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Musiktheater
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Ulisse

Oper in einem Prolog und zwei Akten
Text und Musik von Luigi Dallapiccola


In deutscher Sprache mit deutschen und englischen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2h (keine Pause)

Premiere am 26. Juni 2022 in der Oper Frankfurt

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Oper Frankfurt
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Odysseus' Erzählungen

Von Roberto Becker / Fotos von Barbara Aumüller

Odysseus ist der Held, Penelope seine treue Gemahlin. Das hat sich so herumgesprochen, seit sich die Menschheit auch in ihren Mythen spiegelt. Die zehn Jahre Krieg vor Troja, der lange Heimweg des Helden und die vielen Umwege. Die unerkannte Ankunft an seinem inzwischen verlotterten Hof und dann der Effekt beim "Ich bin wieder da" - Literatur, Schauspiel und Oper haben das über Zeiten hinweg immer wieder nacherzählt. Mal mit der einen, mal mit der anderen Akzentuierung. Ob Monteverdi, Offenbach, Berlioz, um nur die drei zu nennen - alle haben sich in dieser Abteilung des kollektiven Menschheitsgedächtnisses bedient und die Geschichte auf ihre Weise weiter durch die Zeiten getragen.

Die Oper Frankfurt bietet zwei Opernversionen aus diesem Geschichtenpool. Vor drei Jahren kam die 1913 in Monte Carlo uraufgeführte Oper Pénélope von Gabriel Fauré in der Inszenierung von Corinna Tetzel unter der musikalischen Leitung von Joana Mallwitz auf die Bühne (unsere Rezension). Luigi Dallapiccolas Homer-Echo aus dem Jahre 1968 hatte jetzt im gleichen Haus in der Regie der mit Dallapiccola seit ihrer Inszenierung von Il prigioniero vertrauten Regisseurin Tatjana Gürbaca und unter der musikalischen Leitung von Francesco Lanzillotta Premiere.

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Der Italiener Dallapiccola (1904-1975) war lebenslang vom Odysseus-Mythos fasziniert. Er hat schließlich seine eigene, von Dante inspirierte Version entwickelt und komponiert. Sein Odysseus ist kein Held der Marke Hoppla-jetzt-komm-ich, sondern ein zweifelndes Individuum auf der Suche nach sich selbst. Gleichwohl mit dem wiedererkennbar abenteuerlichen und ebenso bühnentauglichen Reiseplan, der sich mit dem Namen Odysseus verbindet.

Als er im Reich der Phäaken strandet, lässt er sich dazu verführen, seine Geschichte(n) zu erzählen und Revue passieren zu lassen. Wir haben gesehen, wie er sich von der Göttin Kalypso (Juanita Lascaro begegnen wir als Penelope noch einmal) losgerissen hat. Odysseus' Erzählungen bieten dann einen Besuch bei den Lotophagen, das Zusammentreffen mit der berüchtigten Zauberinnen-Domina Kirke, einen Ausflug in den Hades samt einer Begegnung mit seiner verstorbenen Mutter. Und natürlich seine Rückkehr ins heimatliche Ithaka, wo ihm seine Frau zwar die Treue gehalten hat, aber sich ständig lästiger werdender Freier erwehren musste. In diesem ausführlichen zweiten Teil des Abends bieten sowohl die Ausschweifungen der ungebeten "Gäste" als auch sein großes (und blutiges) Aufräumen die Vorlage für eine szenische Opulenz, die umso eindrucksvoller ist, als der Weg dorthin in spartanischer Strenge begann.

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Die Bühne, die Klaus Grünberg gebaut hat, soll - dem Programmheft zufolge - eine Art historische Ausgrabungsstätte sein, in der man sich Schicht um Schicht vorarbeitet. Das ist auch so. Dennoch erinnern die Betonwucht und die zum Teil brüchigen Stützpfeiler eher an den Charme einer Tiefgarage. Daran ändern auch die fahrbaren Hügelelemente nichts, die bei Bedarf eine Insel imaginieren und von Technikern ohne Tarnung hinein- oder hinausgefahren werden. Wodurch das Theater als solches demonstrativ kenntlich bleibt. Als Coup offenbart sich diese nüchterne Tristesse im Kontrast zur entfesselten Kostümorgie mit ihrem Aufmarsch mythischer Figuren. Inklusive sprichwörtlich athletischer Körper und atemberaubender Glamourkleider. Im ersten Fall in Gestalt von Danylo Matviienko als Antinoos. Im zweiten vor allem für die wunderbare Katharina Magiera als Zauberin Kirke und Dirne Melantho. In dieser zweiten Rolle wird sie dann auch das Exempel für die blutige Rache des Odysseus bei der Wiederherstellung der Ordnung in seinem Haus. Wobei die Szene, in der Odysseus von allen wiedererkannt wird, weil allein er (auch nach 20 Jahren Pause) seinen Bogen zu spannen vermag, tatsächlich ergreift. Und das, obwohl es beim Vorzeigen der in einer gläsernen Vitrine aufbewahrten Wunderwaffe bleibt.

