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Die lustige Witwe

Operette in drei Akten
Libretto von Victor Léon und Leo Stein, Neufassung als Revue-Operette von Thomas Enzinger und Jenny W. Gregor
Texte der Gesänge von Rudolf Schanzer und Ernst Welisch
Musik von Franz Lehár (Bearbeitung nach historischem Vorbild von Henning Hagedorn und Matthias Grimminger)

in deutscher Sprache

Aufführungsdauer: ca. 2h 50' (eine Pause)

Premiere  im Opernhaus Dortmund am 29. Januar 2022




Theater Dortmund
(Homepage)
Witwe im Revue-Gewand

Von Thomas Molke / Fotos von Björn Hickmann (© Stage Picture)

Franz Lehárs lustige Witwe gilt als die bekannteste und erfolgreichste Operette des österreichischen Komponisten ungarischer Herkunft und läutete ein neues Zeitalter des Genres, die sogenannte Silberne Operettenära, ein. Grund für die große Beliebtheit dürften vor allem die eingängigen Melodien sein, die dem Werk seinen bis heute ungebrochenen Erfolg bescheren, auch wenn es zunächst einiger Aufführungen bedurfte, bis sich das Stück zu einem Publikumsmagneten entwickelte. So hätte es das berühmte Duett "Lippen schweigen" beinahe gar nicht gegeben, da Lehár die Melodie nur als Walzer-Intermezzo vorgesehen hatte, bis ihn der Direktor des Theater an der Wien dazu drängte, sie zum Hauptthema für Hanna und Danilo auszubauen. Kann man mit einem solchen Stück das heutige Publikum noch überraschen, ohne dabei lediglich auf eine verfremdende Regie zu setzen? Man kann, indem man eine Neufassung als Revue-Operette präsentiert, die auf einer Aufführung von 1928 basiert, die sogar ausdrücklich von Lehár begrüßt worden sein soll. Erik Charell, der Leiter des Großen Schauspielhauses in Berlin, reicherte Lehárs Operette damals mit zahlreichen Jazzelementen an, verlegte den fiktiven Balkanstaat Pontevedro nach Honduras und machte aus der Titelfigur die ehemalige Chansonette Hannah Glavarios, deren Millionen durch die Heirat mit Danilo gesichert werden sollen. Da die berühmte Fritzi Massary in Berlin die Titelpartie für die zur Revue umfunktionierte Operette übernahm, wurden auch einige Lieder neu zugeordnet. Lehár komponierte sogar noch ein Tanzduett und eine Tangoeinlage für diese Berliner Fassung.

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Wiedersehen in Paris: Hanna Glawari (Rebecca Nelsen) und Graf Danilo (Matthias Störmer)

Das komplette Textbuch der Aufführung von 1928 ist allerdings verloren, so dass Thomas Enzinger und Jenny W. Gregor bei ihrer Neufassung lediglich auf die neue Aufteilung der Lieder und die zusätzlich eingefügte Musik zurückgreifen konnten. Honduras wird zu einem nicht näher bestimmten südamerikanischen Staat und die Witwe wieder zu Hanna Glawari, die bei Enzinger eine kleine Vorgeschichte bekommt. So sieht man sie zu Beginn als Chansonette in Südamerika auf der Bühne inmitten eines Tänzer-Ensembles, wie sie von ihrer Bühnenkarriere Abschied nimmt, um Danilo zu heiraten. Da erscheint Camille de Rosillon, um ihr mitzuteilen, dass die Hochzeit nicht stattfindet, da Danilo als Gesandtschaftssekretär nach Paris abgeordnet worden sei. Verletzt heiratet sie den alten wohlhabenden Gutsbesitzer Glawari, der jedoch kurz nach der Hochzeit verstirbt und ihr ein großes Vermögen hinterlässt. Enzinger und Gregor fügen einen Erzähler ein, der als Adán wie ein Conferencier durch den Abend führt. Da erklingt auch direkt zu Beginn das "Vilja-Lied", das Morgan Moody als Adán mit dem Chor größtenteils auf Englisch präsentiert und das in der verjazzten Version recht fremd klingt. Das Bühnenbild von Toto unterstreicht mit den die Bühne einrahmenden kleinen Show-Lämpchen und den an den Seiten herabhängenden Prospekten mit den recht abstrakt gehaltenen Mustern den Charakter einer opulenten Revue, bei der auch ein schicker auf die Bühne geschobener Wagen oder vom Schnürboden herabhängende Käfige nicht fehlen dürfen. Lediglich auf eine Showtreppe muss man verzichten. Auch die Kostüme, für die Toto verantwortlich zeichnet, lassen, was die Opulenz betrifft, keine Wünsche offen, und zeichnen das Bild einer vergnügungshungrigen Gesellschaft der 20er Jahre des letzten Jahrhunderts.

