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Il barbiere di Siviglia
(Der Barbier von Sevilla)

Komische Oper in zwei Akten
Libretto von Cesare Sterbini
nach der Komödie Le barbier de Séville ou La précaution inutile von Pierre-Augustin Caron de Beaumarchais
Musik von Gioacchino Rossini


in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3h (eine Pause)

Übernahme einer Produktion der Staatsoper Unter den Linden Berlin
Premiere im Staatenhaus Köln-Deutz (Saal 2) am 12. Juni 2022
(rezensierte Aufführung; 20. Juni 2022)


Logo: Oper Köln

Oper Köln
(Homepage)

Eine Komödienmaschinerie aus sozialistischen Opernzeiten

Von Stefan Schmöe / Fotos von Paul Leclaire

Das Bühnenbild: Weiße Wände, ein paar weiße Vorhänge; darauf deutet der junge Achim Freyer in Art eines Kupferstichs eine stilisierte historische Stadtlandschaft und pseudobarockes Interieur an. Über der Vorderbühne hängt ein barock anmutendes Gipsrelief, aus dem gerade ein Putto herausfällt. "Der Barbier von Sevilla oder die unnütze Vorsicht" steht darauf und vermeldet somit ironisch: Hier wird großes, sehr historisches Theater gespielt. Als Freyer diesen Raum im Jahr 1968 für die Staatsoper Ost-Berlin entworfen hat, wurde hier in deutscher Sprache gesungen (erst viel später wechselte man in das italienische Original über). Eine merkwürdige Spannung herrscht zwischen diesem in Stein gemeißelten (na ja: in Gips geformten) Portal und der demonstrativen Einfachheit der Mittel auf der Bühne. Freyer hat ein verspieltes Als-ob-Bühnenbild gebaut, das die Erwartungen schnell unterläuft.

Szenenfoto

Almaviva und Figaro

Das setzt sich in den Kostümen fort, ebenfalls von Freyer entworfen, und die alle irgendwie ein bisschen falsch wirken. Ausgerechnet Figaro fällt heraus, sein Kostüm sieht - im Gegensatz zu den anderen - aus wie eine Fortsetzung des Bühnenbilds: Damit rückt er aus dem Zentrum der Oper heraus, wird in gewisser Hinsicht ein Stück weit unsichtbar. Auffällig ist die knallrote Geldbörse, die über seinem Geschlecht hängt. Darin mag man einen Schlüssel zur Inszenierungsidee sehen: Die Vorstellung einer vom Geld angetriebenen Gesellschaft. Im Finale des ersten Aktes lässt der famose Dirigent George Petrou das ausgezeichnete Gürzenich-Orchester dazu rattern und knattern und quietschen wie eine Maschine: Da kommt als klangliche Chiffre das (kapitalistische) Maschinenzeitalter hinzu. Die Personenführung erscheint dabei stark angelehnt an die Commedia dell'Arte. Die Bewegungen sind oft stilisiert, jede Figur hat ihre eigenen, fast immer unnatürlichen Bewegungsmuster. Die Regie tut nur auf den ersten Blick so, als sei sie harmlos konventionell, ist dabei aber genau durchkonstruiert mit einem feinen antiillusionistischen Gestus. Vielleicht sollte man sagen: Diese Menschen funktionieren, und zwar auf eine mechanistische Art und Weise.

