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Musiktheater
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Giudetta

Spieloper in fünf Bildern Buch von Paul Knepler und Fritz Löhner-Beda
Musik von Franz Lehár
In einer Fassung von Christoph Marthaler und Malte Ubenauf
Unter Verwendung von Liedern und Orchesterkompositionen von B. Bartók, A. Berg, H. Eisler, E. W. Korngold, E. Krenek, A. Schönberg, D. Schostakowitsch, I. Strawinsky, V. Ullmann sowie Dialogen aus Ö. v. Horváths Sladek oder Die schwarze Armee (1928)

In deutscher Sprache mit deutschen und englischen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2h 30' (eine Pause)

Uraufführung am 18. Dezember 2021 an der Bayerischen Staatsoper München




Bayerische Staatsoper München
(Homepage)

Lehár plus ...

Von Joachim Lange / Fotos von Wilfried Hösl

Auch wer kein Operettenfan ist, der kennt Hits wie "Freunde, das Lebens ist lebenswert" und "Meine Lippen, die küssen so heiß". Die dazu gehörige Operette vom Komponisten der Lustigen Witwe, Franz Lehár (1870-1948), heißt Giuditta. Die Uraufführung 1934 in der Wiener Staatsoper war ein Welterfolg. Die Auseinandersetzungen um ihr Zustandekommen liefern ein hochinteressantes Kapitel der Geschichte des Hauses. Aber es war halt das letzte Wort des Königs der sogenannten Silbernen Operette und damit im Grunde auch das Ende des Nachschubs für das Genre. Tot ist es nicht. Schon, weil in den meisten Operetten mehr drin steckt, als man auf den ersten Wunschkonzertblick hin gemeinhin denkt.

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Die Bayerische Staatsoper in München, an der der einst für Dresden angeheuerte Serge Dorny das Intendantenzepter in der Hand hat, durfte jetzt vor Weihnachten seinem Publikum noch ein Operetten-Schmankerl ankündigen. Es durften zwar nur 650 Zuschauer, sicher maskiert und gründlich kontrolliert, in den Saal. Aber immerhin. Verglichen mit Sachsen ist das schon beachtlich.

Dass am Ende ein erheblicher Teil des Publikums das Inszenierungsteam mit einem Buhsturm bedachte, lag freilich an dem ziemlich extravaganten Zugriff auf die Vorlage. Der kauzige Schweizer Theatermann Christoph Marthaler und seine kongeniale, langjährige Raumerfinderin Anna Viebrock hatten die Vorlage nämlich nicht nur auf ihre übliche Art vermahrtalert, also mit allerlei skurrilen Zugaben in abgeranzten Räumen versehen, sondern regelrecht dekonstruiert und die gefühlte Hälfte der Musiknummern durch die Werke anderer Komponisten ersetzt. Das ging von Béla Bartók und Hans Eisler über Erich Wolfgang Korngold und Ernst Krenek bis zu Arnold Schönberg, Dmitri Schostakowitsch und Viktor Ullmann. Alle insgesamt zehn hinzugefügten Komponisten standen den Nazis nicht wie Lehár nahe und konnten sich keineswegs mit dem anrüchigen Titel eines Lieblingskomponisten von deren Anführer brüsten. Ganz im Gegenteil. Die Absicht der Kontextualisierung von Lehár ist so erkennbar wie untadelig. Aber ohne eine Portion Etikettenschwindel ist sie eben auch nicht zu haben.

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Und so gab es nach jedem Lehár-Hit quasi ein musikalisches Umschalten und eine szenische Vollbremsung. Die Traurigkeit, die eh schon in der Originalgeschichte steckt, wurde durch fast alle eingefügten Stücke noch zusätzlich verstärkt. Das Paar in der Geschichte - die verführerische Giuditta und der Hauptmann Octavio - lieben einander, kommen aber doch nicht auf Dauer zusammen. Für ihn ist die Liebe lebensgefährlich, weil er mit dem Gedanken ans Desertieren spielt. Er folgt aber doch dem Marschbefehl zur Afrikamission und sie tröstet sich mit wechselnden Verehrern. Er endet völlig resigniert als Barpianist und sieht sie am Arm eines Herzogs entschwinden.

