Zur OMM-Homepage Zur OMM-Homepage Veranstaltungen & Kritiken
Musiktheater
Zur OMM-Homepage Musiktheater-Startseite E-Mail Impressum



Tosca

Melodramma in drei Akten
Libretto von Giuseppe Giacosa und Luigi Illica, nach dem Drama La Tosca (1887) von Victorien Sardou
Musik von Giacomo Puccini

in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2h 30' (eine Pause)

Premiere  im Opernhaus Dortmund am 11. September 2021




Theater Dortmund
(Homepage)
Zerstörte Kunst in einer dystopischen Welt

Von Thomas Molke / Fotos von Björn Hickmann (© Stage Picture)

Auch in der Oper Dortmund öffnen sich nach langer Corona-Lockdown-Pause endlich wieder die Tore für die "große Oper". Die Wahl ist zu Beginn der Saison auf Giacomo Puccinis fünfte Oper, Tosca, gefallen, die bereits bei der Uraufführung am 14. Januar 1900 im Teatro Costanzi in Rom ein riesiger Erfolg war und sich seitdem einen Platz im Standardrepertoire der Opernhäuser gesichert hat. Dabei sind die drei Hauptpartien gar nicht so leicht zu besetzen. In Dortmund könnte man das Stück zwar rein mit Ensemble-Mitgliedern bestreiten, lässt die A-Premiere aber von zwei Gästen, der lettischen Sopranistin Inga Kalna in der Titelpartie und dem US-amerikanischen Bariton Noel Bouley als Bösewicht Scarpia, bestreiten. Für weitere Folgevorstellungen sind neben den Ensemble-Mitgliedern Stéphanie Müther und Mandla Mndebele für diese Partien auch noch Gabriela Scherer und der Bayreuth-erprobte Michael Volle angekündigt.

Bild zum Vergrößern

Tosca (Inga Kalna) will ihren Geliebten Cavaradossi (James Lee) retten.

Die Geschichte um die Sängerin Floria Tosca, die durch den Mord an dem skrupellosen Chef der Geheimpolizei Scarpia versucht, ihren Geliebten, den Maler Mario Cavaradossi, zu retten, was ihr allerdings nicht gelingt, so dass sie mit einem Sprung von der Engelsburg den Freitod wählt, besitzt wegen der politischen Brisanz des Themas auch heute noch genügend Aktualität, um den Stoff ohne allzu große Verfremdung in die heutige Zeit zu übertragen. Auch das Regie-Team um Nikolaus Habjan holt den eigentlichen Konflikt, der 1800 in Rom spielt, als Napoleons Truppen nach der Verbannung des Papstes Pius VI. die "Römische Republik" nach französischem Vorbild ausgerufen hatten, die Habsburger mit ihren Verbündeten allerdings mit einem schnell etablierten Polizeistaat gegen die Mitglieder dieser Republik vorgingen, näher an die Gegenwart heran und verortet ihn in einer nicht präzise definierten dystopischen Gegenwart. Im Zentrum von Heike Vollmers Bühnenbild steht ein riesiges Gemälde von Hugues Merle, das Maria Magdalena zeigt, die in ihrer Vielschichtigkeit als Parallele zur Künstlerin Floria Tosca betrachtet werden kann. Im ersten Akt handelt es sich dabei um das Gemälde, das Cavaradossi in der Kirche Sant' Andrea della Valle bearbeitet und das wegen der Ähnlichkeit zu der Marchesa Attavanti Toscas Eifersucht auslöst und sie schließlich zum Spielball Scarpias macht. Im zweiten Akt dominiert das Bild Scarpias Zimmer im Palazzo Farnese und dient als Projektion für Scarpias Verlangen nach der Sängerin Tosca.

