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Musiktheater
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Chicago

Musical-Vaudeville in zwei Akten
Buch von Fred Ebb & Bob Fosse, Liedtexte von Fred Ebb
nach dem Theaterstück Chicago von Maurine Dallas Watkins
deutsche Übersetzung von Erika Gesell und Helmut Baumann
Musik von John Kander

in deutscher Sprache

Aufführungsdauer: ca. 2h 35' (eine Pause)

Premiere im Opernhaus Bonn am 29. August 2021


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Theater Bonn
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Crime als ShowBiz

Von Thomas Molke / Fotos von Thilo Beu

Die Sommerpause ist zu Ende, und die Theater in Nordrhein-Westfalen öffnen wieder ihre Pforten. Obwohl Corona noch immer nicht überwunden ist, hat man in der Oper Bonn trotzdem das Gefühl, dass wieder ein bisschen mehr Normalität in den Theateralltag zurückkehrt. Aufgrund der neuen Bestimmungen darf man im Opernhaus wieder alle Plätze besetzen und theoretisch am Sitzplatz sogar die Maske absetzen. Es versteht sich von selbst, dass diese neue Freiheit mit einem richtigen Knaller gefeiert werden muss, und dabei ist die Wahl auf das Musical Chicago gefallen, das 1975 knapp neun Jahre nach Cabaret am Broadway zur Uraufführung kam. Und so wie Cabaret durch die legendäre Verfilmung mit Liza Minelli und Joel Grey zu Weltruhm gelangte, war es auch bei Chicago die mit sechs Oscars prämierte Verfilmung mit Catherine Zeta-Jones, Renée Zellweger, Richard Gere und Queen Latifah, die dem Stück 27 Jahre später den Ruhm einbrachte, den es verdient, und es auf eine Stufe mit Cabaret stellte.

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Velma (Bettina Mönch, links) und Roxie (Elisabeth Hübert, rechts) beschließen, als Duo aufzutreten.

Erzählt wird eine bitterböse Geschichte aus den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts. In Chicago boomt nicht nur das Verbrechen, sondern der Umgang damit wird auch medienwirksam in Szene gesetzt. So avanciert im Cook County Jail die Vaudeville-Sängerin Velma Kelly nach dem Mord an ihrer Schwester und ihrem Gatten mit Hilfe des Anwalts Billy Flynn zu einem Star und plant bereits ihre große Karriere nach dem Gefängnisaufenthalt. Doch eine neue Mörderin, Roxie Hart, durchkreuzt ihre Pläne. Flynn scheint die Geschichte der jungen Revue-Tänzerin, die ihren Geliebten Fred Casely getötet hat, lukrativer vermarkten zu können. Mit einer geschickten Werbekampagne baut Billy Roxie zu einem medienwirksamen Star auf, zumal sie auch noch vorgibt, schwanger zu sein. Doch auch dieser Erfolg ist nur von kurzer Dauer. Ein neues Verbrechen lässt Billy auch das Interesse an Roxie verlieren, so dass Roxie und Velma sich zusammenschließen, um als neues Show-Duo aufzutreten, denn "eine Jazz-Mörderin ist nichts heutzutage, aber zwei..."

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Der Gerichtssaal als Riesenzirkus: Billy Flynn (Anton Zetterholm, Mitte) mit dem Ensemble bei "Hokuspokus"

Das Regie-Team um Gil Mehmert setzt das Stück als kurzweilige Show-Revue um, bei der eine hochkarätige Musiknummer die nächste jagt. Bühnenbildner Jens Kilian hat eine große Drehbühne in der Mitte konzipiert, die ein wenig an eine Manege im Zirkus erinnert. Die für die Aufführung zusammengestellte Band ist auf zwei Podesten auf der rechten und linken Seite der Bühne positioniert und unterstreicht damit den Charakter einer Kapelle. Im Hintergrund deuten einige schwarze Hochhäuser die Skyline von Chicago an. In der Mitte führt eine riesige Show-Treppe zur Bühne hinab. Die Kostüme von Falk Bauer lassen das Publikum in die Roaring Twenties des letzten Jahrhunderts eintauchen. In diesem Ambiente, das nur durch kleine Requisiten verändert wird und damit Ortswechsel markiert, liefern die Darstellerinnen und Darsteller eine atemberaubende Show ab.

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Velma Kelly (Bettina Mönch) mit dem Damen-Ensemble beim "Cell Block Tango"

Da ist zunächst Bettina Mönch als Velma Kelly zu nennen. Schon ihr erster Auftritt zum großartigen "All That Jazz" wird großartig in Szene gesetzt. In einem schwarzen Doppelbett wird sie aus dem Schnürboden herabgelassen und lädt mit dem Ensemble das Publikum dazu ein, die Stadt unsicher zu machen. In diesem Doppelbett wird Roxie Hart anschließend Fred Casely ermorden. Mönch begeistert bei dieser Nummer nicht nur mit herrlich dunkler Stimme sondern auch mit einer perfekt sitzenden Choreographie. Großartig spielt sie die Arroganz der zu Beginn überlegenen Velma aus, die schließlich vor Roxie zu Kreuze kriechen muss. Man hat schon beinahe Mitleid mit ihr, wenn sie sich in der Nummer "Leider geht's nicht allein" bei Roxie anbiedert, um sie davon zu überzeugen, mit ihr gemeinsam eine Karriere zu starten. Auch hier zeigt Mönch ganzen Körpereinsatz, und man fragt sich, woher sie überhaupt noch die Luft nimmt, dabei jeden Ton perfekt anzusetzen. Ein weiterer musikalischer und szenischer Höhepunkt ist der "Cell Block Tango", in dem Velma und die anderen Mörderinnen erzählen, wie sie sich jeweils ihres Mannes entledigt haben. Mit Stangen, die die Drehbühne mal in einen Käfig verwandeln und dann zu geometrischen Figuren geformt werden, gelingt Mönch mit Yara Hassan als Annie, Florentine Kühne als Mona, Esther Mink als Liz, Tanja Schön als June und Rachel Marshall als Hunyak eine beeindruckende Umsetzung dieser zynischen Geschichten.

