erinnert sei beispielsweise an die Video-Oper Three Tales und Offenbachs Hoffmanns Erzählungen in vier Regie-Handschriften in seiner ersten Spielzeit oder die Kombination des dritten Aktes von Wagners Götterdämmerung mit Heiner Goebbels' Surrogate Cities im Jahr darauf. Doch auch für Lehár lassen sich Gründe finden, ihn an den Beginn der Spielzeit zu stellen. So begann seine musikalische Laufbahn als Orchestermusiker in Wuppertal am damaligen Stadttheater am Brausenwerth. Außerdem hat Generalmusikdirektor Patrick Hahn in Wuppertal noch keine Operette dirigiert, so dass es langsam Zeit für ein Wuppertaler Debüt in diesem Genre ist.

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Botschafter Mirko Zeta (Sebastian Campione, vorne links sitzend) überlegt mit Njegus (Philippine Pachl, auf dem Tisch) und den Pontevedrinern (Chor), wie der drohende Staatsbankrott verhindert werden kann.

Die Geschichte um den drohenden Bankrott des fiktiven Balkanstaates Pontevedro, den die reiche Witwe Hanna Glawari mit der Heirat des pontevedrinischen Grafen Danilo Danilowitsch verhindern soll, besitzt eigentlich zu jeder Zeit eine gewisse Aktualität und verleitet häufig zu einer mehr oder weniger gelungenen Modernisierung. Christopher Alden, der zuletzt 2016 in Wuppertal den "Antonia"-Akt aus Hoffmanns Erzählungen in Szene gesetzt hat, verlegt die Geschichte zwar optisch in die 70er Jahre des letzten Jahrhunderts, verzichtet jedoch darauf, den Ort der Handlung oder die Problematik auf die heutige Zeit zu übertragen. Dass das Publikum dabei optisch nicht in seliger Operettenseligkeit schwelgen kann, liegt vor allem am Bühnenbild von Blanca Añón und an Aldens Personenregie beim Chor. Añón hat als Grundraum einen riesigen Saal der pontevedrinischen Botschaft in Paris kreiert, der mit den schäbigen gelben Stühlen ein wenig an ein sozialistisches Politbüro erinnert. Im ersten Akt prangt ein riesiges Bild der pontevedrinischen Berge an der Rückwand. Der eisbedeckte Gipfel wird dann im zweiten Akt wie ein Museumsstück in den Raum geholt und dient Hanna Glawari beim berühmten Vilja-Lied gewissermaßen als Rückzugsort. Wieso sie dabei mit einem Geweih auf dem Kopf auftritt, erschließt sich genauso wenig, wie die Tatsache, dass der Chor mit weißen Pelzmützen und dicken Handschuhen ausgestattet ist. Soll das eine ironische Brechung sein? Auch bleibt unklar, wieso die Chorsänger*innen später in einem Kreis um diesen Berggipfel laufen müssen, wenn Danilo versucht herauszubekommen, wer die verheiratete Frau ist, die mit dem Franzosen Camille de Rosillon ein Verhältnis hat.

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Die Grisetten (von links: Ja-Young Park, Katrin Natalicio, Teresa Heiligenthal, Philippine Pachl, Marco Agostini und Hyejun Kwon)

Ein Zwischenvorhang trennt den hinteren Teil der Bühne ab, so dass Umbauten während des Aktes möglich sind. Der Pavillon, in dem Camille mit der verheirateten Frau entlarvt werden soll, entpuppt sich schließlich als Bett, in dem der Pariser mit Hanna liegt, nachdem Valencienne den Pavillon kurz zuvor mehr oder weniger unbemerkt verlassen hat. Dass Valencienne nicht die einzige Ehefrau ist, die es mit der Treue nicht so genau nimmt, betont Alden in seiner Inszenierung, indem er auch den pontevedrinischen Politikergattinnen Sylviane (Ya-Young Park), Olga (Teresa Heiligenthal) und Praskowia (Katrin Natalicio) großen Spielraum gewährt. So sieht man Olga zu Beginn heftig mit dem Franzosen Saint Brioche (Max van Wyck) und Sylviane mit dem Vicomte Cascada (Mark Bowman-Hester) flirten, während Praskowia Danilo Avancen macht. Obendrein lässt Alden die drei auch noch in die Rollen der Grisetten im dritten Akt schlüpfen. Wieso sich Olgas Gatte Kromow (Marco Agostini) allerdings auch in eine Grisette verwandelt, erschließt sich nicht wirklich. Wenn man die Grisetten geschlechterübergreifend präsentieren will, hätte man vielleicht einen anderen Darsteller aus dem Chor auswählen sollen. Agostini macht zwar als Grisette eine gute Figur, führt aber zu Verwirrung, wenn er anschließend im Grisetten-Kostüm wieder in die Rolle des Kromow schlüpft. Gleiches gilt für das Faktotum Njegus, das in Aldens Inszenierung von vornherein als Frau besetzt ist. Das funktioniert zwar grundsätzlich, auch wenn der Sprachwitz bei Philippine Pachl als Njegus mit den gewollten Versprechern bisweilen ein wenig platt ist und in Klamauk abdriftet. Darstellerisch besitzt Pachl enorme Bühnenpräsenz, die sie in diversen Slapstick-Einlagen gekonnt einsetzt, auch wenn ihr Auftritt mit Skiern im zweiten Akt arg übertrieben ist.

