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Il trovatore (Der Troubadour)

Oper in vier Teilen
Text von Salvatore Cammarano
Musik von Giuseppe Verdi

in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2h 45' (eine Pause)

Premiere der konzertanten Aufführung im Großen Haus am 10. September 2022


Logo: Theater Hagen

Theater Hagen
(Homepage)
Konzertante Aufführung mit szenischem Flair

Von Thomas Molke / Fotos: © Inka Vogel

Wenn am Tag der Premiere eine Hauptpartie, für die keine Alternativbesetzung vorgesehen ist, aus gesundheitlichen Gründen die Vorstellung absagen muss, ist das der Horror für jedes Theater. Auf Hochtouren wird telefoniert, um noch irgendwoher einen Ersatz zur Rettung der Vorstellung zu finden. Nun ist Giuseppe Verdis Il trovatore zwar eine Oper, die relativ häufig auf den Spielplänen zu finden ist, die Partie der Leonora jedoch eine sehr anspruchsvolle Partie, die nicht jeder Sopranistin in die Kehle gelegt ist. Am Theater Hagen hatte man Glück, kurzfristig Iordanka Derilova als Einspringerin gewinnen zu können. Seit 2003 ist die Sopranistin am Anhaltischen Theater Dessau engagiert und erhielt 2009 dort den Titel Kammersängerin. In Hagen ist sie keine Unbekannte, da sie hier bereits 2011 in der Titelpartie von Puccinis Turandot gastiert hat. Ab 17. September 2022 ist sie als Leonora auch am Theater Lüneburg zu erleben und empfiehlt sich jetzt eine Woche zuvor für eine Reise in die Hansestadt zu dieser Vorstellung. Da es sich in Hagen um eine konzertante Aufführung der Oper handelt, musste Derilova die Partie noch nicht einmal von der Seite einsingen, sondern konnte direkt ins Geschehen einbezogen werden. Denn auch wenn die Oper ohne Bühnebild und Kostüme gespielt wird und kein Regisseur eine mehr oder weniger passende Inszenierung erarbeitet hat, stellt das Ensemble unter Beweis, dass auch bei einer konzertanten Aufführung ein szenischer Eindruck vermittelt werden kann.

Verdis Il trovatore zählt mit dem 1851 uraufgeführten Rigoletto und der zwei Jahre später herausgebrachten La traviata zur sogenannten "Trilogia popolare", die Verdis Weltruhm begründet hat und heute zum Standardrepertoire der Opernhäuser zählt. Der Weg dorthin war allerdings ein durchaus steiniger. Kurz nach dem Triumph mit Rigoletto in Venedig hatte sich Verdi an den Librettisten Salvatore Cammarano gewendet und ihm das spanische Melodram El trovador von Antonio García y Gutiérrez für eine Oper vorgeschlagen, die im Herbst 1851 am Teatro Comunale in Bologna herauskommen sollte. Die Arbeit mit Cammarano erwies sich jedoch als äußerst schwierig, da dieser ganz andere Vorstellungen von einer Umsetzung dieses Stoffes hatte als Verdi. Die Uraufführung konnte folglich nicht wie geplant stattfinden. Im weiteren Verlauf fand Verdi zunächst kein Theater, das das Stück herausbringen wollte, und als es dann endlich mit dem Impresario des Teatro Apollo in Rom zu Verhandlungen für eine Uraufführung 1852 kam, starb Cammarano am 17. Juli 1852, ohne das Libretto vollendet zu haben. Verdi komplettierte den Text gemeinsam mit dem neapolitanischen Publizisten Leone Emanuele Bardare und baute die Partie der Leonora zu einer weiteren Primadonna neben Azucena aus, so dass die Oper am 19. Januar 1853 eine umjubelte Uraufführung feiern konnte. Schnell verbreitete sich das Werk in ganz Europa. Ein Besuch der Oper veranlasste Hugo von Hofmannsthal, in einem Brief Verdi als den "Shakespeare der Opernbühne" zu bezeichnen.

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Azucena (Evelyn Krahe) kämpft mit den Schatten der Vergangenheit.

