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Don Carlo
Oper in fünf Akten
Libretto von Joseph Méry und Camille du Locle
nach Friedrich Schillers Tragödie Don Karlos
Italienische Fassung von Achille de Lauzières
Musik von Giuseppe Verdi


in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 4 h (eine Pause)

Premiere im Opernhaus Bonn am 12. Dezember 2021


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Theater Bonn
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Leider nur eine Liebesgeschichte aus finsteren Zeiten

Von Stefan Schmöe / Fotos von Thilo Beu

Alles umsonst: Gerade eben ist Graf Posa gestorben, geopfert für seine politischen Ideale, für die Freiheit von Flandern im Kampf gegen die spanische Schreckensherrschaft, für seinen Freund Carlos, auf dass er ein besserer Herrscher werde als sein tyrannischer Vater Philipp II. Und was tut dieser Don Carlos? Er bringt sich um, aus Liebeskummer. Und schon sind sie hin, die großen Gedanken und Ideale. Stattdessen: Sire, geben Sie Sentimentalitätsfreiheit. So hat sich das Verdi nicht gedacht (Schiller schon gar nicht), der italienische Komponist lässt seinen Tenorhelden eigentlich mysteriös in einer Gruft verschwinden, da bleibt immerhin noch eine Resthoffnung auf eine bessere, freiere Welt.

Vergrößerung in neuem Fenster Im Wald von Fontainbleau: Die erste Begegnung von Don Carlos und Elisabetta (Mitte); Hofdame Fürstin Aremberg ist als Anstandsdame anwesend

Nun wäre es zu viel gesagt, Regisseur Mark Daniel Hirsch würde mit diesem albern-pathetisch inszenierten Suizidfinale die großen Gedanken zurücknehmen - denn die hat er zuvor gar nicht erst formuliert. Die hauptsächlich dekorative Inszenierung bebildert das Stück, mal mehr, mal weniger gelungen und gelegentlich mit deutlichem Hang zum Kitsch. Die Ausstattung (Hartmut Stürmer) legt sich historisch nicht fest; das Bühnenbild zeigt eine faschistisch anmutende Architektur, die Kostüme wechseln zwischen der Spätrenaissance und dem frühen 20. Jahrhundert. Das hier gezeigte Geflecht aus Macht und Liebe ist eben zeitlos, will das wohl sagen, und entscheidend ist sowieso das Atmosphärische. Dafür gibt es Bühnennebel und Streiflicht, und das im Spanien Phillips II. das Sonnenlicht gleichzeitig von links und von rechts in den Kirchenraum einfällt, stört wohl nur Spötter, denen die heilige Inquisition seinerzeit kurzerhand den Garaus bereitet hätte. Die Personenregie folgt dem einfachen Schema: Wenn Du etwas Wichtiges zu singen hast, dann tritt an die Rampe und schaue ins Publikum. Und weil im Don Carlo ja eigentlich immer irgendwer etwas Wichtiges zu singen hat, stehen die Sängerdarsteller eben ziemlich oft an der Rampe und singen das Publikum an.

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Verbrennung einiger Ketzer beim Autodafé

Gespielt wird die fünfaktige italienische Fassung - Verdi hatte nach der (französischsprachigen) Uraufführung in Paris den ersten Akt zunächst gestrichen, für eine Aufführung 1887 in Modena wieder aufgenommen. In dieser Bonner Aufführung erweist sich das nicht unbedingt als Gewinn. Der Wald von Fontainbleau, wo Don Carlos und Elisabetta von Valois sich zum ersten Mal begegnen und prompt verlieben - zu diesem Zeitpunkt gehen sie noch davon aus, bald aus Staatsraison miteinander verheiratet zu werden - ist ein gemalter Prospekt, davor steht eine ramponierte Kutsche, und das alles wirkt eher wie eine Verlegenheitslösung. Leonardo Caimi, dem Sänger des Don Carlos, missglückt dazu auch seine in der Intonation allzu vage geratende Auftrittsarie - Caimi steigert sich dann erheblich, ihm gerät zwar das Piano häufiger mal wacklig, aber er verfügt über Höhe und Volumen, zudem ist die Stimme geschmeidig geführt. Darstellerisch bleibt er, obgleich eine attraktive Bühnenerscheinung, ziemlich pauschal. Und Anna Princeva als Elisabetta, die dann überraschend mit Carlos' Vater Philipp verheiratet wird, singt ihre Partie mit leuchtendem, lyrisch gefärbtem Sopran, der für die Partie zwar ein wenig größer sein dürfte, mit dem sie die Rolle aber eindrucksvoll ausfüllt.