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Nachdem der noch unerkannte Odysseus in genau diesem Glaskasten verhöhnt wurde, wird der zum Ort, in dem Melantho mit Blut überschüttet, sprich brutal gerichtet wird. Nachdem auch alle Freier ausgeschaltet sind, widmet sich das wieder vereinte Ehepaar aber nicht (wie in Botho Strauss' Ithaka) der gegenseitigen Erzählung ihres inzwischen vergangenen Lebens. Hier bricht Odysseus wieder auf. Der Ruf des Meeres und der Einsamkeit sind stärker als die Aussicht auf beschaulichen Ruhestand. Es ist die Konsequenz der oft wiederholten Aufforderung "Schauen, dann erstaunen, und erneut wieder schauen". Und folgt den Fragen, die über den Akten und dem Epilog platziert sind: "Wo komme ich her?", "Wo gehe ich hin?" und "Vom Ich zum Du". Dieses Du ist bei ihm am Ende aber nicht Penelope, sondern der "Herr". Vielleicht ist er ja auch "nur" bei sich selbst angekommen. So modern wie Gürbaca ihn zeichnet. Als seine Reise begann, hatte er einen Motorradhelm verpasst bekommen. Dann geht er aber auch schon mal (bis auf die Unterhose) seiner Kleidung verlustig.

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Die Menschen, denen er begegnet, ziehen gleichsam an ihm vorüber. Ob nun die phäakische Königstochter Nausikaa (höhensicher: Sarah Aristidou), die ihn mehr liebt, als er es umgekehrt vermag oder will. Auch der König (der großen Show) Alkinoos (mit selbstironischer Eloquenz: Andreas Bauer Kanabas), der seine Geschichte einfach zum Teil seiner Show macht. Die Lotophagen oder auch Kirke haben zwar bei seinen Gefährten, nicht aber bei ihm Erfolg, bleiben Durchgangsstadium, taugen ihm nicht als Ziel. Iain MacNeil wird all der Zerrissenheit fabelhaft gerecht. Mit einem kernigen Timbre und exzellenter Diktion ist er nicht nur darstellerisch ein höchst überzeugend Suchender. Auch der orchestrale Teil der Komposition ist bei Francesco Lanzillotta und dem Frankfurter Opern- und Museumsorchester in den besten Händen. Zwölftonbasiert ist diesem Musiktheater im Laufe der Jahre das Verschreckungspotenzial abhandengekommen.


FAZIT

Mit der sensibel entschlossenen Transformation des Mythos in die Moderne durch Tatjana Gürbaca ist aus diesem Ulisse ein beeindruckender Opernabend geworden.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Francesco Lanzillotta

Regie
Tatjana Gürbaca

Bühne, Licht
Klaus Grünberg

Mitarbeit Bühne
Anne Kuhn

Kostüme
Silke Willrett

Einstudierung Chor
Tilman Michael

Dramaturgie
Maximilian Enderle



Chor der Oper Frankfurt

Frankfurter Opern-
und Museumsorchester


Solisten

Odysseus
Iain MacNeil

Kirke / Melantho
Katharina Magiera

Kalypso / Penelope
Juanita Lascarro

Demodokos / Teiresias
Yves Saelens

Nausikaa
Sarah Aristidou

Alkinoos
Andreas Bauer Kanabas

Antikleia
Claudia Mahnke

Antinoos
Danylo Matviienko

Eurymachos
Jaeil Kim

Peisandros
Sebastian Geyer

Eumäos
Brian Michael Moore

Telemachos
Dmitry Egorov

Erste Magd
Marvic Monreal

Zweite Magd
Stefanie Heidinger

Eine Lotophagin
Julia Bell



Weitere Informationen
erhalten Sie von der
Oper Frankfurt
(Homepage)







Da capo al Fine

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