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Musiktheater
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Swans

Tanzabend mit Choreographien von Giuseppe Spota und Caroline Finn

L and S

Choreographie von Giuseppe Spota, Musik von Thomas Walschot

Forget Me Not. J

Choreographie von Caroline Finn
Musik von Franz Schubert/Georges Jouvin, Terje Isungset, Jozef van Vissem, Oskar Schuster, Mira Calix, Bob Dylan, Zbigniew Preisner und Charles Aznavour

Aufführungsdauer: ca. 1h 30' (eine Pause)

Wiederaufnahme im Kleinen Haus im MiR am 11. September 2022
(Premiere: 19. Juni 2022)

Homepage

MiR Dance Company Gelsenkirchen
(Homepage)

Schwäne ohne See

Von Thomas Molke / Fotos:© Ida Zenne

Bei Schwänen und Tanz denkt man unwillkürlich an Tschaikowskys großen Ballettklassiker Schwanensee. Dass bei diesen grazilen Tieren auch ganz andere Assoziationen möglich sind, beweisen Giuseppe Spota und Caroline Finn in zwei Choreographien, die im Kleinen Haus im Musiktheater im Revier unter dem Titel Swans Ende der vergangenen Spielzeit zur Uraufführung kamen und nun mit teilweise neuer Besetzung wieder aufgenommen werden, da beispielsweise Brecht Bovijn und Genevieve O'Keeffe das Ensemble verlassen haben und neue Tänzerinnen und Tänzer die MiR Dance Company verstärken. Ganz ohne den "klassischen Schwanensee" geht es dann aber doch nicht, und so hat der in Amsterdam geborene Tänzer Thomas Walschot, der neben seiner Karriere als Tänzer eine Reihe von Kompositionen für Theater- und Filmproduktionen kreiert hat, für den ersten Teil des Abends Themen aus Tschaikowskys berühmter Ballettmusik mit neuen Klangschichten überlagert, die den nicht mehr vorhandenen See zumindest erahnen lassen.

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Leda (Tanit Cobas) nähert sich neugierig dem vermeintlichen Schwan (Simone Frederick Scacchetti).

Im ersten Teil des Abends widmet sich Giuseppe Spota, der Direktor der MiR Dance Company, der mythologischen Geschichte um die spartanische Königin Leda, die von dem griechischen Göttervater Zeus in Gestalt eines Schwans verführt wurde und anschließend unter anderem die schöne Helena als Ergebnis dieser Verbindung zur Welt brachte. In dem Titel des Stückes L and S verbirgt sich hinter dem S Zeus in Gestalt des Schwans, in der er sich Leda (L) nähert. Spota wählt in seiner abstrakten Tanzsprache einen schmalen Grat zwischen Erotik und sexueller Übergriffigkeit, so dass zu keinem Zeitpunkt eindeutig klar wird, bis zu welchem Zeitpunkt das sexuelle Abenteuer auf gegenseitigem Einverständnis beruht. Bevor das Stück im Kleinen Haus beginnt, hat man im Foyer das Gefühl, dass die Initiative zu einer Annäherung von Leda ausgehen könnte. Tanit Cobas gleitet in vier großen schwarzen Ringen, die sie wie ein Korsett einschnüren, durch das Foyer und sucht scheinbar den Kontakt zum Publikum. Wenn man ihr ausweicht, verfolgt sie einen sogar bisweilen ein wenig aufdringlich. Die gleitenden Bewegungen Cobas' erinnern dabei nahezu selbst an einen Schwan. Untermalt wird die Szene von knisternden, knackenden Geräuschen. Wenn das Publikum den Saal des Kleinen Hauses betritt, sieht man Simone Frederick Scacchetti als Zeus bereits auf der Bühne posieren. Über seinen dunklen Anzug, der ihn als vornehmen Herren aus adeligem Haus erscheinen lässt, trägt er über der linken Schulter eine weiße Federboa, die wohl seine Verwandlung in einen Schwan darstellen soll. Im Hintergrund der Bühne lässt sich schemenhaft ein Wald erahnen, der dann mit den Motiven von Tschaikowskys Musik an das berühmte Handlungsballett erinnern.