Die Oper spielt im spanischen Bürgerkrieg des frühen 15. Jahrhunderts und verknüpft Historisches mit Fiktivem in einer reichlich verworrenen Handlung. Der Graf von Luna kämpft auf der Seite Fernandos, einem der beiden Kronprätendenten im Erbfolgekrieg nach dem Tod von König Martin von Aragonien 1410. Der historische Luna unterstützte eigentlich Fernandos Gegner, den Grafen Jaime von Urgel, dem in der Oper als Parteigänger Lunas Rivale, der Troubadour Manrico, zur Seite steht. Dieser ist allerdings genauso wie die Geschichte, die die beiden Widersacher verbindet, reine Erfindung. Nach einer kurzen Introduktion beginnt die Oper mit dem Chor der Soldaten, die auf die Rückkehr des Grafen warten. Der Herrenchor tritt durch den Zuschauersaal auf und positioniert sich vor dem Orchester auf den beiden Bühnenseiten, während Dong-Won Seo als Hauptmann Ferrando die Vorgeschichte erzählt. Der Chor und die Solist*innen treten ohne Textbücher auf und singen die Partien auswendig, was ihnen die Möglichkeit gibt, der konzertanten Aufführung eine szenische Note zu geben. Mit profundem Bass erzählt Seo eindrucksvoll, was sich vor vielen Jahren zugetragen hat. An der Wiege des jüngeren Bruders des Grafen habe man eines Morgens eine Zigeunerin vorgefunden, die dem Kind angeblich die Zukunft voraussagen wollte. Als der Junge jedoch erkrankt sei, habe man geglaubt, die Zigeunerin habe ihn verhext, und daher die Zigeunerin auf einem Scheiterhaufen verbrannt. Die Tochter der Zigeunerin, Azucena, habe das Kind daraufhin entführt, und man habe auf dem Scheiterhaufen später verbrannte Kinderknochen gefunden, die man für die Überreste des Jungen gehalten habe. Der sterbende Vater des Grafen habe nicht an den Tod des Knaben geglaubt und daher dem Grafen aufgetragen, weiter nach seinem verschollenen Bruder zu suchen.

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Graf Luna (Insu Hwang) liebt Leonora und will seinen Rivalen Manrico, den Troubadour, vernichten.

Der Graf wandelt jedoch indes auf Freiersfüßen und hat sich in die schöne Hofdame Leonora verliebt. Diese wiederum träumt in ihrem Garten von dem Troubadour Manrico. Iordanka Derilova glänzt als Leonora in der berühmten Kavatine "Tacea la notte placida", die Verdi erst später zur Aufwertung der Partie in die Oper eingefügt hat, mit sauber angesetzten Spitzentönen. Mit strahlenden Höhen verleiht sie der Verliebtheit der jungen Frau Ausdruck und nutzt die Bühne gemeinsam mit Andrea Kleinmann als Leonoras Vertrauter Ines ebenfalls für szenisches Spiel. Als sie dann Adrian Xhema als Manrico aus der Ferne - der Gesang erklingt aus dem Foyer durch die geöffnete Tür im hinteren Parkett - hört, ist es um sie geschehen und sie will sich sofort in seine Arme stürzen, landet aber wegen der Dunkelheit versehentlich in den Armen des Grafen. Insu Hwang, der die Partie des Grafen mit kraftvollem Bariton ausstattet, liefert sich im folgenden Terzett mit Derilova und Xhema einen musikalisch eindrucksvollen Schlagabtausch. Die Tatsache, dass Manrico den Grafen aus einem unerklärlichen Grund nicht zu töten vermag, deutet bereits an, welches Schicksal die beiden Männer verbindet.

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Azucena (Evelyn Krahe) rät Manrico (Adrian Xhema), den Grafen zu töten.

