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Aurora

Tanzabend mit Choreographien von Giuseppe Spota und Roser López Espinosa

It's a Match

Choreographie von Giuseppe Spota, Musik von Peter Iljitsch Tschaikowski

Aurora

Choreographie von Roser López Espinosa, Musik von Mark Drillich

Aufführungsdauer: ca. 1h 40' (eine Pause)

Premiere im Kleinen Haus im MiR am 29. Oktober 2022
(rezensierte Aufführung: 09.12.2022)

Homepage

MiR Dance Company Gelsenkirchen
(Homepage)

Verschiedene Aspekte von Aurora

Von Thomas Molke / Fotos:© Bettina Stöß

Nachdem sich Ballettdirektor Giuseppe Spota zum Ende der letzten Spielzeit gemeinsam mit einer weiteren Choreographin dem Thema Schwäne gewidmet hat, die ja über Tschaikowskis Ballettklassiker unweigerlich mit dem Tanz verbunden sind (siehe auch unsere Rezension zum Ballettabend Swans), wählt er nun Aurora, um gemeinsam mit einer weiteren Choreographin verschiedene Blickwinkel auf diesen vielschichtigen Namen zu werfen. Hinter Aurora verbirgt sich nämlich nicht nur die Königin der Morgenröte und das Polarlicht. Es ist auch im englischen Original der Name der Disney-Prinzessin Dornröschen, zu der es ebenfalls von Tschaikowski ein großes Handlungsballett gibt. Dieses Mal hat Spota die spanische Tänzerin und Choreographin Roser López Espinosa eingeladen, gemeinsam mit ihm diesen Doppelabend zu kreieren. Während Spota thematisch bei der Disney-Prinzessin bleibt, wählt Espinosa einen sehr abstrakten Ansatz auf das Thema. Wer nun aber zumindest im ersten Teil auf klassisches Handlungsballett hofft, wird wie schon bei Swans enttäuscht.

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Aurora (Holly Brennan, Mitte) und die vier Bewerber*innen (von links: A.I.Ci (Yu-Chi Chen), Finn van Meij (Dex van ter Meij), Klelia (Konstantina Chatzistavrou) und Poy (Inwoong Ryu))

Zwar verwendet Spota Auszüge aus Tschaikowskis Musik, die aber zum Teil bis zur Unkenntlichkeit verzerrt werden. Auch geht es ihm in seiner Choreographie It's a Match nur um das Ende der Geschichte, das Wachküssen durch den Prinzen. Doch wer ist dieser Prinz? Da gibt es im Zeitalter der Dating-Apps mehrere Anwärter*innen. Die Entscheidung soll das Publikum fällen. Deshalb wird man beim Einlass mit einem Fingerhut ausgestattet. Eine strenge Stimme im Foyer erläutert dann vor der Vorstellung das Procedere. Insgesamt haben sich vier Interessent*innen gefunden, die Aurora zum Leben erwecken wollen. Diese vier Kandidat*innen präsentieren sich im Foyer mit mehreren Fotos, auf denen sie wie bei einer Dating-App Werbung für sich machen. Das Publikum soll nun anhand dieser Präsentationen entscheiden, wer Aurora wachküssen darf und den Fingerhut in die entsprechende Box werfen. Die Tänzer*innen haben sich dabei recht ungewöhnliche Namen gegeben, Klelia, A.I.Ci, Finn van Meij und Poy, aber das ist wohl im Zeitalter der Dating-Apps so üblich. Immerhin hat Spota seine Tänzer*innen auf eine "Forschungsreise" zur Dating-Plattform Tinder geschickt und ihnen den Auftrag erteilt, diese Erfahrungen in den Tanz zu integrieren. So gründen sich die Soli auf Tinder-Profile, die die Tänzer*innen bei ihrer Recherche gefunden haben.

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Auf dem Weg zum "Match": Klelia (Konstantina Chatzistavrou, links) und Aurora (Holly Brennan, rechts)

Wenn man den Saal betritt, sieht man Holly Brennan als Aurora in einem durchsichtigen Kasten, der eher an den Glassarg aus Schneewittchen als an Dornröschens Bett erinnert. Nebelschwaden steigen in diesem Kasten auf. Unruhige Lichtkegel flackern von der Seite, und Brennan bewegt sich in diesem Kasten wie in Trance. Teilweise presst sie ihr Gesicht an eine Wand, um den Begriff "Sleeping Beauty" ad absurdum zu führen. Während eine Männerstimme über leicht verzerrter Musik die Geschichte von Dornröschen erzählt, erscheinen drei Tänzer und eine Tänzerin, die die Aufgabe übernehmen wollen, Aurora wachzuküssen. Zunächst treten alle mit einem Handy an die Rampe und überprüfen ihr Aussehen mit Selfies. Dann legen sie die Mobiltelefone beiseite und bewegen sich in abstraktem Tanz um den Kasten herum. Brennan nimmt sie wahr, kann sich aber noch nicht entscheiden. Poy (Inwoong Ryu) bleibt zunächst auf der Bühne, und Aurora kommt aus dem Kasten heraus. Es kommt zu ersten Annäherungsversuchen, aber Aurora erkennt, dass das "kein Match" ist. Die Suche geht also weiter. An diesem Abend scheint die Tänzerin Klelia (Konstantina Chatzistavrou) das Match zu machen. Aurora zeigt sich von ihr fasziniert, was in wunderbar zarten Bewegungen von Brennan umgesetzt wird. Chatzistavrou gibt sich zunächst ein bisschen abweisend, bevor sie auf Brennans Werben eingeht. Für die richtige Stimmung sorgt natürlich wieder das Handy. Chatzistavrou stellt für ihre Eroberung eine romantische Musik ein, die das gegenseitige Werben begleitet, bis die beiden im Kasten landen und eine Stimme verkündet: "It's a Match". Ob aber an diesem Abend alles mit rechten Dingen zugegangen ist, ist fraglich. Wenn man im Vorfeld das Publikum im Foyer beobachtet hat, hat man nämlich das Gefühl, dass auch dieses Mal wieder - wie in den vorherigen Vorstellungen - die meisten Fingerhüte bei Finn van Meij gelandet sind, dem einzigen "europäischen" Mann. Aber das konnte man in der Pause nicht mehr nachprüfen.