Vergrößerung in neuem Fenster Ringen um die Macht: Philipp II: (links) und der Großinquisitor

Vom zweiten Akt an dominiert die düstere Fassade der Kirche die Bühne, mal von innen, mal von außen, als beherrschende Kulisse, hinreichend einschüchternd. Der Chor der Mönche gerät zum unfreiwillig komischen Mummenschanz, dem einigermaßen konventionell angelegte Freiheitskämpfer Posa gibt Bariton Geogios Kanaris gehörige Wucht, szenisch wie stimmlich. Die intrigante Prinzessin Eboli, sie sollte eigentlich die größte Schönheit am Hofe sein (am Ende verflucht sie schließlich genau das), ist arg gouvernantenhaft verzeichnet - Dshamilja Kaiser fremdelt zuerst mit der Partie, wirkt zwar solide, aber gehemmt; die zentrale Arie O don fatal indes gelingt fulminant mit großem dramatischem Schlusspunkt. Schade, dass die Regie diese Frau nicht geheimnisvoller in Szene setzt.

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Krisensitzung: Posa (links) und Don Carlos im Kerker

Der vielschichtigste Charakter ist hier sicher König Philipp II., in seiner Zerrissenheit ohnehin die schillerndste Figur der Oper, auch von der Regie differenzierter angelegt als die anderen. Elegant und machtbewusst (keineswegs brutal) bei den Auftritten in der Öffentlichkeit, voller Selbstzweifel bei der Feststellung "sie hat mich nie geliebt" (bezogen auf Elisabetta) - Tobias Schabel spielt das sehr überzeugend aus; seine Stimme bewältigt die Anforderungen passabel, wenn auch ohne die ganz große Autorität. Die besitzt Karl-Heinz Lehner als Großinquisitor, zumindest in der tiefen und der Mittellage, in der Höhe muss er mitunter geschickt ausgleichen, was an Reserven fehlt, aber seine Auftritte sind schon von bestechender Präsenz. Lada Bočková singt einen pieksauberen Pagen Tebaldo, Kathleno Mokhoabane einen klangschönen Graf Lerma und Herold. Magnus Piontek als ein wenig unscharfer Mönch, Sarah Vautour als hübsche "Stimme aus der Höhe" und Helena Baur als Hofdame von Aremberg vervollständigen das gute Solistenensemble.

Vergrößerung in neuem Fenster Freiheitskampf ist nicht die Sache dieses Don Carlos, der es vorzieht, in den Armen von Elisabetta zu sterben

Mit dem couragiert und genau singenden Chor und Extrachor weiß die Regie nicht viel anzufangen - irgendwelche rhythmischen Bewegungen zur Musik wie hier sehen halt meist recht peinlich aus. Mit Strohhüten ist das Volk durchaus volkstümlich ausstaffiert, wobei nicht klar wird, in welcher Beziehung dieses Volk eigentlich zur Handlung steht - die Durchmischung der historischen Epochen fordert ihren Preis. Unter der Leitung von Kapellmeister Hermes Helfricht spielt das Beethoven Orchester mit schönem Blech zuverlässig auf. Die Interpretation ist mitunter etwas hölzern und könnte etwas mehr italienisches Brio vertragen, aber die Abstimmung zwischen Sängern und Orchester gelingt gut, und ausreichend Dramatik gibt es auch. Das ist auch notwendig, denn die vielen, recht langen Umbaupausen, in denen im Saal das Licht angeht, sind nicht eben förderlich (und eigentlich unnötig, denn es gibt sowieso immer wieder Videoprojektionen, ziehende Wolken etwa, was man doch einfach hätte verlängern können). Trotz mancher Abstriche: Das Bonner Publikum feiert eine Aufführung, in der zum ersten mal seit langer Zeit wieder ein großes Ensemble mit riesiger Chorbesetzung auf der Bühne steht und singt.


FAZIT

Musikalisch ist dieser Don Carlo eindrucksvoll; szenisch fällt der Regie außer dramatischer Beleuchtung nicht viel ein.




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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Hermes Helfricht

Inszenierung
Mark Daniel Hirsch

Ausstattung
Helmut Stürmer

Licht
Max Karbe

Video
Ruth Stofer

Choreographie
Bärbel Stenzenberger

Chor
Marco Medved

Dramaturgie
Andreas K. W. Meyer


Statisterie des
Theater Bonn

Chor und Extrachor des
Theater Bonn

Beethoven Orchester Bonn


Solisten

Filippo II
Pavel Kudinov /
* Tobias Schabel

Don Carlo
* Leonardo Caimi /
Santiago Sánchez

Rodrigo
Giorgos Kanaris

Der Großinquisitor
* Karl-Heinz Lehner /
Pavel Kudinov /
Tobias Schabel

Ein Mönch
* Magnus Piontek /
Marcel Brunner

Elisabetta von Valois
Anna Princeva

Prinzessin Eboli
* Dshamilja Kaiser /
Khatuna Mikaberidze

Tebaldo
* Lada Bočková /
Sarah Vautour

Stimme aus der Höhe
Lada Bočková /

Graf von Lerma / Ein königlicher Herold
Katleho Mokhoabane

Die Fürstin von Aremberg
Helena Baur

Flandrische Deputierte
Sven Bakin
Enrico Döring
Algis Lunskis
Miljan Milovic
Hartmut Nasdala
Nicholas Probst



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