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Hanna Glawari (Rebecca Nelsen, mit den Tänzer*innen) als "Grisette" im Maxim

Gewöhnungsbedürftig ist die Neuverteilung der Lieder. Natürlich ist Hanna Glawari als Titelfigur die Hauptperson in diesem Stück, aber dass sie auch noch zwei Lieder von Valencienne übernimmt, lässt die Gattin des Gesandten Zeta recht blass erscheinen, was für die Figur eigentlich schade ist. Vielleicht wollte Fritzi Massary 1928 nicht, dass eine andere Frau neben ihr auf der Bühne große Aufmerksamkeit bekam. Inhaltlich begründen lässt sich diese Entscheidung nämlich nicht. "Ich bin eine anständige Frau" ist eigentlich das Bekenntnis Valenciennes, mit dem sie zunächst mit ihrem Verehrer Rosillon spielt und anschließend geschickt ihren Kopf aus der Schlinge zieht. Für Hanna macht der Text keinen Sinn, da ihr Anstand bei ihrem Vermögen sowieso niemanden interessiert. Noch fragwürdiger ist es sicherlich, Hanna den berühmten "Weibermarsch" in den Mund zu legen und ihn dann noch auf die Männer umzudichten. Das geht dramaturgisch nicht auf und bringt den Ansatz, Hanna als eine starke und selbstbestimmte Frau zu zeigen, nicht wirklich weiter. Das "Grisetten-Lied" hingegen umzuwandeln, passt ganz gut, da sie als ehemalige Sängerin und Tänzerin nun im Maxim Erinnerungen an ihr altes Leben wieder wachrufen kann. Mit Rebecca Nelsen hat man in Dortmund eine Interpretin gewonnen, die die Stärke der Figur überzeugend herausarbeitet. In den Choreographien kann sie mit dem achtköpfigen Tanz-Ensemble wunderbar mithalten. Außerdem verfügt sie über eine gute Textverständlichkeit in den Liedern und singt die Höhen sauber aus.

Daneben hat es Sooyeon Lee als Valencienne natürlich schwer zu bestehen. Wenn sie sich im ersten Teil beim Fest in ihrem glitzernden Anzug kaum von den anderen Gästen unterscheidet, geht ihre heimliche Liaison mit Camille de Rosillon nahezu unter. Erst im Duett "Komm in den kleinen Pavillon" kann sie mit Sungho Kim als Rosillon ihre stimmlichen Qualitäten richtig unter Beweis stellen. Hier punktet sie mit lieblichem Sopran und weich angesetzten Höhen. Die acht Tänzer*innen untermalen das Duett mit einer eindrucksvollen Choreographie mit großen schwarzen Federfächern und lassen Lee und Kim am Ende des Duetts hinter den Fächern verschwinden, während ein weißer Vorhang aus dem Schnürboden herabgelassen wird, der dann den Pavillon bildet, in dem Zeta später seine Frau überrascht. Kim verfügt als Rosillon über einen geschmeidigen lyrischen Tenor. Matthias Störmer, der in Dortmund noch als Leopold aus dem weißen Rössl in guter Erinnerung geblieben ist, gibt den Grafen Danilo als fröhlichen Lebemann, der mit seinen Gefühlen für Hanna stark zu kämpfen hat. Besonders eindrucksvoll gelingt Nelsen und Störmer das berühmte Duett "Lippen schweigen". Da spürt man szenisch, wie es zwischen den beiden knistert, ohne dass sie ihre Gefühle einander zugeben wollen. Leider fehlt ihm mit dem "Weibermarsch", den Nelsen als Witwe übernimmt, eine Paradenummer, die man gerne von Störmer gehört hätte..

