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Pünktchen und Anton

Oper für Kinder nach dem Roman von Erich Kästner
Libretto von Thomas Höft
Musik von Iván Eröd
für Kinder ab 6 Jahren


in deutscher Sprache (im Livestream mit deutschen Untertiteln)

Aufführungsdauer: ca. 1h 5' (keine Pause)

Premiere im Staatenhaus Köln-Deutz (Saal 3) am 10. Februar 2021
Die Aufführung findet ohne Publikum statt und wird im Livestream gezeigt


Logo: Oper Köln

Oper Köln
(Homepage)

Wozu überhaupt in die Oper gehen?

Von Stefan Schmöe / Fotos von Paul Leclaire

Es hilft alles nichts: Auch Pünktchen und Anton müssen coronabedingt in den Internet-Stream ausweichen. Vor Publikum, so sieht´s aus, kann die Kinderopernsparte der Oper Köln ihre neue Produktion vorerst nicht zeigen, und so fand diese Mittwochnachmittagspremiere für Besucher am heimischen PC statt. Als Vorlage dient Erich Kästners Kinderroman aus dem Jahr 1931. Dass man aus dem Stoff durchaus zeitgemäßes Kapital schlagen kann, hat Caroline Link in ihrer Verfilmung 1999 gezeigt - wenn dort Pünktchen, vernachlässigte Tochter aus reichem Hause, am utopisch guten Ende zu weinen beginnt "weil ich so glücklich bin", dann bringt das so einiges über Kindheit im modernen Deutschland auf den Punkt, in dem Geld vieles und gleichzeitig nichts bedeutet. So weit will diese Opernfassung für Kinder ab 6 Jahren von Ivan Eröd (1936 - 2019), komponiert für die Wiener Staatsoper 2010, nicht gehen, sondern hält sich lieber eng an das etwas altbacken sentimentale Original, das freilich auch seinen Charme hat.

Szenenfoto

Natürlich im gepunkteten Outfit: Pünktchen (Ana Fernández Guerra)

Lesenswert ist Pünktchen und Anton heute vor allem, weil Kästner Kinder mit ihren Nöten und Wünschen absolut ernst nimmt: Sie sind, nicht zuletzt des intuitiven moralischen Kompasses wegen, die bessern Erwachsenen. Leider ist genau das in der Oper weitgehend verloren gegangen. Im erschütternd harmlosen, jedes Spannungsmoment der Geschichte zuverlässig tilgenden Libretto von Thomas Höft spielen die beiden mit Segelschiffen und träumen von Seereisen, aber das klingt nicht einen Moment nach Aufbruch zu neuen Ufern, sondern nach sehr schlichtem Biedermeier und dem Glück im Kinderzimmer. Und der holprige Text gleitet mitunter ins Peinliche ab. "Meine Mutter hatte ein Gewächs im Körper", so erzählt Anton von deren Krankheit. "Eine Tanne?", witzelt Pünktchen - aber ist das witzig? Dieser Dialog zeigt im Grunde das große Missverständnis: Bei Kästner sind die Kinder diejenigen, die die Verhältnisse durchschauen und in ihrer klassenübergreifenden Freundschaft durchkreuzen. In dieser Oper sind es Kinder, die nichts wissen und nichts kapieren und das Leben als Abenteuer betrachten. Dass am Ende alle zusammen so eine Art WG bilden sollen, ist einigermaßen absurd.

Szenenfoto

Muss für die kranke Mutter kochen: Anton (Luzia Tietze)

Eröd hat eine gut hörbare Gebrauchsmusik geschrieben, die man allerdings auch sofort wieder vergisst. Ab und zu blitzt in Tanzrhythmen Zeitkolorit der 1920er-Jahre auf, aber zu wenig, um damit einen stilistischen Rahmen zu schaffen. Die wichtigsten Momente der Handlung sind Sprechszenen, und so bleibt offen, warum es der Musik überhaupt bedarf, zumal die Arien und Duette inhaltlich zu schwach motiviert sind. Selbst wenn die beiden Kinder davon träumen, dass die Reichen (also Luise "Pünktchen" Pogge, Tochter eines Industriellen) ihren Reichtum mit den Armen (also Anton, vaterloser Sohn der kranken und verarmten Frau Gast) teilen, dann windet sich die Musik in verdruckst kreiselnden Halbtonschritten, und ein Aufstieg zur Dur-Terz ist schon das höchste der musikalischen Gefühle. Ein wenig emphatischer dürfte eine solche Utopie schon verkündet werden. Da gibt man Vater Pogge gerne recht, wenn der fragt: "Wozu in die Oper gehen, wenn es zuhause doch auch gemütlich ist?" Da drängt sich natürlich die übergeordnete Frage auf: Warum stellt die Oper in einer der vielen sinnfreien (weil für die Handlung unbedeutenden) Szenen überhaupt eine solche Frage, nach der Notwendigkeit von Oper, anstatt beherzt das junge Publikum zu überwältigen? Denn dafür sollte eine Kinderoper doch da sein.