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Hanna (Eleonore Marguerre) mit dem träumenden Danilo (Simon Stricker) beim Vilja-Lied (rechts: Chor)

Musikalisch bewegt sich der Abend auf gutem Niveau. Generalmusikdirektor Patrick Hahn gibt ein in jeder Hinsicht gelungenes Operetten-Debüt in Wuppertal. Mit Leidenschaft und großer Präzision arbeitet er mit dem Sinfonieorchester Wuppertal die Feinheiten der Partitur heraus und erzeugt die Operettenseligkeit, die man im Bühnenbild und den Kostümen von Kaye Voice vermisst. Auch die Solistinnen und Solisten lassen keine Wünsche offen. Für die Titelpartie hat man Eleonore Marguerre verpflichtet, die sicherlich vielen Besucher*innen noch aus Dortmund in bester Erinnerung ist, wo sie unter der Intendanz von Jens-Daniel Herzog zahlreiche große Sopran-Partien interpretiert hat. Auch als Hanna begeistert sie mit strahlenden Spitzentönen. Sehr differenziert legt sie auch das Vilja-Lied im zweiten Akt an, auch wenn der alberne Kopfschmuck ein wenig vom wunderbaren Gesang ablenkt. Darstellerisch und optisch versprüht sie großen Charme und stellt mit Simon Stricker als Graf Danilo Danilowitsch ein Traumpaar dar, das in dem berühmten Duett "Lippen schweigen" nach anfänglichen Streitereien doch noch zueinander finden darf. Auch vorher macht sie bereits deutlich, wie stark es zwischen ihr und Danilo knistert und wie vehement sie diese Gefühle zu verbergen versucht. Simon Stricker verfügt als Danilo über einen markanten Bariton und legt die Rolle mit großem Spielwitz an. Darstellerisch nimmt man ihm durchaus ab, dass er im Maxim das Leben in vollen Zügen genießt.

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Happy End für Hanna (Eleonore Marguerre) und Danilo (Simon Stricker)

Die Partie der Valencienne ist mit Hyejun Kwon, einem Mitglied des Opernstudios NRW, gut besetzt. Mit keckem Spiel und weichem Mezzosopran spielt sie ihren Flirt mit Camille de Rosillon verführerisch aus und führt dabei ihren Gatten, den Botschafter Mirko Zeta, den Sebastian Campione mit großartiger Komik verkörpert, wunderbar an der Nase herum. Auch als Grisette versprüht sie großen Charme. Theodore Browne stattet den Franzosen Camille de Rosillon mit tenoralem Schmelz aus. Mit strahlenden Höhen lädt er Valencienne ein, mit ihr in den Pavillon zu kommen, und bei diesen sauber ausgesungenen Spitzentönen verwundert es nicht, dass Valencienne diese Bitte nicht abschlagen kann, auch wenn sie ihm anschließend unmissverständlich auf den Fächer schreibt, dass sie eine anständige Frau sei. Der von Ulrich Zippelius einstudierte Chor präsentiert sich homogen und mit großer Spielfreude, auch wenn nicht alle Einfälle von Aldens Personenregie und Choreographie schlüssig sind. Das Publikum scheint das nicht zu stören. Es feiert das Regie-Team genauso wie die Solist*innen, den Chor und das Orchester.

FAZIT

Musikalisch kommt man bei dieser lustigen Witwe auf seine Kosten. Die Inszenierung kann nicht in jeder Hinsicht überzeugen, bleibt dem Stück aber im Großen und Ganzen treu.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Patrick Hahn

Inszenierung
Christopher Alden

Bühne
Blanca Añón

Kostüme
Kaye Voice

Choreographisch-Szenische Mitarbeit
Kati Farkas

Lichtdesign
Marc Gonzalo

Choreinstudierung
Ulrich Zippelius

Dramaturgie
Marie-Philine Pippert

 

Sinfonieorchester Wuppertal

Opernchor der Wuppertaler Bühnen


Besetzung

*Premierenbesetzung

Mirko Zeta
Sebastian Campione

Valencienne / Grisette
Hyejun Kwon

Danilo Danilowitsch
Simon Stricker

Hanna Glawari
Eleonore Marguerre

Camille de Rosillon
Theodore Browne

Njegus / Grisette
Philippine Pachl

Vicomte Cascada
Mark Bowman-Hester

Raoul de Saint Brioche
Max van Wyck

Bogdanowitsch
Giorgi Davitadze

Sylviane, seine Frau / Grisette
Tanja Ball /
*Ya-Young Park

Kromow / Grisette
*Marco Agostini /
Javier Horacio Zapata Vera

Olga, seine Frau / Grisette
*Teresa Heiligenthal /
Banu Schult

Pritschitsch
Tomasz Kwiatkowski

Praskowia, seine Frau / Grisette
Anna-Christine Heymann /
*Katrin Natalicio

 

 


Weitere Informationen
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