Wieso die Kirche im ersten Akt allerdings in Schutt und Asche liegt, bleibt unklar. Der Polizeistaat hat hier bereits ganze Arbeit geleistet. Die Madonna, der Tosca einen Strauß Blumen bringt, liegt in Bruchstücken auf der Erde. Die Kapelle, in der Cesare Angelotti nach seiner Flucht aus der Engelsburg zu Beginn der Oper Zuflucht sucht, ist ebenfalls nur noch eine Ruine und dürfte kaum den erhofften Schutz bieten. Der Ort mag für den Ausgangspunkt der Handlung zwar schlüssig sein, aber würde man an einem solchen Ort den Maler Cavaradossi beauftragen, ein riesiges Gemälde zu bearbeiten, und nicht erst andere Restaurierungs-Arbeiten durchführen? Konsequent erfolgt jedenfalls der Umgang mit dem Knabenchor der Chorakademie Dortmund und dem Opernchor. Da die Kirche ja bereits zerstört ist, füllt sie sich nicht wirklich zum Gottesdienst. Die Messdiener und die Besucher werden nur wie bleiche Schatten auf einen durchsichtigen Vorhang projiziert. Vielleicht mag es auch noch Corona-Auflagen geschuldet sein, dass der Knabenchor und der Opernchor noch nicht als Masse auf der Bühne auftreten. Aber in dieser Umgebung geht das Konzept auf, dass der Gottesdienst nur in der Fantasie stattfindet und der Traum des Zufluchtsortes Kirche durch den plötzlich auftretenden Scarpia und seine Schergen zerstört wird. Wie aus dem Nichts erscheint Scarpia mit seinen Männern plötzlich inmitten der Trümmer und setzt seine Schreckensherrschaft fort. Die Solistinnen und Solisten zeigen allesamt, dass sie es mit den kräftig auftrumpfenden Dortmunder Philharmonikern unter der Leitung ihres Generalmusikdirektors Gabriel Feltz aufnehmen können. James Lee stellt bereits bei seiner kurzen Auftrittsarie "Recondita armonia" seine tenoralen Fähigkeiten, die mit scheinbarer Leichtigkeit und ohne Forcieren über das Orchester kommen, unter Beweis. Ob man den musikalischen Fluss dabei aber wirklich mit Szenenapplaus unterbrechen muss, ist fraglich.

Bild zum Vergrößern

Tosca (Inga Kalna) tötet Scarpia (Noel Bouley).

Vor der Pause dreht sich die Bühne bereits zum nächsten Schauplatz, dem Palazzo Farnese. Eine üppig gedeckte Tafel zeigt einen krassen Gegensatz zu der zerstörten Kirche. Hier herrscht Scarpia als Chef der Polizei mit unerbittlicher Härte. Noel Bouley zeichnet den Baron als skrupellosen Bösewicht mit schwarzem Bariton. Selbst seinen eigenen Leuten gegenüber wird er handgreiflich, wenn sie ihm nicht die erhofften Erfolge melden. Das bekommt der Polizeiagent Spoletta, der von Fritz Steinbacher mit großer Wandlungsfähigkeit dargestellt wird, auch direkt zu spüren. Steinbacher macht in intensivem Spiel deutlich, wie sehr er sich fürchtet, seinem Vorgesetzten mitteilen zu müssen, dass sie Angelotti nicht an dem erhofften Ort vorgefunden haben, scheint aber bei der Folterung Cavaradossis selbst auch eine innere Befriedigung zu empfinden. Das Nebenzimmer, in dem Cavaradossi gefoltert wird, ist in Habjans Inszenierung unter der Bühne. Dafür wird die Bühne hochgefahren, so dass man beide Szenen gleichzeitig sehen kann. Mit großer Leidenschaft gestaltet Inga Kalna den inneren Kampf Toscas, Cavaradossis Bitte, Scarpia nichts zu verraten, zu folgen, hält aber den Schreien des gefolterten Geliebten nicht stand und verrät schließlich Angelottis Versteck. Ein musikalischer Höhepunkt ist ihre Interpretation der großen Arie "Vissi d'arte", in der bei aller stimmlichen Kraft Kalnas die Verletzlichkeit der Künstlerin durchschimmert. Mit großen dramatischen Ausbrüchen setzt sie die Verzweiflung der Titelfigur bewegend um. Mit dem Mord an Scarpia scheint sie dann, den Bösewicht besiegt zu haben, und hofft, auf eine gemeinsame Zukunft mit ihrem Geliebten Mario.