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Roxie Hart (Elisabeth Hübert mit dem Herren-Ensemble) lässt ihre Reize spielen.

Elisabeth Hübert mimt als wasserstoffblonde Roxie Hart eine ernstzunehmende Rivalin für Velma, der es mit weiblichem Geschick gelingt, die anfangs von ihr bewunderte Mörderin zu überbieten. Dabei vollzieht sie einen glaubhaften Wandel vom naiven blonden Dummchen zu einem gerissenen Luder, das die Spielregeln sehr schnell begreift und alles zum eigenen Vorteil zu drehen vermag. Diese beiden Seiten zeigt sie bereits in ihrem Auftrittslied "Mein Schussel Dussel Mann", wenn sie ihren Ehemann Amos überredet hat, den Mord an Casely zu gestehen. Enrico de Pieri legt den leichtgläubigen Amos ebenfalls sehr überzeugend an. Dabei spielt er wunderbar aus, wie er sich immer wieder von Roxie um den Finger wickeln lässt und sogar glaubt, der Vater des fingierten Babys sein zu können. Großartig gelingt seine Interpretation von "Cellophan", wenn er beschreibt, dass ihn niemand zur Kenntnis nimmt. Selbst die Abgangsmusik wird ihm am Ende von der Band verwehrt.

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Mama Morton (Dionne Wudu, links) und Velma (Bettina Mönch, rechts) klagen über fehlenden "Stil" (im Hintergrund: Billy Flynn (Anton Zetterholm) mit dem Ensemble).

Dionne Wudu hält nicht nur als Gefängniswärterin Mama Morton die Zügel in der Hand, sondern fungiert auch gleichzeitig als Mistress of Ceremonies und leitet die einzelnen musikalischen Nummern ein. Dabei begeistert sie darstellerisch durch eine berechnende Kaltschnäuzigkeit und musikalisch durch eine große Soul-Stimme. Als weiterer musikalischer Höhepunkt darf ihr Duett mit Velma bezeichnet werden, in dem die beiden beklagen, dass es der Welt heutzutage an "Stil" fehle. Anton Zetterholm versteht es, als Billy Flynn, seine Auftritte wunderbar in Szene zu setzen. Bei seinem ersten Lied treten Hassan, Kühne, Mink, Schön, Marshall im Revue-Girl-Outfit der US-amerikanischen Flagge auf und zelebrieren seinen Namen Billy mit großen leuchtendroten Lettern. In der Pressekonferenz lässt er nicht nur Roxie als Marionette auf die Fragen der Reporter antworten, sondern zieht auch bei den Journalisten geschickt die Fäden. Auch diese Nummer wird in der Choreographie von Jonathan Huor eindrucksvoll umgesetzt.

Ein wenig makaber wird ein riesiges Paragraphenzeichen eingesetzt, das sich aus dem Boden der Drehbühne lösen lässt. Zum einen fungiert es als Hinrichtung für die Polin Hunyak (Rachel Marshall), die eindringlich ihre Unschuld beteuert, aber als erste Frau seit vielen Jahren die Todesstrafe erhält. Uncle Sam (Robert Johansson), auf den Hunyak ihre ganze Hoffnung gesetzt hat, tritt dabei als Messerwerfer auf, der sie mitten ins Herz trifft. Da hat Roxie am Ende schon mehr Glück, wenn sie in diesem Paragraphenzeichen in den Zeugenstand tritt. Dabei wird eine Leuchtschrift "In dubio pro Roxie" aus dem Schnürboden herabgefahren. So vergehen die zweieinhalb Stunden wie im Flug, und das Ensemble und das Regie-Team werden zu Recht mit großem Jubel belohnt.

FAZIT

Ein rundum gelungener Auftakt nach einer viel zu langen theaterfreien Zeit


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Jürgen Grimm

Inszenierung
Gil Mehmert

Bühne
Jens Kilian

Kostüme
Falk Bauer

Choreographie
Jonathan Huor

Licht
Boris Kahnert

 

CHICAGO-Band


Solisten

Velma Kelly
Bettina Mönch

Roxie Hart
Elisabeth Hübert

Mama Morton
Dionne Wudu

Billy Flynn
Anton Zetterholm

Amos Hart
Enrico de Pieri

Mary Sunshine
V. Petersen

Go-to-Hell-Kitty / Annie / Reporter
Yara Hassan

Fred Casely / Quartett / Besitzer / Reporter
Tim Hüning

Sergeant Fogarty / Richter / Uncle Sam / Reporter
Robert Johansson

Arzt / Martin Harrison / Quartett / Reporter
Adrian Hochstrasser

Anwalt Aaron / Assistent / Reporter
Lukas Mayer

Harry / Polizist / Aufseher / Reporter / Quartett
Nico Hartwig

Polizist / Aufseher / Quartett / Gerichtsdiener
Reporter
Kevin Schmid

Mona / Reporter
Florentine Kühne

Liz / Reporter
Esther Mink

June / Reporter
Tanja Schön

Hunyak / Reporter
Rachel Marshall

 


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