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Marie-Louise Hertog (oben) und Ensemble

Für den zweiten Teil des Abends, Aurora von Roser López Espinosa, hat Mark Drillich die Musik eigens komponiert, die parallel zur Entstehung der Choreographie entstanden ist. Dabei hat Drillich das jeweilige Thema in verschiedene Klänge und Rhythmen übertragen, die mit dem Tanz eine wunderbare Einheit eingehen. Lopez sieht in Aurora den Beginn eines neuen Tages, an dem eine Gruppe von Menschen aufeinandertrifft, die sich auf die Suche nach einem neuen Modell des Miteinanders macht und dabei verschiedene Wege des zwischenmenschlichen Zusammenseins ausprobiert, bis sie schließlich einen gemeinsamen Bewegungsablauf und damit eine Gemeinschaft findet. Insgesamt lässt sich die Choreographie in vier bis fünf Teile gliedern, in denen die acht Tänzerinnen und Tänzer akrobatisch zu Höchstformen auflaufen. Zunächst beginnt alles in sehr diffusem Licht aus dem Hintergrund der leeren Bühne. Zwei Scheinwerfer leuchten wie zwei Augen ins Publikum. Das soll wohl die Morgenröte, also der beginnende Tag sein. Aus dem Nichts taucht eine Tänzerin auf, die suchend über die Bühne wandert. Im weiteren Verlauf kommen immer mehr Tänzerinnen und Tänzer dazu, bis die Gruppe mit vier Tänzerinnen und Tänzern schließlich komplett ist.

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Das Ensemble hat seine Form gefunden.

Nun beginnt die eigentliche Erkundung, wie man das Miteinander gestalten will. Im ersten Teil sind alle Tänzerinnen und Tänzer sehr hektisch und der Bewegungsablauf ist sehr schnell. Jeder scheint auf der Suche nach einer Art Vorbild zu sein. Schließlich hat man dieses Ideal in Marie-Louise Hertog gefunden, der alle folgen. Mal tragen sie sie wie eine Majestät über die Bühne. Dann jagen sie ihr hinterher, wenn sie versucht, aus dieser Vorbildrolle auszubrechen. Am Ende dieses Teils ist der erste Versuch missglückt, und alle Tänzerinnen und Tänzer liegen auf dem Boden. Nun ist es Chiara Rontini, die einen neuen Versuch unternimmt. Mit wunderbar komischer Mimik und wesentlich ruhigeren Bewegungen versucht sie, aus den einzelnen Körpern eine Einheit zu formen. Die anderen Tänzerinnen und Tänzer lassen sich auf dieses Experiment ein und legen sich in der Mitte zusammen. Rontini "bindet" sich die letzte Tänzerin, Einav Kringel, um den Bauch und thront schließlich über diesem Konstrukt von Körpern. Aber auch das ist noch nicht die Struktur, die die Gruppe anstrebt. Nun versuchen sie, in einzelnen Paaren zueinander zu finden. Doch auch diese Paare suchen wieder Anschluss. So bilden die Tänzerinnen und Tänzer erneut eine nicht sehr stabile Einheit, in der einiges im Wanken begriffen ist. Joonatan Zaban schlüpft aus dieser Einheit wie ein neugeborener Mensch, der nun den Bewegungsablauf von den anderen zunächst erlernen muss. Während die anderen ihm Hilfestellungen geben, entwickelt sich allmählich eine Einheit, die für alle die richtige Balance hat, und so endet dieser gut einstündige Teil in einem ausgelassenen fröhlichen Spiel. Das Publikum zeigt sich von der Kondition und der akrobatischen Leistung des Ensembles begeistert und spendet frenetischen Beifall.

FAZIT

In Spotas Teil hätte man gerne ein bisschen mehr Tschaikowski gehört. Espinosa findet mit dem Ensemble im zweiten Teil des Abends eine bewegende moderne Tanzsprache und verbreitet gute Laune.


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Produktionsteam

Licht
Mario Turco

Ton
Max Kallien

It's a Match

Choreographie, Bühne und Kostüme
Giuseppe Spota 

Dramaturgie
Anna-Maria Polke

Tänzerinnen und Tänzer

*rezensierte Aufführung

Aurora
*Holly Brennan /
Eleonora Robson

Klelia
*Konstantina Chatzistavrou /
Hitomi Kuhara

A.I.Ci
*Yu-Chi Chen /
Tsung-Jui Yang

Finn van Meij
*Dex van ter Meij /
Tsung-Jui Yang

Poy
*Inwoong Ryu /
Sakari Romero Tuurala

 

Aurora

Choreographie und Bühne
Roser López Espinosa

Dramaturgie
Katarina Pejović

Tänzerinnen und Tänzer

*rezensierte Aufführung

*Tanit Cobas
*Marie-Louise Hertog
*Einav Kringel
*Alessio Monforte
*Pablo Navarro Muñoz
*Chiara Rontini
*Simone Frederick Scacchetti
*Joonatan Zaban /
Holly Brennan
Konstantina Chatzistavrou
Yu-Chi Chen
Hitomi Kuhara
Eleonora Robson
Inwoong Ryu
Sakari Romero Tuurala
Dex van ter Meij
Tsung-Jui Yang


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