Szenenfoto

Mit krimineller Energie: Kindermädchen Fräulein Andacht (Maike Raschke) und ihr Verlobter Robert "der Teufel" (Dustin Drosdziok); in der Mitte der ahnungslose Kellner (Tom Wirtz)

Regisseurin Brigitta Gillessen, Leiterin der Kinderoper Köln, und Ausstatter Jens Kilian belassen die Geschichte in der Entstehungszeit. Im Hintergrund sieht man eine Stadtlandschaft mit Hochbahn (die auch durchs Bild fährt), die verschiedenen Orte der Handlung werden durch einfache Kulissenelemente angedeutet. Das ist eine nicht allzu originelle, aber funktionale Lösung, die für die Geschichte reichen würde, wenn diese denn überhaupt Bedeutung hätte. Da leistet Pünktchens Kindermädchen (hübsch zickig: Maike Raschke) ihrem kriminellen Verlobten (unglaubwürdig schmierig in seiner Mini-Partie: Dustin Drosdziok, der freilich sicher das tut, was die Regie ihm abfordert) Beihilfe zum Einbruch in der Pogge´schen Villa, während Mutter Pogge (mit Grandezza: Claudia Rohrbach) und ihr Gatte (etwas unbestimmt: Stefan Hadzic) eigentlich in die Oper wollen, auf Hinweis des Nachbarsjungen Gottfried (Sung Jun Cho wirkt allzu erwachsen) dann aber Pünktchen (Ana Fernandez Guerra mit viel Spielwitz und toller Stimme ist sicher die Entdeckung dieser Produktion) und Anton (klangschön, aber ein wenig brav: Luzia Tietze) beim abendlichen Streichholzverkauf abpassen. Das Entsetzen ist groß, schließlich wähnte man die Tochter im Kinderbettchen, wie auch Frau Gast (Eva Budde leidet angemessen) ihren Anton. Dank plötzlicher Eingebung wird das Komplott durchschaut und Köchin Berta (rollengerecht gutmütig: Lotte Verstaen) rechtzeitig gewarnt. Wie gesagt: das passiert irgendwie nebenbei und ist nicht weiter interessant. Text und Musik verschenken die Geschichte vollständig.

Szenenfoto

Köchin Berta (Lotte Verstaen) hat den Einbrecher bereits k.o. geschlagen. Der Polizist (Tom Wirtz) staunt unter Wahrung der Abstandsregeln.

Gesungen wird dabei durchweg sehr ordentlich, und das Kammerorchester aus Mitgliedern des Gürzenich-Orchesters spielt unter Leitung von Harutyun Muradyan sehr schön dazu. An der Besetzung liegt´s sicher nicht, und ob eine mutigere Regie etwas hätte retten können, ist fraglich: Einen Spannungsbogen durch die 65-minütige Aufführung finden sie alle nicht.


FAZIT

Kästners Roman wird allzu kleinkindgerecht bis zur Belanglosigkeit eingedampft.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Harutyun Muradyan

Inszenierung
Brigitta Gillessen

Bühne und Kostüme
Jens Kilian

Licht
Philipp Wiechert

Tango-Coach
Athol Farmer

Dramaturgie
Tanja Fasching


Gürzenich-Orchester Köln


Solisten

Pünktchen
Ana Fernández Guerra

Anton
Luzia Tietze

Herr Pogge
Stefan Hadzic

Frau Pogge
Claudia Rohrbach

Fräulein Andacht
Maike Raschke

Berta, Köchin
Lotte Vertsaen

Frau Gast
Eva Budde

Robert der Teufel
Dustin Drosdziok

Gottfried Klepperbein
Sung Jun Cho

Kellner /Polizist
Tom Wirtz

Passant
Robin Ebneth



Weitere
Informationen

erhalten Sie von der
Oper Köln
(Homepage)



Da capo al Fine

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