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Es ist eine Collage mit beachtlicher musikhistorischer Ambition entstanden. Die kauft allerdings dem charismatischen Drive, der immer aufflammt, wenn Titus Engel und das Bayerische Staatsorchester sich auf sicherem Lehár-Terrain bewegen, den Schneid ab. Operettenseligkeit kommt da nicht auf. Der Kopf bleibt hier mehr gefordert als das Gefühl.
Alle Protagonisten sind fein aufeinander abgestimmt. Daniel Behle als Hauptmann Octavio glänzt nicht nur mit dem unverwüstlichen Richard-Tauber-Hit, sondern überzeugt durchweg. (Der vielbegabte Sänger wird übrigens in der kommenden Spielzeit mit einer selbstkomponierten Oper in Annaberg-Buchholz auch als Komponist in Erscheinung treten!) Auch die Litauerin Vida Miknevičiūté weiß sich in Szene zu setzen, bleibt aber dennoch eher eine distanziert kühle Giuditta.

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Das Buffopaar, Anita und Pierrino, wird zu den Horvath-Figuren der ebenfalls eingebauten Passagen seines Sladek oder Die schwarze Armee. Als Sladek und Anna überzeugen Sebastian Kohlhepp und Kerstin Avemo, ebenso wie auch Jochen Schmeckenbecker als aufgewerteter Leutnant Antonio. Die schauspielernde Marthalertruppe spricht die Dialoge und singt die Chorpassagen ... Dazu gibt es in Vierocks Einheitsbühne (eine Art zeitloses Tanzcafe mit Bühne und Separee) jede Menge stilles, dezentes oder in wilden Slapstick ausartendes Marthalertheater. Diesem Exkurs der Münchner Oper kann man in aller Ruhe von daheim aus folgen. Eine Aufzeichnung der Premiere wird am 26. Januar 2022 ab 19 Uhr kostenlos auf STAATSOPER TV und ARTE Concert, sowie am 27. Februar 2022 ab 22.40 Uhr auf ARTE übertragen. Diese "Giuditta plus" macht aber - ehrlich gesagt - auch Lust auf Lehár pur.

FAZIT

Die Staatsoper München beschließt das Jahr mit einer Operette der besonderen Art: Christoph Marthaler hat Franz Lehárs Giuditta in den Kontext seiner Zeitgenossen gesetzt


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Titus Engel

Inszenierung
Christoph Mathaler

Bühne und Kostüme
Anna Viebrock

Mitarbeit Inszenierung
Joachim Rathke

Licht
Michael Bauer

Mitarbeit Choreographie
Altea Garrido

Dramaturgie
Katharina Ortmann
Malte Ubenauf



Extrachor der
Bayerischen Staatsoper

Bayerisches Staatsorchester


Solisten

Giuditta
Vida Miknevičiūté

Hauptmann Octavio
Daniel Behle

Anna
Kerstin Avemo

Sladek
Sebastian Kohlhepp

Leutnant Antonio
Jochen Schmeckenbecher

Fräulein Schminke
Olivia Grigolli

Knorke
Ueli Jäggi

Horst
Rachael Clamer

Manuele, Guidittas Ehemann/ Ein Herzog
Magne Havard Brekke

Lord Barrymore
Marc Bodnar

Girl
Lilian Benini

Luftballonverkäuferin
Altea Garrido

Christian Oehler, ein Stuttgarter Klavierfabrikant
Bendix Dethleffsen

Leiter der Bewegung
Joaquin P. Abella

Leiter der Gegenbewegung
Sebastian Zuber


Weitere
Informationen

erhalten Sie unter

 
Bayerische Staatsoper München
(Homepage)



Da capo al Fine

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