Natürlich darf bei einer Operette in Dortmund Kammersänger Hannes Brock nicht fehlen. Wie schon bei der letzten Produktion der Operette vor 11 Jahren schlüpft er erneut in die Rolle des Baron Mirko Zeta, dessen ganzes Interesse darin besteht, die Millionen der Glawari im Land zu behalten. Dabei glänzt er wie gewohnt mit pointiertem Spielwitz. Ihm zur Seite steht mit Steffen Schortie Scheumann als Kanzlist Njegus ebenfalls ein Vollblutkomödiant, der zuletzt in Dortmund als Wilhelm Giesecke im weißen Rössl zu erleben war. Neben den üblichen komischen Szenen mit Brock erhält er auch noch ein Couplet im zweiten Teil des Abends, in dem er sich mit der Frage nach dem Anstand beschäftigt und recht sprachgewaltig mit verschiedenen Wörtern wie "Zustand", "Umstand", "Standhaftigkeit" etc. spielt. Da wegen der Corona-Pandemie die Besetzung im Orchestergraben noch einmal verkleinert werden musste, haben Henning Hagedorn und Matthias Grimminger eine Fassung erstellt, die durch die Umgestaltung zu einer Revue-Operette zwar ein wenig anders klingt als man die Witwe sonst gewohnt ist, im Spiel der Dortmunder Philharmoniker unter der Leitung von Philipp Armbruster aber keine Wünsche offen lässt.

FAZIT

Wer mit der lustigen Witwe nicht so vertraut ist oder etwas Neues erleben möchte, wird in Dortmund auf seine Kosten kommen, da die Inszenierung Tempo hat und gut unterhält. Die "Nostalgiker*innen" unter den Operetten-Besucher*innen dürften den Abend ein bisschen irritiert verlassen.

 

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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Philipp Armbruster

Regie
Thomas Enzinger

Choreographie
Evamaria Mayer

Bühne und Kostüme
Toto

Lichtdesign
Sabine Wiesenbauer

Videodesign
Irene Kind
Till Kind

Chor
Fabio Mancini

Dramaturgie
Laura Knoll

 

Opernchor Theater Dortmund

Dortmunder Philharmoniker

 

Solisten

*Premierenbesetzung

Hanna Glawari
*Rebecca Nelsen /
Penny Sofroniadou

Graf Danilo Danilowitsch, Gesandtschaftssekretär,
Kavallerieleutnant a. D.

Matthias Störmer

Valencienne, Baron Zetas Frau
Sooyeon Lee

Camille de Rosillon
Sungho Kim

Baron Mirko Zeta, südamerikanischer Gesandter in Paris
Ks. Hannes Brock

Njegus, Kanzlist bei der südamerikanischen Gesandtschaft
Steffen Schortie Scheumann

Vicomte Cascada
*Błażej Grek /
Christian Pienaar /
Fritz Steinbacher

Adán
Morgan Moody

Raoul de Saint-Brioche
Min Lee

Ein Herr
Georg Kirketerp

Tänzer*innen
*James Atkins
Janina Clark
*Nathalie Gehrmann
Henrik Hebben
*Iván Keim
*Christian Meusel
*Silvia Molendino
*Thomas Riess
*Helena Sturm
*Martina Vinazza

 


Weitere
Informationen

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Theater Dortmund
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