Der zweite Teil vor der Pause liefert dann auch Gewissheit. Nachdem die Damen und Herren des Chors den berühmten Zigeunerchor stimmgewaltig vorgetragen haben, tritt Evelyn Krahe als Azucena auf, die bereits bei ihrer Auftrittsarie "Stride la vampa!" nicht nur durch expressive Mimik begeistert. Mit großem Stimmvolumen taucht sie in die Tiefen des Alt herab, um sich von dort bruchlos in dramatische Höhen emporzuschwingen. Ebenso eindrucksvoll gelingt ihre Erzählung, in der sie Manrico erzählt, dass sie versehentlich ihr eigenes Kind statt des geraubten Kindes in die Flammen geworfen habe. Mit großer Autorität schafft sie es jedoch, die Fragen Manricos, wer er denn dann eigentlich sei, zu zerstreuen, und fordert ihn stattdessen auf, den Grafen zu töten. Dazu kommt es jedoch nicht. Stattdessen flieht Manrico mit Leonora, als diese in ein Kloster gehen will, weil sie ihren Geliebten für tot hält. Auf der Suche nach Manrico fällt Azucena Ferrando in die Hände, der in ihr die Zigeunerin wiedererkennt, die einst den Bruder des Grafen entführt hat. So landet Azucena im Kerker, was wiederum dazu führt, dass Manrico die Truppen des Grafen angreift, um seine vermeintliche Mutter zu befreien, und dabei ebenfalls in Lunas Hände fällt.

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Ensemble: von links: Ruiz (Anton Kuzenok), Ferrando (Dong-Won Seo), Luna (Insu Hwang), Manrico (Adrian Xhema), Rodrigo Tomillo, Leonora (hier: Emily Newton), Azucena (Evelyn Krahe) und Ines (Andrea Kleinmann), an den Seiten: Chor und Extrachor, dahinter: Philharmonisches Orchester Hagen

Nun bewegt sich das Drama in schnellen Schritten auf den tragischen Schluss zu. Leonora will sich für den Geliebten opfern, was Derilova in der Arie im vierten Teil, "D'amor sull' ali rosee", mit zart angesetzten Höhen und großer Zerbrechlichkeit bewegend zum Ausdruck bringt. Sie willigt ein, den Grafen zu heiraten, wenn dieser Manrico frei lässt. Luna triumphiert, da er nicht ahnt, dass Leonora heimlich Gift genommen hat. In einem unter die Haut gehenden Terzett bittet Leonora Manrico, die Gelegenheit zur Flucht zu nutzen, während er ihr Untreue vorwirft und Azucena sich ihrem Schicksal ergibt. Hier finden Derilova, Xhema und Krahe stimmlich und auch darstellerisch wunderbar zueinander. Als Manrico erkennt, dass Leonora sich für ihn geopfert hat, ist es für eine Flucht bereits zu spät. Luna durchschaut den Betrug und lässt den Troubadour töten. Azucena schleudert dem Grafen anschließend hasserfüllt ins Gesicht, dass er nun seinen eigenen Bruder ermordet habe, bevor sie zusammenbricht und der verzweifelte Luna allein zurückbleibt. Dies alles wird vom Philharmonischen Orchester Hagen unter der Leitung von Rodrigo Tomillo emotionsgeladen begleitet, so dass dem Publikum konzentriertes Musiktheater vom Feinsten geboten wird, ohne dass irgendeine Inszenierung von der großartigen Musik und der eindrucksvollen Interpretation durch die Solist*innen und den von Wolfgang Müller-Salow einstudierten Chor ablenkt. Man hätte sich nur ein volleres Haus für diesen großartigen Abend gewünscht. Das Publikum spendet jedenfalls begeisterten Applaus, der die freien Plätze im Saal vergessen lässt.

FAZIT

Man muss bei einer guten konzertanten Aufführung nichts vermissen, wenn die Solist*innen ohne Textbücher auftreten und die Gelegenheit haben, ihre Rollen aus der Musik heraus zu interpretieren.



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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Rodrigo Tomillo

Chor
Wolfgang Müller-Salow

Dramaturgie
Ina Wragge

 

Chor und Extrachor des Theaters Hagen

Philharmonisches Orchester Hagen


Solistinnen und Solisten

*Premierenbesetzung

Graf von Luna
Insu Hwang

Leonora
Emily Newton /
*Iordanka Derilova

Azucena
Evelyn Krahe

Manrico, der Troubadour
Adrian Xhema

Ferrando, Hauptmann
Dong-Won Seo

Ines, Leonoras Gesellschafterin und Vertraute
Alina Grezschik /
*Andrea Kleinmann

Ruiz, Gefolgsmann Manricos
Anton Kuzenok

Ein alter Zigeuner
Sebastian Joest /
*Egidijus Urbonas

Ein Bote
Matthew Overmeyer


Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Theater Hagen
(Homepage)




Da capo al Fine

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