Bild zum Vergrößern

Tosca (Inga Kalna) und Cavaradossi (James Lee) träumen von einer glücklichen Zukunft.

Doch natürlich kommt alles anders, und die vorgetäuschte Hinrichtung Cavaradossis ist der letzte Schachzug des bereits toten Scarpias, das Glück Toscas zu zerstören. Das Bühnenbild im dritten Akt zeigt nun durch Einsatz der Drehbühne die Orte, an denen die ersten beiden Akte gespielt haben. Tosca und Cavaradossi wandern noch einmal durch die Kirche und erinnern sich an glückliche vergangene Zeiten. Die Hinrichtung erfolgt dann wieder vor dem großen Gemälde. Cavaradossi setzt sein Vertrauen auf Tosca. Mit einem letzten Aufbäumen kurz vor seinem Tod scheint er, noch ein letztes Mal Kontakt zu seiner Geliebten zu suchen. Tosca stellt sich den Verfolgern, als sie erkennen muss, dass sie von Scarpia hereingelegt worden ist, und wählt nicht den Sprung in den Freitod. Stattdessen zieht sie die auf sie gerichtete Waffe an sich heran und drückt selbst ab, ein erschütterndes Bild für ein dramatisches Ende. Lee begeistert auch mit der Bravour-Arie "E lucevan le stelle" mit tenoralem Glanz und bringt das Publikum zum Toben. Gemeinsam mit Kalna gestaltet er im Duett den Traum von einer glücklichen Zukunft absolut bewegend, bevor er dann Opfer der Intrige wird. Unklar bleibt das Mädchen mit der Puppe, das im dritten Akt auf einer Kiste am rechten Bühnenrand sitzt, während die Stimme des Hirten (Heejin Kim mit zartem Sopran) aus dem Off zu hören ist. Denis Velev, Carl Kaiser und Morgan Moody runden als Mesner, Gendarm Sciarrone und Cesare Angelotti die Riege der Solisten überzeugend ab, so dass es am Ende großen und verdienten Jubel für alle Beteiligten gibt.

FAZIT

Musikalisch und szenisch gelingt der Oper Dortmund mit dieser Tosca ein vielversprechender Einstand in die neue Spielzeit.

 

Ihre Meinung
Schreiben Sie uns einen Leserbrief
(Veröffentlichung vorbehalten)

Produktionsteam

Musikalische Leitung
*Gabriel Feltz /
Motonori Kobayashi

Regie
Nikolaus Habjan

Bühne
Heike Vollmer

Kostüme
Denise Heschl

Video
Kai Ehlers

Lichtgestaltung
Florian Franzen

Choreinstudierung
Fabio Mancini

Knabenchor
Dietrich Bednarz

Dramaturgie
Laura Knoll

 

Opernchor Theater Dortmund

Knabenchor der Chorakademie Dortmund

Kinderstatisterie Theater Dortmund

Dortmunder Philharmoniker

 

Solisten

*Premierenbesetzung

Floria Tosca, eine berühmte Sängerin
*Inga Kalna /
Stéphanie Müther /
Gabriela Scherer

Mario Cavaradossi, Maler
James Lee

Baron Scarpia, Chef der Polizei
*Noel Bouley /
Mandla Mndebele /
Michael Volle

Cesare Angelotti
*Morgan Moody /
Demian Matushevskyi

Spoletta, Polizeiagent
*Fritz Steinbacher /
Błażej Grek

Der Mesner
*Denis Velev /
Yevhen Rahmanin /
Timothy Edlin

Sciarrone, Gendarm / Kerkermeister
Carl Kaiser

Stimme des Hirten
Heejin Kim

 


Weitere
Informationen

erhalten Sie vom
Theater Dortmund
(Homepage)



Da capo al Fine

Zur OMM-Homepage Musiktheater-Startseite E-Mail Impressum
© 2021 - Online Musik Magazin
http://www.omm.de
E-Mail: oper@omm.de

- Fine -