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Leda (Tanit Cobas) ist dem Göttervater Zeus (Simone Frederick Scacchetti) hilflos ausgeliefert.

Leda fühlt sich von diesem geheimnisvollen Mann stark angezogen. Zeus behandelt sie zunächst recht distanziert und schreitet weiterhin majestätisch über die Bühne. Schließlich hilft er ihr in den vier schwarzen Ringen, die sie immer noch umgeben, auf die Bühne. Leda fühlt sich von diesen Ringen absolut eingeengt und will sich daraus befreien, will also gewissermaßen den gesellschaftlichen Zwang, dem sie als Königin unterliegt, abstreifen. Nach und nach legt sie mit Zeus' Hilfe diese Ringe ab. Dann wiederum steigt sie gemeinsam mit Zeus in einen Ring, was dann wohl den Akt der Vereinigung darstellen soll. Dies alles geschieht zu einer abstrakten Klang-Collage, die Walschot über das Grund-Thema von Tschaikowskys Schwanensee gelegt hat. Cobas und Scacchetti setzen den Kampf und das Liebesspiel der Königin und des Gottes eindrucksvoll um. Wenn Cobas sich von allen Ringen befreit hat, wirkt sie in ihrem hellen Spitzenkostüm nahezu schutzlos und zerbrechlich. So verwundert es nicht, dass sie am Ende wieder in die Ringe zurücksteigt. Nun sollen die Ringe die vier Kinder darstellen, die sie laut Überlieferung nach der Begegnung mit Zeus gebar: Helena und Polydeukes als Kinder des Zeus und Klytaimnestra und Kastor als Kinder ihres Gatten Tyndareos. Das Publikum spendet Cobas und Scacchetti für die eindrucksvolle Gestaltung großen Beifall.

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J (Marie-Louise Hertog, links) ist anders als ihre vermeintliche Schwester (Konstantina Chatzistavrou).

Der zweite Teil des Abends von Caroline Finn widmet sich dem Märchen Das hässliche Entlein von Hans Christian Andersen, in dem ein Schwanenjunges als Außenseiter unter Entenküken aufwächst, bevor es sich zu einem bildhübschen weißen Schwan entwickelt. Der Titel Forget Me Not. J spielt dabei einerseits auf die Vergissmeinnicht-Blume an, die als Zeichen für die Hoffnung steht, und andererseits auf den Wunsch, von der Umwelt wahrgenommen und akzeptiert zu werden, was dem "hässlichen Entlein", bevor es sich zum strahlenden Schwan entwickelt, nicht gelingt. Finn hat gemeinsam mit Spota und Ida Zenne einen Bühnenraum mit einem Gebilde aus vier Wänden geschaffen, das mal als Käfig fungiert, mal mit den zahlreichen vergilbten und rissigen Fensterscheiben an eine alte verlassene und verfallene Lagerhalle erinnert, die von der Natur allmählich zurückerobert wird. Hierhin hat sich die Mutterente (Chiara Rontini in einem blauen Kleid) zurückgezogen, um ihre Kinder zur Welt zu bringen. Während die anderen Enten (Konstantina Chatzistavrou, Simone Frederick Scacchetti, Yu-Chi Chen, Alessio Monforte und Pablo Navarro Muñoz) scheinbar problemlos schlüpfen und hinter der Wand vom Boden auftauchen, scheint das "hässliche Entlein" J (Marie-Louise Hertog) von Anfang an Schwierigkeiten zu bereiten, was sich durch die lauten Schreie des Muttertieres äußert. Während die anderen das "Nest" verlassen, muss Hertog von Rontini regelrecht durch eine leere Fensterscheibe in die Welt hinausgedrängt werden. Auch optisch unterscheidet sich Hertog mit ihrer Fliegermütze und dem Fliegeranzug von ihren vermeintlichen Geschwistern.