Szenenfoto

Allgemeine Verwirrung: Finale des ersten Aktes

Die Inszenierung wird seit ihrer Entstehung 1968 bis heute an der Berliner Staatsoper gespielt und hat es auf annähernd 400 Aufführungen gebracht (die nächste steht im Oktober 2022 auf dem Spielplan). Jetzt hat die Oper Köln sie übernommen und rühmt sich, diese sei dadurch "nun erstmals in der Geschichte dieser Produktion außerhalb Berlins zu erleben". Wobei es freilich das Schicksal der allermeisten Inszenierungen ist, nur an einem Haus gezeigt zu werden. Die Einstudierung hat Katharina Lang übernommen, Berghaus-Schülerin und langjährige Regieassistentin an der Staatsoper, wo sie regelmäßig Wiederaufnahmen geprobt hat. Auch am Rhein geht das Konzept auf (das bei der Premiere 1968 allerdings gar nicht gut angekommen sein soll), man wird recht gut unterhalten. Aber es scheint ein Hauch von Musealität über der Szene zu liegen, ein allzu großer Respekt, der - bei aller Stilisierung - einiges von der Unmittelbarkeit und vom Witz nimmt. Als wolle man dieses vermeintliche Heiligtum der Operngeschichte auf gar keinen Fall ankratzen.

Szenenfoto

(von rechts) Rosina, Bartolo, Figaro und der als Junglehrer verkleidete Almaviva komplimentieren den echten Musiklehrer Basilio hinaus.

Dirigent George Peteru nimmt gerne die schnellen Nummern etwas schneller und die langsamen Nummern etwas langsamer als erwartet, vielleicht gar nicht per Metronom messbar, sondern durch Nuancen im Ausdruck ausgedrückt - das unterstreicht ganz leicht die Künstlichkeit auf der Bühne. Die brillanten Holzbläser sind genau abgestuft, spielen oft im Pianissimo und prägen doch einen luftig-leichten Klang. Petreu begleitet die Rezitative selbst am Hammerklavier, manchmal recht witzig, dann wieder ziemlich ausbuchstabiert. Irritierend, aber wohl ungewollt, ist das Ungleichgewicht zwischen dem langen ersten Akt (der ein paar Striche gebrauchen könnte) und dem deutlich kürzeren, ein wenig aus der Balance geratenen zweiten (wo etwas viel gekürzt wurde).

Szenenfoto

Die Arie von der "unnützen Vorsicht" wird Rosina und Almaviva einander näher bringen

Die Sänger können das vom Orchester vorgegebene hohe Niveau nicht ganz halten. Den stärksten Eindruck hinterlässt Adriana Gamboa-Bastidas als auch in den Koloraturen klangvolle Rosina (ihr Kostüm lässt die Sängerin unwirklich alt aussehen). Mit beweglichem, dabei ziemlich dünnem Tenor ist Alasdair Kent ein zuverlässiger, aber recht farbloser Graf Almaviva. Enrico Marabelli gibt einen souveränen Bartolo, Wolfgang Stefan Schwaiger einen flink parlandierenden, recht jungen und etwas vordergründigen Figaro. Bjarni Thor Kristinsson als Musiklehrer Basilio (das Kostüm verortet ihn als Mann der Kirche, der zum Personal der Commedia dell'Arte gehört) klingt recht fahl. Tadellos ist die agile Berta von Claudia Rohrbach, ganz ordentlich der Fiorillo von David Howes. Gewohnt zuverlässig agiert der Herrenchor in rossinigemäßer Kleinbesetzung.


FAZIT

Sehenswert ist die über 50 Jahre alte und durchaus raffinierte Berghaus-Freyer-Inszenierung sicher immer noch, aber so sensationell gut, dass man sie deshalb von der Spree an den Rhein ausleihen müsste, dann auch wieder nicht. Das Dirigat von George Petrou erweist sich letztendlich als spannender.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
George Petrou

Inszenierung
Ruth Berghaus

Bühne und Kostüme
Achim Freyer

szenische Einstudierung
Katharina Lang

Chor
Rustam Samedov


Chor der Oper Köln

Gürzenich-Orchester Köln


Solisten

* Besetzung der rezensierten Aufführung

Graf Almaviva
Alasdair Kent

Doktor Bartolo
* Enrico Marabelli /
Renato Girolami

Rosina
Adriana Bastidas-Gamboa

Don Basilio
Bjarni Thor Kristinsson

Berta
Claudia Rohrbach

Figaro
Wolfgang Stefan Schwaiger

Fiorillo
David Howes

Ambrogio
Florian Eckhardt

Offizier
Valmar Saar



Weitere
Informationen

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Oper Köln
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