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J (Marie-Louise Hertog) fühlt sich auch unter ihresgleichen (Pablo Navarro Muñoz) fremd.

In einer poppig-atmosphärischen Klang-Collage, die Walschot aus verschiedenen Kompositionen von klassischer Musik von Franz Schubert bis hin zu zeitgenössischer Musik von Zbigniew Preisner mischt, werden nun die unterschiedlichen Entwicklungsstadien der "Küken" gezeigt, die sich ihren Platz im Leben suchen. Während die anderen keine Probleme haben, menschenähnliche Beziehungen aufzubauen, wird Hertog als J stets ausgegrenzt. Dies wird in unterschiedlichen Formen des modernen Tanzes dargestellt. Dabei beweisen die Tänzerinnen und Tänzer großen Körpereinsatz mit viel Akrobatik und gehen mit Hertog nicht gerade zimperlich um. Nach der Ausgrenzung durch Bewegung folgt ein weiterer Ausschluss durch die Sprache. Das Ensemble tauscht sich in einer Fantasiesprache aus, die Hertog zu verstehen versucht, was ihr jedoch nicht wirklich gelingt. Zwar hat sie eine Idee, was die anderen von ihr wollen, und versucht, es ihnen stets recht zu machen, ist dabei aber zum Scheitern verurteilt. Schließlich bleibt sie einsam und allein zurück, bis ein "Gleichgesinnter" (Pablo Navarro Muñoz) auftaucht, der ebenfalls eine Fliegermütze und einen Fliegeranzug trägt und versucht, in einem Pas de deux zu J zu finden. Doch J hat ihr Vertrauen in die Gesellschaft verloren. Als auch die anderen mit Fliegermütze und einer blauen Vergissmeinnicht-Blume in einem kleinen Blumentopf auftreten und sich fröhlich tanzend zu Charles Aznavours "Il faut savoir" bewegen, erkennt J, dass sie nichts mit ihresgleichen gemein hat, und schließt die vier Wände zu einem Käfig, in dem die anderen Schwäne sich weiter leicht dümmlich zur Musik bewegen. J legt die Fliegermütze ab und füttert die übrigen Schwäne mit blauen Vergissmeinnicht-Blüten.

FAZIT

Spota und Finn finden in ihren Choreographien bewegende Bilder. Die Musik des Abends gestaltet sich bisweilen jedoch als ein bisschen anstrengend und eintönig und lässt einige Längen entstehen.


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Produktionsteam

L and S

Choreographie, Bühne und Kostüme
Giuseppe Spota 

Tänzerinnen und Tänzer

*rezensierte Aufführung

Leda
*Tanit Cobas /
Genevieve O'Keeffe /
Einav Kringel

Zeus
*Simone Frederick Scacchetti /
Joonatan Zaban

 

Forget Me Not. J

Choreographie, Bühne und Kostüme
Caroline Finn

Künstlerische Beratung und Bühne
Ida Zenne

Bühne
Giuseppe Spota

Sound Design
Thomas Walschot

Dramaturgie
Hanna Kneissler
Ida Zenne

Licht
Mario Turco

Tänzerinnen und Tänzer

*rezensierte Aufführung

*Marie-Louise Hertog /
Genevieve O'Keffee /
Tanit Cobas

*Konstantina Chatzistavrou /
Holly Brennan /
Eleonora Robson

*Chiara Rontini /
Einav Kringel /
Hitomi Kuhara /
Genevieve O'Keeffe

Brecht Bovijn /
*Simone Frederick Scacchetti /
Ingwoong Ryu

*Yu-Chi Chen

*Alessio Monforte /
Sakari Tuurala

*Pablo Navarro Muñoz /
Joonatan Zaban


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